Über den Einsatz seiner Polizisten bei der EM äußert sich Innenminister Thomas Strobl (CDU) für das Parlament schmallippig. Bei den Beamtinnen und Beamten macht sich Frust wegen ihrer Verpflegung und fehlender Toiletten breit.
Es ist schwierig, mit 888 Worten, 7101 Zeichen, so wenig auszusagen, wie mit dieser Antwort an das Parlament: Mit „Einsatz von Polizisten in Stuttgart während der Europameisterschaft 2024“ haben Friedrich Haag und seine FDP die Anfrage an das Innenministerium überschrieben. Die Abgeordneten wollen Details: Zu den an Nationalmannschaften abgestellten Polizisten, die dort als Verbindungsbeamte fungieren. Zu ihrer Ausstattung, ob sie für diese Arbeit aus laufenden Ermittlungen abgezogen wurden, zur erwarteten Höhe der Überstunden bei der Polizei, zu den im Ministerium kalkulierten Kosten des meisterlichen Polizeieinsatzes in Baden-Württemberg.
Nur wenig beantwortet Thomas Strobl (CDU) konkret. Der Minister, der sogar freizügig zeigt, wo genau sich die Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) während des Spiels Deutschland gegen Ungarn im Stadion aufhalten, ist den Abgeordneten gegenüber zugeknöpft. Beispielsweise, wenn es um die Autos der Verbindungsbeamten geht: Die seien „vom Land Nordrhein-Westfalen mit Fahrzeug, Laptop mit mobiler SIM-Karte, Mobiltelefon, Visitenkarte, Polizeiweste und Powerbank ausgestattet“, schreibt er. Und lässt offen, ob es sich dabei um Dienstfahrzeuge des Bundeslandes im Westen handelt oder um von der Uefa oder ihren Unterstützern gesponserte Autos.
Auch auf die Frage, mit wie vielen Überstunden die Ministerialen rechnen, folgt nichts Konkretes. „Valide Aussagen über die Anzahl der zu erwartenden Mehrarbeitsstunden im Zusammenhang mit der Uefa Euro 2024 für das Polizeipräsidium Stuttgart können bspw. aufgrund nicht vorhersehbarer Einsatzverläufe oder Lageänderungen nicht getroffen werden“, schreibt Strobl. Und umschifft damit auch die Antwort auf die Frage nach möglichen Überstunden der Polizisten, die in Stuttgart unterstützen: die Kräfte des zuständigen Polizeipräsidiums Einsatz.
„Strobl enthält dem Parlament mal wieder wichtige Informationen vor und versucht diese teilweise unter den Teppich zu kehren. Der Innenminister tut das, was er am besten kann: tricksen!“, urteilt der Liberale Haag. Und kommt zu einem Thema, das die bei der EM eingesetzten Polizisten derzeit am meisten umtreibt: Wohin, wenn sie mal müssen? Und was ist bloß mit ihrer Verpflegung los?
Denn: Für die am Mittwoch im Stadion eingesetzten, mehrere Hundertschaften starken Polizeikräfte standen zwei Toiletten zur Verfügung. Die Uefa hatte gewünscht, so macht es die Runde, dass die Polizistinnen und Polizisten auf keinen Fall die stillen Örtchen der Stadionbesucher benutzen mögen.
Auch im Herzen Stuttgarts auf der Fanmeile suchen Polizisten meist vergeblich nach Toiletten. Die haben inzwischen Cafés und Restaurant für die staatlichen Helfer von Polizei, Feuerwehr und Rettungswesen kostenlos geöffnet. Zumal die Notdurft gerade für Polizistinnen ohnehin kein leichtes Unterfangen ist: Bepackt mit Einsatzanzug oder -overall, darüber die KSA genannte Körperschutzausstattung, unter Umständen noch Arm- und Beinschienen, den Helm an die KSA geschnallt wird es in den mobilen Toilettenhäuschen sehr eng.
Ein Problem, das nicht erst seit dieser EM besteht: Regelmäßig klagen Polizisten bei Großeinsätzen von Waldbesetzungen über Protestmärsche bis hin zu Fußballspielen über „mangelhafte bis nicht vorhandene Entsorgungskonzepte“. Das alles bei dieser EM bei Einsätzen, die für die Beamten teilweise auf eine Dauer bis zu zwölf, 14 Stunden angelegt sind.
Polizeigewerkschaft: Aus Scham keine Bilder der Toiletten in die Öffentlichkeit
Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Ralf Kusterer, schäumt: „Die Bilder, die wir erhalten, mag ich wirklich nicht öffentlich vorzeigen. Aber es braucht nur wenig Fantasie, wenn man kleine Dixie-Toiletten sieht, die von vielen Personen in kurzer Zeit genutzt werden. Unsere Polizisten nehmen das Mineralwasser aus ihren Trinkflaschen, um sich die Hände zu waschen. Wir hätten erwartet, dass es zu den zwei Jahren Vorbereitung auf diesen Einsatz gehört hätte, zumindest Toilettenwagen anzumieten.“
Und auch die Versorgung vor allem mit Getränken lässt zu wünschen übrig: Statt – wie bei der Weltmeisterschaft 2006 – Verpflegungspunkte nahe der Einsatzräume einzurichten, bekommen die Polizisten Verpflegungspakete: zwei Brötchen, zwei kleine Schnittchen, einen Apfel, einen Müsliriegel oder anderen Snack, vier Flaschen mit je einem halben Liter Wasser. Gelagert in den Gruppenfahrzeugen, in denen es bei 28, 29 Grad Außentemperatur wie am vergangenen Mittwoch schnell 40 Grad warm wird. Eingenommen wird der Schmaus, von dem Strobl am Mittwoch dem Innenausschuss versicherte, es sei alles bestens, in den weiß-blauen Polizeibussen.
Fehlendes Problembewusstsein, nicht in der Lage, Fehler einzugestehen
Auch wenn der Minister Verbesserungen ankündigte: „Verstanden hat mancher das Problem offensichtlich nicht“, wettert Kusterer. „Wenn etwas an dieser Situation ärgerlich ist, dann sind es fehlendes Problembewusstsein, mangelhafte Kritikfähigkeit und die fehlende Fähigkeit, Fehler einzugestehen.“ Das seien Zeichen ungenügender Planung und Führung.
FDP-Mann Haag sekundiert dem Gewerkschaftler: „Ich hoffe, Strobl nimmt sich der Kritik der Polizisten an und sorgt schleunigst dafür, dass deren Versorgung besser läuft als bisher.“ Eine ganz konkrete Forderung: 21 Worte, 133 Zeichen.