Ein Gutachter soll viele HU-Plaketten ohne Prüfung vergeben haben Foto: dpa-Zentralbild

Ein Prüfingenieur soll massenhaft Plaketten der Hauptuntersuchung ohne Begutachtung vergeben haben. Vor Gericht weist dessen Arbeitgeber, die Karlsruher GTS, jede Schuld von sich und prangert „ein Kartell“ der großen Konkurrenten an.

Stuttgart - Im Prozess gegen einen Prüfingenieur, der Tausende Plaketten der Hauptuntersuchung (HU) ohne korrekte Begutachtung vergeben haben soll, hat sich am Dienstag erstmals dessen Arbeitgeber vor dem Stuttgarter Landgericht geäußert. Bisher hatte die Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) zu den Vorfällen geschwiegen. Der 60-Jährige hat bis zu seiner Festnahme im März 2012 über ein Jahrzehnt lang als selbstständiger Prüfingenieur für die GTS gearbeitet. Doch er stand offenbar kurz vor der Kündigung.

Er habe den Mann ursprünglich noch im März 2012 von seiner Prüftätigkeit entbinden wollen, sagte der technische Leiter der GTS. In dessen Verantwortung fällt die korrekte Untersuchung der Fahrzeuge durch die Gutachter. Die Polizei sei ihm aber mit der Festnahme zuvorgekommen. Ursache für die Unzufriedenheit mit dem 60-Jährigen seien aber keine größeren Auffälligkeiten bei seiner Tätigkeit gewesen. Vielmehr habe man zunehmend bei Beschwerden oder Anständen nicht mehr vernünftig mit ihm reden können: „Ich bin nicht zu ihm durchgedrungen. Er hatte kein Problem- und Schuldbewusstsein mehr“, so der technische Leiter.

Er beschrieb den Angeklagten als ruhigen, unauffälligen Prüfer. Anlass zu besonderen Kontrollen habe man seitens der GTS nicht gehabt: „Wir sind weder berechtigt noch verpflichtet, einen Prüfer 24 Stunden am Tag zu überwachen. Dafür müsste man einen konkreten Verdacht haben. Den gab es bei ihm aber nicht.“

Dem widersprechen freilich die Fakten. Der technische Leiter räumte vor Gericht ein, dass der Angeklagte bereits in den vergangenen Jahren drei Mal kurzzeitig suspendiert worden war, weil es Auffälligkeiten gegeben hatte. Dabei habe er allerdings den Eindruck gemacht, sich bessern zu wollen. Einmal musste der heute 60-Jährige sogar zum Aufsichtsgespräch ins Verkehrsministerium. Warum der Mann dennoch lange Zeit nicht unter besonderer Beobachtung stand, darauf gab es keine Antwort.

Stattdessen betonte der technische Leiter, die GTS treffe keine Mitschuld. Er deutete eine Art Verschwörung der Konkurrenten gegen den kleinen Anbieter an: „Das ist ein großes Kartell, da sind alle drin, bloß nicht die GTS. Es geht hier um eine gezielte Aktion, um uns zu schädigen.“ Experten kritisieren allerdings immer wieder, dass es bei der GTS nicht wie bei anderen Prüfunternehmen eine ausreichende Qualitätssicherung gebe. Derzeit wird von der Staatsanwaltschaft Tübingen gegen zwei weitere GTS-Gutachter ermittelt.

Der Stuttgarter Prozess geht am Donnerstag zweigeteilt weiter. Die Verfahren von fünf weit gehend geständigen Werkstattbesitzern sind abgetrennt worden und werden vormittags separat verhandelt. Am Nachmittag nehmen dann wieder der Prüfingenieur und zwei Autohändler auf der Anklagebank Platz. Gehört werden soll unter anderem ein Sachverständiger, der sich mit dem psychischen Zustand des Hauptangeklagten befasst hat.

Ein weiterer Prozess, der ebenfalls mit den Ereignissen rund um die GTS zu tun haben soll, hat am Dienstag dagegen einen überraschenden Verlauf genommen. Ein angeklagter Autohändler, der in einem Fall einen Wagen mit unrechtmäßig erteilter Plakette verkauft haben soll, ist schlicht nicht vor dem Amtsgericht Nagold erschienen. Ihm droht nun zusätzlicher Ärger.