Die Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter wurde im Jahr 2007 ermordet. Foto: dpa

Ein von dem mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt angemietetes Fahrzeug ist am Mordtag in der Nähe von Heilbronn.

Ein von dem mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt angemietetes Fahrzeug ist am Mordtag in der Nähe von Heilbronn.

Heilbronn - Um 14.12 Uhr informierte der Taxifahrer Mustafa K. die Polizei, dass an der Heilbronner Theresienwiese zwei Polizisten leblos und blutüberströmt neben ihrem Streifenwagen lägen. Noch bevor eine Streife überhaupt den Tatort erreichte, organisierten die Beamten in der Polizeizentrale bereits die Fahndung nach den Mördern: Ab 14.15 Uhr errichteten sie in einem Radius von fünf Kilometern und in einem 30-Kilometer-Kreis um das Stadtzentrum Kontrollstellen, überprüften Autos und notierten Kennzeichen.

Auch etwa 15 Kilometer südlich der Theresienwiese: In der Kleinstadt Großbottwar rasten zwei Hauptkommissare in einem Streifenwagen ins benachbarte Oberstenfeld. Ihr Auftrag: An der Kreuzung L 1100/Gronauer Straße sollten sie die Kontrollstelle „LB 3“ errichten und die Kennzeichen aller Fahrzeuge notieren, die aus Richtung Heilbronn kamen. Zwischen 14.30 Uhr und 14.38 Uhr passierte als 20. Fahrzeug ein weißes Wohnmobil mit dem Kennzeichen C-PW 87 die Beobachtungsstelle. Unklar ist, wer das Fahrzeug steuerte. Die Notiz kam Tage später zu den anderen 33.072 erfassten Kennzeichen in die neun Leitzordner mit den 201 Listen.

Das Wohnmobil C-PW 87 wurde am 16. April 2007 von einem Mann in Chemnitz angemietet, der behauptete, Holger G. zu sein und in Hannover zu wohnen. Offenbar eine Tarnidentität, mit der der mutmaßliche Rechtsterrorist Uwe Böhnhardt das Mobil anmietete. Ihn identifizierte Alexander H. vom Chemnitzer Caravanverleih bei einer Vernehmung zweifelsfrei mit Hilfe von Fotos.

Zschäpe mehrmals in Ludwigsburg gewesen

An dieser Stelle schließen viele die Akte mit den Kennzeichen. Doch es gibt eine Reihe von merkwürdigen Zufällen im Zusammenhang mit C-PW 87: Nur Sekunden nachdem das Wohnmobil die Kontrollstelle „LB 3“ passierte, notierten die Polizisten auch das Kennzeichen LB-MY 340. Das allerdings hätte gar nicht auf der Straße sein dürfen: Im April 2007 war mit diesem Kennzeichen gar kein Fahrzeug zugelassen. Es ist das einzige während der Ringfahndung notierte Fahrzeug, das offenbar nie existierte. Die Vernehmung der beiden Hauptkommissare von der Kontrollstelle „LB 3“ Mitte November 2011 – also nachdem Böhnhardt und Mundlos tot in Eisenach aufgefunden worden waren – brachte die Fahnder nicht weiter.

Das Wohnmobil fuhr von Heilbronn südlich nach Oberstenfeld. Hätte sein Fahrer es nach Chemnitz gesteuert, hätte es nach Nordwesten fahren müssen. Urlaubsbekannte des Trios aus der Nähe von Oberstenfeld sagten aus, Zschäpe sei mehrmals im nahe gelegenen Ludwigsburg gewesen, um eine Freundin zu besuchen. Das Ziel Ludwigsburg wäre zumindest eine Erklärung dafür, warum C-PW 87 nach Süden fuhr.

Caravanverleiher Alexander H. hielt sich am Mordtag ebenfalls im Raum Heilbronn auf. Nachforschungen der Polizei belegen, dass er durchaus zur Tatzeit am Tatort gewesen sein könnte. Bei seiner Vernehmung vor dem OLG München verwickelte er sich in massive Widersprüche, als der Mord thematisiert wurde. Von dem umfangreichen Polizeieinsatz in der Stadt will er nichts bemerkt haben. Fragen zu seiner politischen Einstellung beantwortete er ausweichend.

Ein weiterer Zufall: Ein Jahr vor dem Heilbronner Mord war Alexander H. auch in der Nähe eines weiteren Tatortes der mutmaßlichen NSU-Mordserie. Abhörprotokolle und das Foto einer Radarfalle beweisen, dass H. sich am 4. April 2006 in der Nähe von Dortmund aufhielt. Um 12.54 Uhr rief er von dort aus seinen Caravanverleih in Chemnitz an. 60 Kilometer entfernt wurde zu dieser Zeit Mehmet Kubasik getötet. Die Telefonüberwachung beweist zudem, dass sich H. an diesem Tag besonders lange im Raum Kassel aufhielt. Dort wurde, 48 Stunden später, Halit Yozgat in seinem Internetcafé ermordet. Auch diese Morde rechnet der Generalstaatsanwalt dem NSU zu.