Handschellen am Gürtel eines Polizisten. (Symbolfoto) Foto: Berg

Kontrolle von elfjährigem Jungen in Singen läuft aus dem Ruder. Innenministerium verspricht Aufklärung.

Bei einer Polizeikontrolle wird ein Elfjähriger mutmaßlich von der Polizei mit Handschellen abgeführt. Das Innenministerium verspricht eine "intensive Aufklärung".

Singen - Sollten sich Vorwürfe als wahr herausstellen, so hätte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) es wenige Wochen vor der Landtagswahl mit einem handfesten Polizeiskandal zu tun: Polizeibeamte sollen bei einer Kontrolle in Singen (Kreis Konstanz) einen elf Jahre alten Jungen bedroht, beleidigt und in Handschellen gefesselt abgeführt haben. Der Zentralverband der Sinti und Roma in Baden-Württemberg (VDSR-BW) hat Strafanzeige erstattet und lässt sich anwaltlich von Mehmet Daimagüler vertreten, einem der Nebenklageanwälte aus dem NSU-Prozess. Dieser spricht vom Verdacht der Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Amt.

Der Fall, um den es geht, ereignete sich angeblich am 6. Februar in Singen: Dort sollen einer Mitteilung des VDSR-BW zufolge verschiedene Polizeibeamte zweimal hintereinander mehrere spielende Kinder kontrolliert haben. Einer der Beamten bei der zweiten Kontrolle hat demnach eines der Kinder in gebrochenem Romanes angesprochen, als "Zigeuner" beleidigt und unter anderem mit den Worten "Der Tod kommt dich holen" bedroht. Dann habe man das Kind durchsucht, ein kleines Klappmesser bei ihm sichergestellt und den Jungen mit Handschellen hinterm Rücken gefesselt und mitgenommen, ohne die Eltern zu informieren.

Nicht der erste Übergriff gegen Sinti und Roma

Im Polizeiauto habe das Kind über Atemprobleme geklagt, da es Asthma habe. Eine Polizeibeamtin habe es daraufhin mit den Worten "halt die Schnauze" abgekanzelt. Während die Eltern verzweifelt nach dem Jungen gesucht und dabei auch mehrfach bei der Polizei angerufen hätten, habe die Polizei den Elfjährigen 30 Minuten lang festgehalten und dann erst freigelassen, hieß es seitens des Verbandes.

Von den Handschellen habe der Junge Striemen an den Händen davongetragen, äußerten sich die Eltern gegenüber dem VDSR. Dessen Vorstandsvorsitzender Daniel Strauß fordert nun vom Land Baden-Württemberg eine "vollständige Aufklärung" des Vorfalls. Zumal der Übergriff nicht der erste Fall von Polizeigewalt gegen die Minderheit der Sinti und Roma im Land in den jüngsten Jahren sei: Im vergangenen Frühjahr hatten beispielsweise Berichte über einen Polizeiübergriff auf eine Roma-Familie in Umkirch (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) für Aufsehen gesorgt, bei dem ein Familienvater von einem Polizeihund gebissen worden sein soll.

"Im Moment ist der geschilderte Fall für uns nicht nachvollziehbar, wir arbeiten intensiv an der Aufklärung", sagte Pressesprecher Carsten Dehner vom Innenministerium am Mittwoch. Man nehme die Angelegenheit sehr ernst. Zeitlich und örtlich könne der Sachverhalt auf einen Polizeieinsatz zutreffen, bei dem die Polizei in Singen die Personalien eines elf-jährigen Kindes im Zusammenhang mit einem Hausfriedensbruch festgestellt habe. "Allerdings erfolgte nach aktuellem Kenntnisstand weder eine Mitnahme des Kindes durch die Polizei, noch eine Durchsuchung", sagte Dehner. Folglich seien auch keine Handschellen eingesetzt und kein Klappmesser gefunden worden.

Der Fall im vergangenen Jahr sei mittlerweile "umfassend aufgearbeitet" worden, im September habe die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Beamten eingeleitet, das Verfahren laufe derzeit noch.