Glücklich und zufrieden verneigen sich die Künstler vor ihrem Publikum Foto: Morlok

Das SWR1-Top-Event „Pop und Poesie in Concert“, gastierte auf Einladung der Horber Stadtbücherei mit seiner 80er-Show am Samstagabend in der nahezu ausverkauften Horber Hohenberghalle.

Weit mehr als 1000 begeisterte Besucher, die aus dem ganzen Landkreis angereist kamen, ließen sich von den fantastischen Musikern und Schauspielern auf eine Reise durch das bunteste Musik-Jahrzehnt aller Zeiten mitnehmen.

 

Gewaltiger Beginn Gewaltig gleich der Beginn des Konzerts. „Reich mir die Hand – ich mache einen Gläubigen aus dir, denn ich bin dein ganz persönlicher Jesus“, rezitierte Moderator Jochen Stöckle noch aus dem Dunkel der großen Bühne heraus die ersten Verse des Depeche-Mode-Hits „Personal Jesus“. Und dies bevor die Band ganz nahe am Original instrumental einsetzte und Sänger Dominik Steegmüller wie ein Derwisch über die Bühne tobte und gleich mit diesem ersten Song das Publikum abholte. Ein Publikum, das sich nur allzu gerne auf diese Zeitreise einließ.

Wie Mark Knopfler zu seinem Hit „Money for Nothing“ kam, den er mit seiner Band Dire Straits einspielte, war auch schnell geklärt. Knopfler stand eines Tages in einem New Yorker Elektrogeschäft vor einer Wand von TVs, auf denen Musikvideos liefen. Neben ihm standen zwei Elektro-Monteure, die darüber lästerten, dass die Burschen im Fernsehen fürs Nichtstun Geld bekommen, also „Money for Nothing“, während sie Mikrowellenherde und Waschmaschinen schleppen und installieren mussten. Knopfler schrieb die Lästereien eins zu eins auf, setzte seinen unnachahmlichen Gitarrensound darunter, und fertig war einer der größten Hits der 1980er-Jahre. Einfach abgeschrieben am wahren Leben.

Gnadenlos romantisch Nach diesem fulminant rockigen Auftakt wurde es gnadenlos romantisch. Schauspielerin Simone von Racknitz-Luick sprach den deutschen Text des Lied-Märchens „Hijo de la luna“ (Kind des Mondes), den die spanische Band Mecano bekannt gemacht hatte. Es ist die Geschichte eines Kindes, das der Mond annahm. „Und wenn das Kind weint, dann nimmt der Mond ab, um dem Kind eine Wiege zu sein“, so eine der wahren Wünsche in einer frei erfundenen Geschichte. Und wenn irgendjemand dieses Lied singen kann, dann ist es die mexikanischstämmige Sängerin Britta Medeiros, die mit ihrer grandiosen Stimme und ihrem überschäumenden Temperament viele der Songs des Abends prägte. Ganz im blauen Bühnenlicht stehen, von leichten Kunstnebelschwaden umhüllt, gab sie dem Kind des Mondes Charakter und Tiefgang.

Abstecher bei Madness Als die Zuhörer wieder im Hier und Jetzt ankamen, schaute man noch schnell gemeinsam mit der Band Madness, einer der erfolgreichsten Ska-Bands jener Zeit, bei Mutti in „Our House“ mitten in der Straße vorbei. Und das im Originalsound ohne großen Blechbläser-Satz. Erstaunlich, aber bei einer Band dieser Qualität nicht weiter verwunderlich.

Gelungene Persiflage Nach ein paar Erinnerungen an Magnum, Alf und die Schwarzwaldklinik durften Britta Medeiros und Simone von Racknitz-Luick – alias Tina Turner – noch etwas über den Regen, der an ihre Fenster prasselt, in ihrer Interpretation von „I Can’t Stand the Rain“ schimpfen. „Lass mein Fenster in Ruhe, ich ertrag das nicht“, eine ihrer Forderungen.

