Die Polizei hat regelmäßig mit Vermisstensuchen zu tun. (Symbolfoto) Foto: Robin Heidepriem

Wann darf die Polizei kontaktiert werden, machen private Suchmaßnahmen Sinn und macht es einen Unterschied, ob ein Minderjähriger vermisst wird oder ein Erwachsener? Bei der Vermisstensuche gibt es einiges zu beachten.

Wahrlich keine Einzelfälle: Als vermisst gemeldet waren laut Bundeskriminalamt Stand 1. Januar 2024 fast 10.000 Personen in Deutschland.

Immerhin 80 Prozent dieser Fälle wurden innerhalb eines Monats geklärt, dennoch bereiten solche Fälle Angehörigen große Sorgen – und werfen viele Fragen auf. Matthias Hauns bringt Licht ins Dunkle. Er ist Erster Kriminalhauptkommissar des Polizeipräsidiums Offenburg und hat regelmäßig mit Vermisstenfällen zu tun.

Was tun, wenn ein Verwandter oder eine Person aus dem Freundeskreis auf einmal verschwindet?

Es kommt auf den Sachverhalt an. Generell hat in Deutschland jeder Erwachsene das Recht, seinen Aufenthaltsort frei zu wählen – ohne Familie und Freunde darüber zu informieren. Wenn bei einer verschwundenen Person allerdings von einer Gefahr für Leib und Leben ausgegangen werden kann, leitet die Polizei eine Fahndung ein. „Wir sind da aber nicht sehr restriktiv“, erläutert Kriminalhauptkommissar Hauns. „Wir brauchen keinen Abschiedsbrief oder so etwas. Die Angehörigen kennen die vermissten Leute besser als wir und spüren, wenn jemand zum Beispiel suizidgefährdet ist.“

Macht es einen Unterschied, ob es sich um einen Erwachsenen handelt oder um ein Kind, beziehungsweise einen Jugendlichen?

Ja. Minderjährige haben kein sogenanntes Aufenthaltsbestimmungsrecht. Kinder und Jugendliche, die nicht im gewohnten Lebensumfeld sind und deren Aufenthaltsort nicht bekannt ist, gelten als vermisst. Dabei spiele es keine Rolle, ob sie beispielsweise von der Familie oder aus einem Heim vermisst werden, so Hauns.

Nach welchem Zeitraum sollte die Polizei eingeschaltet werden?

Entscheidend ist nicht die vergangene Zeit, sondern die Frage, ob eine Gefahrensituation besteht. „Es geistert immer noch die Tatortweisheit herum, das man erst nach 24 Stunden bei der Polizei anrufen darf. Das stimmt nicht. Wenn eine Notsituation vorliegt, sollte man lieber einmal zu viel anrufen, als einmal zu wenig. Wir sind niemals böse“, unterstreicht Kriminalhauptkommissar Hauns.

Macht es Sinn, private Vermisstenanzeigen über Instagram, Facebook und Co. zu teilen?

Dabei ist Vorsicht geboten. Denn wird die betreffende Person am Ende gar nicht vermisst oder gibt es kein Einverständnis für die Veröffentlichung eines Fotos, kann es einem womöglich teuer zu stehen kommen.

Grundsätzlich hat die Polizei keinen Einfluss darauf, ob jemand eigenständig nach einer vermissten Person sucht. „Problematisch an diesen privaten Suchmaßnahmen ist, dass wir dann telefonisch sehr viele Hinweise erhalten, obwohl wir möglicherweise gar nicht wissen, um welchen Fall es sich handelt. Private Suchmaßnahmen unterstützen uns manchmal schon bei der Suche, aber es wäre gut, wenn es nach Absprache mit uns passiert“, meint Hauns.

Für Polizei-Pressesprecherin Banu Kalay vom Präsidium Pforzheim hat die private Fahndung einen „schlechten Beigeschmack“. „Wir raten von privater Fahndung ab. Wir können den Wahrheitsgehalt solcher Posts oftmals nicht überprüfen“, erklärt sie.

Welche Rolle spielt der Persönlichkeitsschutz bei der Suche?

Was einmal im Internet zu finden ist, verschwindet dort kaum noch. Das Veröffentlichen und Teilen eines Vermisstenaufrufs mit zu vielen intimen Details kann einer Person schaden, mitunter sogar bei der Jobsuche. Auch für die Polizei ist daher Vorsicht geboten. Für die Veröffentlichung eines Fotos in der Presse braucht sie das Einverständnis der Angehörigen. „Es kommt öfter vor, dass das nicht direkt gewollt wird“, berichtet Kriminalhauptkommissar Hauns vom Polizeipräsidium Offenburg. Das gelte auch, wenn der oder die Vermisste beispielsweise unter einer psychischen Erkrankung leide – hier entscheiden die Angehörigen, ob solche privaten Details öffentlich gemacht werden oder nicht.