Plakette für Schrottautos gegen Bares – so lief der illegale Handel Foto: dpa-Zentralbild

Korruption zulasten der Verkehrssicherheit: Weil er HU-Plaketten gegen Schmiergeld erteilt haben soll, wandert ein Prüfingenieur für vier Jahre hinter Gitter. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Verschiedene Staatsanwaltschaften ermitteln gegen drei weitere KFZ-Prüfer.

Stuttgart - „Es geht um das Rechtsgut der Verkehrssicherheit. Wenn hier geschludert wird, kann das verheerende Folgen haben“, sagt Jörg Geiger, Vorsitzender Richter der 19. Strafkammer des Landgerichts. Am Mittwoch haben Geiger und Kollegen einen 60 Jahre alten Prüfingenieur wegen besonders schwerer Bestechlichkeit in 92 Fällen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Mitangeklagte aus dem Kreis Böblingen, bei denen der Ingenieur Autos mit Prüfplaketten ausgestattet hatte, wurden wegen Bestechung verurteilt, kamen aber mit Bewährungen davon.

Bis zuletzt hatte der Hauptangeklagte, der gut zehn Jahre lang als selbstständiger Prüfingenieur für die Gesellschaft für Technische Sicherheitsprüfungen (GTS) Kfz-Hauptuntersuchungen (HU) durchgeführt hat, die Vorwürfe bestritten. Er habe seinen Ermessensspielraum vielleicht zu weit ausgelegt und zum Teil zu oberflächlich geprüft. Bestechen habe er sich aber nie lassen, so der Mann aus dem Raum Reutlingen. Das sehen Staatsanwalt und Richter völlig anders. Der Ingenieur habe seine hoheitlichen Pflichten verletzt.

Allein zwischen Mai 2011 und März 2012 habe er in Werkstätten in Filderstadt, in Leinfelden-Echterdingen und bei zwei Nebenerwerbsautohändlern in Waldenbuch rund 450 Autos mit der HU-Plakette ausgestattet. Immer nach oberflächlicher Begutachtung und gegen Aufpreis. Die vier Werkstattbesitzer, die bereits vor Wochen zu Bewährungsstrafen verurteilt worden waren, hatten dies bestätigt. Der Ingenieur habe pro Auto zwischen 70 und 80 Euro bekommen. Die HU-Prüfung kostet jedoch nur 53 Euro.

Das hört sich nicht nach viel an. Aber bei über 8000 HU-Prüfungen im Jahr kommt ein ganz schönes Schmiergeldsümmchen zusammen. Als der 60-Jährige festgenommen wurde, stellte die Polizei 210 000 Euro in bar in seinem Auto sicher. Über die Jahre hatte er 600 000 Euro auf sein Konto einbezahlt.

Den Behörden sind zwar keine schweren Unfälle infolge der kriminellen Plakettenvergabe bekannt. Es ist aber bewiesen, dass der Ingenieur auch Schrottautos mit der Plakette versehen hat. Denn die Polizei hatte verdeckte Ermittler auf den Mann angesetzt. So fuhren die Fahnder etwa am 20. März 2012 mit einem massiv mängelbehafteten Wagen in einer Werkstatt in Asperg im Kreis Ludwigsburg vor. Dort bekam die Schrottkiste von dem Ingenieur nach gerade einmal fünf Minuten die Plakette – gegen Aufpreis.

Die zwei verbliebenen Mitangeklagten hatten in dem bundesweit für Aufsehen sorgenden Prozess geschwiegen. Bei der Polizei hatte der 33-Jährige gesagt: „Der kam zu mir, hat Tüv gemacht und ist wieder gegangen.“ Wohlgemerkt kam der Ingenieur dabei in eine Scheune nach Waldenbuch, in der niemals eine halbwegs korrekte HU-Untersuchung möglich gewesen wäre.

Der Ingenieur wird das Urteil gegen ihn nicht akzeptieren. „Wir legen Revision ein“, so sein Verteidiger Wolfgang Pantzer. Die Ermittlungen gegen die Fahrzeughalter, die illegal zu den HU-Plaketten gekommen sind, laufen. Auch gegen sie besteht der Verdacht der Bestechung.

Dabei wird es aber nicht bleiben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt inzwischen gegen einen weiteren GTS-Prüfingenieur. Er soll mit Autoverkäufern gemeinsame Sache gemacht haben, um eigentlich schrottreife Fahrzeuge mit neuer Plakette veräußern zu können. „Der Anfangsverdacht besteht, das Ermittlungsverfahren läuft“, sagt Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Ein geneppter Kunde hat nicht nur den Gutachter, sondern auch einen Autoverkäufer angezeigt. Darüber hinaus ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Tübingen weiterhin gegen zwei Prüfer der GTS. Wann und ob es zur Anklage komme, sei allerdings noch offen, so ein Sprecher.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat unterdessen reagiert. „Wir haben die Aufsichtsmaßnahmen noch weiter ausgebaut“, sagt eine Ministeriumssprecherin. So würden unter anderem mehrmals jährlich verdeckte Tests sowie zahlreiche Kontrollbesuche gemacht. Außerdem will Baden-Württemberg auf Bundesebene erreichen, dass die Aufsichtsmöglichkeiten der Bundesländer verbessert werden.