Die herkömmliche Kunststoff-Vesperbox wird immer seltener. Viele Kinder und auch Erwachsene, die ihr Mittagessen selbst zur Arbeit mitnehmen, greifen zu Dosen aus Metall, Glas oder sogar Bambus. (Symbolbild) Foto: Pförtner/dpa

Sie sind aus Glas, Metall, Keramik oder sogar aus Bambus: Wer sich in den Geschäften in der Geschirr-Abteilung umschaut, dem könnte die große Auswahl an Vesperboxen und Trinkflaschen auffallen. Die Hersteller werben unter anderem damit, dass diese Materialien "gesünder" seien als Plastik. Was ist dran?

Oberndorf - Die klassische Vesperbox aus Plastik scheint out zu sein. Woran liegt es? Am steigenden Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung oder an cleveren Werbemaschen der Hersteller?

Die Frage, ob Plastik gesundheitsschädlich ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. "Es hängt unter anderem davon ab, welche Lebensmittel mit welchem Fett- oder Säuregehalt in diesen Behältnissen verpackt wurden", erklärt Lydia Fries-Spöcker, Ernährungsfachkraft der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Ob der Gebrauch von Kunststoffboxen und -flaschen im Lauf des Lebens gesundheitliche Auswirkungen haben könne, dazu gebe es auch keine eindeutige, gesicherte Datenlage. Verpackungen und Boxen aus Glas seien zu bevorzugen, denn hier finde kein Stoffübergang statt, so die Expertin.

Plastik im Kopf

"Pro Woche nimmt jeder Mensch fünf Gramm Mikroplastik auf", sagt Andreas Fath, Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen. Er unterrichtet am Campus Schwenningen an der Fakultät Medical and Life Sciences. Der Wissenschaftler erforscht seit Jahren die Gefahren von Mikroplastik. Winzige Plastikpartikel gelangen ständig in die Luft, den Boden oder das Trinkwasser, erklärt er. Und zwar über Reifen- und Schuhsolen-Abrieb, durch die Zersetzung von Plastikmüll, der unachtsam in der Umwelt entsorgt wurde, als Nebenprodukt der Industrie, aus Textilfasern, die sich in der Waschmaschine von Kleidung ablösen, oder durch Kosmetika, nennt der Professor einige Beispiele. Es ist also ständig allgegenwärtig, wenn die Kleinstpartikel auch nicht sichtbar sind.

Das sei auch nicht weiter schlimm, weil der Großteil der fünf Prozent Mikroplastik einfach wieder ausgeschieden werde. Häufig enthalte Plastik aber chemische Zusatzstoffe. "Weichmacher, Stabilisatoren oder Farbstoffe zum Beispiel können im Körper vom Mikroplastik abgespalten werden." Kleinste Partikel können sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden, sich damit im Gehirn einnisten, und das Immunsystem schwächen. Das, so Fath, haben Wissenschaftler vergangenes Jahr herausgefunden.

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Kein Besteck in die Plastikbox

Um nun auf die Plastik-Vesperboxen zurückzukommen: "Es kommt darauf an, aus welcher Art von Kunststoff sie sind. Ob Zusatzstoffe wie Weichmacher und UV-Stabilisatoren drin sind. Allerdings sind die Produkte hierzulande strengen Richtlinien in der Produktion unterworfen. Dass also gefährliche Stoffe in bemerkenswerten Mengen in das Pausenbrot übergehen, ist unwahrscheinlich", gibt Fath Entwarnung. 

Und was ist mit dem Mikroplastik? Das, so Fath, entstehe bei der Vesperbox nur durch Abrieb, also wenn Material am Kunststoff reibt, das härter ist als der Kunststoff selber. "Es ist also nicht ratsam, Kieselsteine in die Box zu tun und zu schütteln", scherzt er. "Besteck sollte man allerdings besser nicht unverpackt in die Plastikbox legen."

