Genau das soll die Reform nun bewirken. Wie erwartet werden die bisherigen 37 Polizeidirektionen – in jedem Landkreis eine – abgeschafft, stattdessen gibt es große Polizeipräsidien, die kreisübergreifend zuständig sind. Das größte kommt nach Karlsruhe mit rund 2700 Beamten und Angestellten, zuständig für den Stadt- und Landkreis Karlsruhe, für Pforzheim, den Enzkreis und den Landkreis Calw. Das kleinste wird mit 1400 in Offenburg angesiedelt, zuständig für den Ortenaukreis, den Kreis Rastatt und den Stadtkreis Baden-Baden. »Wir haben Einheiten geschaffen, die die Alltagsarbeit leisten, aber auch besondere Einsatzlagen selbstständig bewerkstelligen können«, erklärt Gall den Zuschnitt der Präsidien. Dabei seien Faktoren wie Kriminalitätsraten und Verkehrsunfallstatistik, aber auch Einwohnerzahlen und die Fläche berücksichtigt worden.
Mit der Polizei und nicht gegen sie entwickelt
Und welche Rolle spielten die Mitarbeiter? Gall hatte zuletzt mehrfach betont, die Reform sei mit der Polizei, nicht gegen die Polizei entwickelt worden. Man habe auch in diesem Bereich »die Politik des Gehörtwerdens« praktiziert, beteuern er und Regierungschef Kretschmann. »Da ist viel Post zu uns gekommen«, räumt der Ministerpräsident rückblickend ein. Dass es sich dabei keineswegs nur um Jubelbotschaften gehandelt haben dürfte, liegt auf der Hand. Gall aber betont, man habe »alles versucht«, den Kreis der Betroffenen so klein wie möglich zu halten. Dennoch muss nun mit rund 4000 Polizisten und Angestellten über andere Jobs an neuen Orten verhandelt werden – sogenannte Interessenbekundungsgespräche.
Diese Personalentscheidungen reihen sich ein in eine Fülle anderer Entscheidungen, die noch zu treffen sind. Denn vielerorts steht nun zwar fest, wohin das Präsidium mit seiner Kriminalpolizeidirektion kommt. Aber nicht überall steht fest, wo die jeweilige Direktion Straßenverkehr angesiedelt wird. »Da brauchen wir noch Zeit«, so der Innenminister, da stecke »noch viel Arbeit« drin.
Gleichzeitig drückt Gall aber aufs Tempo. In den nächsten Monaten soll die notwendige Änderung des Polizeigesetzes den Landtag passieren, mit der Umsetzung der Reform soll Ende dieses Jahres, spätestens im Frühjahr 2013 begonnen werden, bis Ende 2014 soll die neue Polizeistruktur fertig sein. Dann werden, so Galls Hoffnung und Rechnung, rund 900 Stellen quer übers Land verteilt sein, die er durch den Abbau von Hierarchien gewinnen will. Dass die Reform erst mal nichts bringt, dafür aber kostet, gibt der Innenminister freilich zu. Er rechne für die nächsten Jahre mit einem finanziellen Aufwand von 120 bis 170 Millionen Euro.
Aber das alles ändert aus Sicht von Grün-Rot nichts an der Notwendigkeit der Reform. Da an den rund 360 Polizeiposten im Land und den knapp 150 Revieren nicht gerüttelt werde, müsse kein Bürger fürchten, das Land spare auf Kosten der Sicherheit. »Von einer Reduzierung der Polizeipräsenz in der Fläche kann keine Rede sein«, sagt Gall mit energischer Stimme – so, als ob er alle Kritiker zwischen Mannheim und Meersburg nochmals ins Gebet nehmen will, das Projekt nun nicht mehr zu torpedieren, sondern aktiv mitzugestalten. Immer wieder habe er zuletzt Gespräche mit Bürgermeistern und Landräten geführt. »Ich habe dabei aber überwiegend nur gehört, dass jeder seinen Standort behalten will.« Das aber, so Gall, könne nicht das Ziel einer Strukturreform sein. Gerade im Bereich der Prävention – also in Feldern wie Sozialarbeiter, Suchtproblematik, Alkohol – würden Polizei und Kommunen sowie Kreise künftig weiterhin eng zusammenarbeiten. »Darauf setzen wir«, sagt der Innenminister. Das klingt nach Forderung. Und nach Aufforderung.
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