Bürgermeister Jens Häußler, der Planer des FNP, Thomas Sippel, Bauamtsleiter Heinz Braun und Kämmerer Andreas Bastl trafen sich mit der Mehrzahl der Gemeinderäte vor Ort, um die gewerblich bebaubare Erweiterungsfläche der FNP-Änderung in Augenschein zu nehmen. Foto: Tröger

Die Chance, im Flächennutzungsplan (FNP) kurzfristig erweiterte gewerbliche Bauflächen im Gebiet "Streitberg" auszuweisen, bietet sich für Gechingen durch das von Ostelsheim beantragte FNP-Änderungsverfahren. Vor Ort nahm der Gemeinderat am Dienstag die Erweiterungsfläche in Augenschein.

Gechingen - Die bisher im Anschluss an das Gewerbegebiet rechts der Gültlinger Straße K 4300 in westlicher Richtung im gültigen FNP eingeplante gewerbliche Baufläche in Hanglage ist mit rund 13 500 Quadratmetern relativ klein und deren Erschließung nicht wirtschaftlich. Die von der Verwaltung bisher vorgeschlagene Erweiterung von rund 11 000 Quadratmetern schließt sich nördlich an den Feldweg an, der nach dem letzten Gewerbebetrieb von der Kreisstraße abzweigt. Aus den Reihen des Gemeinderates war eine noch weitergehende Erweiterung gefordert worden, was schließlich zur Vertagung und Ortsbesichtigung führte.

Keine Alternativen im Ort

"Wir haben keine Alternativen im Ort mehr für gewerbliche Flächen", betonte Bürgermeister Häußler. "Eine Gemeinde wie Gechingen sollte für die nächsten Jahre etwas anbieten können und nicht jetzt schon den Vorhang zu machen." Alternative Flächen zum Streitberg – in Richtung Deufringen, Althengstett und Sieben Tannen – seien schon vor Jahren geprüft worden, jedoch alle aus verschiedenen Gründen wie Landschaftsschutzgebiet (LSG), Hochwasserschutz oder dichtem, zusammenhängendem Streuobstbestand ausgeschieden.

Hürden jetzt zwei Ebenen höher

Thomas Sippel, der Planer des FNP, erläuterte die Herausforderungen für die Erweiterung. Streuobstbestände sind seit zwei Jahren gesetzlich geschützt "und damit sind die Hürden zwei Ebenen höher gesetzt worden". Weiter gibt es im Gebiet blühreiche Flachland-Mähwiesen, die mittlerweile auch stärker geschützt sind und drittens muss die Erweiterungsfläche aus dem LSG herausgenommen werden. Er schlägt deshalb vor, die Erweiterung nur bis an die auf der Geländekuppe liegenden Baumreihen heran zu machen und diese als Randbegrünung der gewerblichen Fläche zu nutzen. Die Erschließung des gesamten Gebiets von der Kreisstraße bis zu den Baumreihen hoch wird aufwendig, so Sippel weiter auf die Frage von Jürgen Groß nach den notwendigen Erdbewegungen. Zum einen muss die Steigung abgemildert werden und zum anderen sollte die Bebauung an der oberen Grenze so tief wie möglich liegen, um nicht zu weit über die Kuppe hinaus zu ragen. Auch müssen die Zuwegungen für die Landwirtschaft erhalten bleiben.

Wie kann Starkregen abfließen?

Weitere Fragen aus dem Kreis der Gemeinderäte drehten sich vor Ort ums Grundwasser und den Abfluss von Starkregen, wieviel der Flächen für die Erschließung wegfällt sowie um die zu erwartenden Kosten und in welchem Zeitraum sich diese amortisieren. Der Bürgermeister machte nochmal deutlich, dass man bisher "keine Lösung für Gewerbeflächen bis 3000 Quadratmeter hat". Gechingen ist zwar beteiligt am Gewerbegebiet Lindenrain, "die Haltung vom Calwer Oberbürgermeister und vom Kollegen aus Bad Teinach ist jedoch so, dass dort eher großflächige Ansiedlungen gewünscht sind". Also braucht man vor Ort Möglichkeiten, denn laut Häußler hat die Firma Dürr signalisiert, dass sie trotz Neubaus schon wieder Erweiterungsbedarf hat.