Nach der Pause kam Chaka-Stöckle als einer der geldvermehrenden Motivationskünstler auf die Bühne und lieferte eine mehr als gelungene Persiflage auf die Scharlatane jener Zeit ab. Mit dem Yes-Titel „Owner of a Lonely Heart“ ging es dann weiter, um gleich darauf die bemerkenswerte Feststellung „Große Kunst entsteht oft aus schwerem Schmerz“ in Töne zu fassen. Melissa Etheridge hat in ihrem Track „Like the Way I Do“ die Verzweiflung einer Frau, die ihren Mann an eine andere verliert, auf den Punkt genau getroffen, und Simone und Britta transportierten diese Botschaft in bestechender Manier in Richtung Zuhörer. „Bettelt, stiehlt und hasst sie so wie ich – drückt die andere die richtigen Knöpfe? Dringt sie in dein Innerstes ein und lässt sie dich weinen und schreien so wie ich?“, so die Frage, die im Raum stand.

Mehrdeutige Botschaften Wie mehrdeutig englische Liedtexte sein können, das erfuhren die Besucher dieses Konzerts gleich bei mehreren Songs. „Every Breath You Take“ ist so ein Ohrwurm, den jeder sofort mitsummen kann, der aber entweder vom Stalking in seiner übelsten Form oder von bedingungsloser Liebe erzählt. »Jeden Zug, den du machst, jeden Schwur, den du brichst, jedes Lächeln, das du vortäuschst, welchen Anspruch du auch geltend machst, nichts wird mir entgehen«, textete Sting für seine Gruppe The Police.

Der Sommer 69 Seit Samstagabend wissen die Besucher von „Pop & Poesie in Concert“ zudem, dass der „Summer of 69“ überhaupt nichts mit Urlaubserinnerungen des damals neun Jahre alten Bryan Adams zu tun hat. Der Hit erzählt über Sex in einer lauen Sommernacht und ist, genau wie Bruce Springsteens Superhit „Born in the U.S.A.“, (der an diesem Abend nicht gespielt wurde) eines der meist fehlinterpretiertesten Lieder der Popgeschichte überhaupt.

Da hört man irgendeinen englischen Songtext und glaubt den Sinn des Liedes zu verstehen. Doch Pustekuchen. Die Story, die sich dahinter versteckt, ist oft eine ganz andere. Schön, dass die Künstler von „Pop und Poesie“ mit ihren wunderbar genauen Übersetzungen mit diesen Irrtümern aufräumen.

Klamotten passen dazu Wer vergaß, wie lustig die Klamotten der 80er-Jahre aussahen, der wurde von Peter Grabinger (Piano), Sänger und Gitarrist Patrick Schwefel, Michael Paucker am Bass, dem Gitarrengott Klaus-Peter Schöpfer und Schlagzeuger Carl-Michael Grabinger bei ihrem Super-Auftritt zum Song „Jump“ wieder daran erinnert. In Sportbekleidung jener Zeit tobten sie so auf der lichtdurchfluteten Bühne herum, dass es niemand mehr auf den Sitzen hielt. Die Besucher standen, klatschten und feierten mit. Grandios. Das Ensemble von Pop und Poesie entließ sie später im purpurnen Regen in die Nacht.

Viel Lob Von allen Seiten hörte man an diesem Abend nur Lob für dieses Konzert, und die Besucher gingen mit ihrem ganz speziellen Lieblingssong auf den Lippen nach Hause. Und die meisten von ihnen nahmen den Eindruck mit, dass es für jedes Lied, für jeden Welthit wie ein Ritterschlag sein muss, wenn diese großartigen Künstler es in ihr Programm aufnehmen. Es war ein berührendes, verrücktes, faszinierendes und begeisterndes Musikerlebnis, das die Musiker und Schauspieler ihren Zuhörern schenkten.