Das hat er in einem Experiment mit Plastik-Rührschüsseln herausgefunden. "Ich habe alle Arten von Kunststoff-Rührschüsseln im Bekanntenkreis eingesammelt", erzählt er. Dann habe das Experiment starten können. "Ich habe die Schüsseln so bearbeitet, wie man das tut, wenn man einen Teig rührt." Anschließend habe er unter dem Infrarot-Mikroskop Mikroplastikpartikel nachweisen können, die von der Schüssel-Oberfläche abgerieben wurden. Salz, das bekanntlich sehr hart sei, habe die Abriebmenge erhöht. 

Wie Formaldehyd in den Rührkuchen kommt

Wenn Plastik-Abrieb durch Besteck in der Vesperbox im Pausenbrot landet, ist das nicht ideal, aber weitaus bedenklicher sei es beim Kuchenteig. "Wenn diese Partikel im Teig landen und der in den Ofen kommt, wird Formaldehyd freigesetzt. Und dass das nicht gesund ist, braucht man nicht extra dazusagen." Das seien zwar sehr geringe Mengen, aber wer auf Nummer sicher gehen wolle, benutze eine Rührschüssel aus Glas. Und gibt es bei der nicht auch einen Abrieb? "Doch, aber das ist nicht gesundheitsschädlich. Glaspartikel in dieser winzigen Größe machen nichts aus", erklärt der Professor. 

Vor allem in Verbindung mit Hitze können Plastikprodukte nämlich gesundheitsschädliche Stoffe freisetzen, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) herausgefunden hat. Aus Melamin und Formaldehyd werden Polymere - sogenannte Melaminharze - hergestellt, aus denen unter anderem Geschirr und Küchenutensilien wie Teller, Becher, Schüsseln, Kochlöffel oder Pfannenwender hergestellt werden. Diese Kunststoffprodukte sind hart, bruchfest und damit langlebig. Das Problem dabei: Sie können Melamin und den krebserregenden Stoff Formaldehyd freisetzen, wenn sie hohen Temperaturen über 70 Grad Celsius ausgesetzt sind. Für den Übergang von Melamin und Formaldehyd in Lebensmittel gibt es festgelegte Grenzwerte. Die werden bei solcher Hitze - insbesondere ab 100 Grad Celsius - deutlich überschritten. 

Vesperboxen und Plastik-Trinkflaschen werden für gewöhnlich nicht in den Ofen oder die Mikrowelle gestellt. Was passiert aber, wenn im Winter zum Beispiel warmer Tee in die Trinkflasche kommt? Das BfR gibt Entwarnung. Das sei nicht bedenklich, wenn die Flüssigkeiten nicht heißer als 70 Grad Celsius sind, wenn sie in Hartkunststoff-Becher oder -flaschen gefüllt werden.

Brüchige Knochen durch Aluminium-Überdosis

Nun gibt es aber nicht nur Vesperboxen aus Plastik, sondern auch aus Metall. Dieses muss muss nicht zwangsläufig weniger schädlich sein als Plastik. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Interessantes zu Aluminium-Essensbehältern herausgefunden. Bei der Verpflegung in Kindertagesstätten, Schulen, Betrieben oder Seniorenheimen kommen oft unbeschichtete Aluminiummenüschalen zum Einsatz, in denen die Speisen portionsweise angeliefert und ausgegeben werden. Das Bundesinstitut hat in einem Forschungsprojekt untersucht, ob Aluminiumionen aus diesen Menüschalen in Lebensmittel übergehen können.

Dazu hat es Sauerkrautsaft, Apfelmus und passierte Tomaten in unbeschichteten Aluminiummenüschalen der Heißabfüllung, dem Kühllagern und Wiedererhitzen sowie einer Warmhaltephase ausgesetzt. Diesen Prozessen ist die Schale auch im normalen Gebrauch ausgesetzt. Die Messergebnisse zeigten, dass vor allem beim längeren Warmhalten hohe Mengen an Aluminiumionen freigesetzt werden und in die Speisen übergehen. 