Das Ende ist völlig offen

Es müssen dicke Bretter gebohrt werden, um die FNP-Änderung durchzubekommen, machten sowohl Sippel als auch Häußler schließlich in der Fortsetzung der Gemeinderatssitzung in der Gemeindehalle deutlich. Trotzdem solle die Chance ergriffen werden, die gewerblich nutzbare Fläche um etwa einen Hektar zu erweitern. Wichtig zu wissen sei jedoch auch, so Sippel, es ist erst der Einstieg in die FNP-Änderung, "wir stehen ganz am Anfang und das Ende ist offen".

Die Änderung des FNP und die Eingriffe in die Natur sollen langfristig sinnvoll sein, so Konstantin Böttinger (Bürgerunion BU). Er lenkte den Blick auf die angrenzenden Gewerbeflächen Porschestraße/Daimlerstraße sowie die Gültlinger Straße, "so sollte ein Gewerbegebiet heute nicht mehr aussehen". Für ihn sind in einem folgenden Bebauungsplan künftig rechtliche Rahmenbedingungen wichtig, mit denen die Gemeinde lenkend eingreifen kann, zum Beispiel durch Rücknahme oder Weitervermittlung. Er denke dabei an Erbbaurecht wie im Schuppengebiet oder das "Ulmer Modell", welches einen vorbildlichen Umgang mit Bauland und Boden aufzeige und eine Art Wiederkaufsrecht bei nicht zweckmäßiger Nutzung der vergebenen Flächen beinhaltet.

Seitenhieb auf Lindenrain

Claus Schaible (Freie Wähler FW) ist die vorgeschlagene Fläche zu klein: "In Gechingen gibt es Betriebe, die erweitern wollen, einige sind schon abgewandert. Und ich bin sicher, dass wir die nächsten 20 Jahre keine FNP-Erweiterung mehr hinbekommen.". Jürgen Groß (BU) konnte sich einen Seitenhieb auf "den Lindenrain" nicht verkneifen: "Ich ärgere mich furchtbar und fühle mich da übern Tisch gezogen. Damals habe ich zugestimmt, weil uns zugesagt wurde, dass auch kleine Parzellen vergeben werden". Weiter klinge ihm noch der Naturschutzapell der Kollegin Klink-Stürner (SPD) aus der vergangenen Sitzung in den Ohren und deshalb werde er nur zustimmen, damit der größte Arbeitgeber im Ort gehalten werden kann.

Großes Lob an Bürgermeister

Auch Gerhard Mörk (SPD) wurmt das Thema Lindenrain. "Aber der punktuellen Erweiterung und wenn die Bäume erhalten bleiben, stimme ich zu." Ein großes Lob an den Bürgermeister sprach Frank Schöninger (FW) aus, "für die Geschwindigkeit in Sachen FNP-Änderung, die würde ich mir auch für andere Sachen wünschen". Er wollte wie Schaible eine größere Fläche in Richtung Stammheimer Weg aufnehmen, um auch in zehn, 15 oder 20 Jahren noch flexibel zu sein: "Jetzt richtig groß oder gar nicht". Häußler ist das zu groß, denn der FNP muss laut Sippel auch mit einem Bedarf hinterlegt werden. "Und der wird uns bei rund 3700 Einwohnern abgesprochen, auch mit Blick auf Lindenrain", so der Schultes. "Mein Stil wäre, mit einer realistischen Fläche ins Verfahren zu gehen und dafür zu kämpfen."

Schöninger stellte den Antrag auf die größere Fläche bis zum nördlich liegenden Feldweg, der jedoch mit sechs Gegenstimmen und einer Enthaltung abgelehnt wurde. Die Erweiterung der gewerblich bebaubaren Fläche wie von der Verwaltung vorgeschlagen mit dem Erhalt von zwei Reihen Obstbäumen als grünes, abgrenzendes Band nach Norden hin wurde mit acht Ja- bei vier Nein-Stimmen beschlossen.

Noch in dieser Woche findet das Abstimmungsgespräch der vier Bürgermeister des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) statt, informierte Häußler. Die Sitzung des GVV, in dem die FNP-Änderungsanträge von Gechingen und Ostelsheim behandelt werden sollen, ist auf den 11. Mai terminiert.