Bei kurzzeitiger Aufnahme über die Nahrung "ist Aluminium kaum gesundheitsschädlich", stellte die Amtliche Lebensmittelüberwachung bereits 2008 in einer Studie fest. Bei einer erhöhten, langfristigen Aufnahme könne Aluminium beim Menschen jedoch zu brüchigen Knochen, Anämie und Hirnschädigungen führen. Das BfR empfiehlt wegen der zu erwartenden Übergänge von Aluminium in das Lebensmittel, dieses Metall grundsätzlich nicht im Kontakt mit säure- und salzhaltigen Speisen und Getränken zu verwenden.

Bei warmen Lebensmitteln in Aluminium-Boxen ist also Vorsicht geboten.

Die Liste der Materialien könnte noch lange weitergehen. Selbst Keramikwaren sind, je nach Verarbeitung, mit Vorsicht zu genießen. "Glasuren und Dekore von Keramikgeschirr – beispielsweise Steingut oder Porzellan – enthalten teilweise Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Kobalt. Diese Stoffe können sich aus der Keramik herauslösen", teilt das BfR mit. 

Reifen-Partikel in der Sprudelflasche?

Glas bewerten die Fachleute allesamt als gute Alternative. Dabei komme es aber darauf an, ob es sich um Einweg- oder Mehrwegglasflaschen handle, betont Fath. Wer sich nun also von Plastikflaschen abwenden und stattdessen täglich eine Glas-Sprudelflasche aus dem Kasten nehmen will, tut seiner Gesundheit damit nicht unbedingt etwas besseres. Winzige Plastikpartikel gelangen ständig in die Luft, den Boden oder das Trinkwasser, erklärt er. Für Einwegflaschen gelte folgendes: "Recyclefähige Kunststoffflaschen sind nicht gesundheitsschädlicher als recycelbare Glasflaschen. Auch Glasflaschen müssen ja entweder gereinigt und wieder aufbereitet oder eingeschmolzen und neu geblasen werden. In den Produktionsräumen ist die Luft nicht klinisch rein. Dort sind zum Beispiel Fahrzeuge unterwegs, die durch Reifenabrieb Mikroplastik in die Umgebungsluft abgeben." Dadurch finden sich sogar in Glasflaschen Mikroplastikpartikel.

Bambusware besteht nicht nur aus Bambus

Nun könnte man auf die Idee kommen, das Wasser direkt aus dem Hahn zu trinken und sich morgens nur noch den Kaffee auf dem Weg zur Arbeit mitzunehmen. Wie steht es da mit Mehrweg-Behältern, die mit Gesundheits- und Umweltfreundlichkeit werben? Dem klassischen Hartkunststoff - also Melamin-Formaldehyd-Harz - werden in den vergangenen Jahren alternative Materialien wie Bambusfasern als Füllstoff zugesetzt. Die so hergestellten Produkte werden häufig als „Bambusware“ beworben. „Coffee to go“-Becher aus „Bambusware“ waren lange Zeit ein hipper Trend. Laut BfR können diese Produkte aber gesundheitlich bedenkliche Stoffe in heiße Lebensmittel abgeben. Durch den Zusatz von Bambusfasern verträgt sich Formaldehyd nämlich auch nicht besser mit Hitze.

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Fazit: eine gut verarbeitete Plastik-Vesperbox sollte der Gesundheit nicht schaden. Wer sicher gehen will,  greift zu Glas. Das gilt zumindest für Erwachsene, die in der Regel vorsichtiger mit ihren Boxen umgehen als Kinder. Gleiches gilt für Mehrweg-Flaschen. Auch hochwertige Küchenutensilien dürfen aus Kunststoff sein, sofern sie nicht mit deutlich härteren Gegenständen bearbeitet werden und keinen Temperaturen über 70 Grad Celsius ausgesetzt sind.