Die Regelung gilt bald für die gesamte deutsche Wirtschaft. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Zugang nur für geimpfte, genesene oder getestete Beschäftigte: Die künftige Ampelkoalition macht den Unternehmen im weiteren Pandemieverlauf konkrete Vorgaben – doch wichtige Details sind noch offen.

Stuttgart - Viele Irritationen löst die von SPD, Grünen und FDP geplante 3-G-Regelung am Arbeitsplatz aus. Weil in den Unternehmen noch etliche Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung herrschen, appellieren die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) an den Gesetzgeber, offene Fragen „rechtssicher und für die Betriebe praktikabel zu beantworten“. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die Regeln einen positiven Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten.

 

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Der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink mahnt derweil „klare Grenzen“ bei Abfragen von Gesundheitsdaten von Arbeitgebern an. Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Bundestagsfraktion, weist Kritik zurück: „Wir müssen die Infektionsketten effektiv unterbrechen“, sagte sie unserer Zeitung. „Die Ampelfraktionen räumen jetzt das auf, was zuvor von der alten Bundesregierung fahrlässig versäumt wurde.“ Wichtig sei, dass endlich ein wirksamer Infektionsschutz am Arbeitsplatz komme. „Daher führen wir verbindliche 3-G-Regelungen am Arbeitsplatz ein.“ Zudem solle, wo möglich, im Homeoffice gearbeitet werden.

Ein Überblick über den aktuellen Stand – wobei endgültige Gesetzestexte und Vorschriften noch nicht vorliegen:

Wie müssen die 3-G-Nachweise erfasst, kontrolliert und dokumentiert werden? Beschäftigte müssen einen Nachweis über Impfung, Genesenen-Status oder tägliche Tests vorlegen. „Die konkrete Ausgestaltung, wie die 3-G-Nachweise erfasst, kontrolliert und dokumentiert werden sollen, ist jetzt genau die Herausforderung, vor der die Betriebe stehen“, sagt Philipp Merkel, der Arbeitsrechtsexperte der UBW. Hier ist der vorliegende Gesetzentwurf wenig konkret. Zudem wird noch verhandelt – etwa über eine Pflicht für Arbeitgeber, Tests nicht nur zur Verfügung zu stellen, sondern diese auch noch von Externen bestätigen zu lassen.

Kommt es einer Auskunftspflicht der Beschäftigten gleich, wenn die Betriebe die 3-G-Regel einführen müssen? „Nach unserer Auffassung beinhaltet die vorgesehene Pflicht zur Kontrolle und Dokumentation des 3-G-Nachweises zwingend ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus, sonst würde die Regelung ja auch ins Leere laufen“, sagt Merkel. Die Möglichkeit, die Daten zum Impf- und Teststatus verarbeiten und bis 19. März 2022 speichern zu können, „interpretieren wir so, dass damit auch das von uns geforderte Fragerecht kommt“. Allerdings fordert der Verband den Gesetzgeber „dringend dazu auf, das Fragerecht auch explizit zu nennen und festzuschreiben, damit etwaige Rechtsunsicherheiten vermieden werden“.

Denn die Lesart der Ampelkoalition ist eine andere: Arbeitgeber dürften weiterhin den Impfstatus nicht abfragen – niemand werde gezwungen, diesen offenzulegen. Auch Geimpfte oder Genesene könnten, wenn sie es wollten, statt des Nachweises negative Tests vorlegen.

Bedeutet 3 G für Personal etwa in der Produktion eine indirekte Impfpflicht? Nein, anstelle der Impfung ist die Vorlage tagesaktueller Negativtests möglich.

Können Arbeitnehmer, die keinen 3-G-Nachweis erbringen, sanktioniert werden – bis zu Entgeltkürzung oder Kündigung? Es gelte das normale Arbeitsrecht, heißt es dazu aus Regierungskreisen. Zunächst hätte der Arbeitgeber aber zu prüfen, ob ein anderweitiger Einsatz – insbesondere im Homeoffice – möglich ist. Der Verband UBW meint: Laut dem Gesetzentwurf sei ein Bußgeld nur für Arbeitgeber vorgesehen, die ihrer Kontroll- und Dokumentationspflicht nicht nachkommen; die Höhe sei noch nicht festgelegt. Wenn also etwa ein Beschäftigter sich beim Betreten der Arbeitsstätte um die Kontrolle drücke, würde nur der Arbeitgeber bestraft werden – nicht der Arbeitnehmer. Merkel: „Hier muss dringend nachgebessert und auch ein Sanktionsmechanismus für die Arbeitnehmer vorgesehen werden.“

Wenn ein Arbeitnehmer aber den 3-G-Nachweis verweigert, nach Hause geschickt werden muss und deshalb seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt, liege das Verschulden alleine bei ihm. „Damit entfällt auch der Anspruch auf Entgeltzahlung“, so Merkel. „Dies wäre auch ein Grund für arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

Wie wird dem Datenschutzrecht bei sensiblen Gesundheitsdaten entsprochen? Der Landesdatenschützer Stefan Brink wendet sich gegen die uneingeschränkte Nutzung von Impf- und Teststatusdaten der Beschäftigten durch den Arbeitgeber: „Damit würde der Gesetzgeber mit der bisher geachteten Tradition brechen, dass Beschäftigte höchstpersönliche, sensible und für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entscheidende Informationen nicht im Arbeitsverhältnis offenbaren müssen.“ Brink mahnt die künftige Regierung, das europäische Datenschutzrecht und das nationale Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu achten.

Konkret sei es vorzuziehen, dass sich die Beschäftigten entweder regelmäßig selbst, durch unabhängige Anbieter oder durch die gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit verpflichteten Betriebsärzte testen lassen. Auch reiche es nach dem Grundsatz der Datenminimierung aus, dass der Arbeitgeber fragt, ob eine Immunisierung vorliegt – er müsse nicht wissen, um welche es sich handelt.

Zudem dürfe der Immunisierungsstatus im Unternehmen nur denjenigen Personen bekannt gegeben werden, deren Kenntnis darüber absolut erforderlich ist. „Diese Personen sind vom Arbeitgeber mit Blick auf die Gesundheitsdaten zuvor festzulegen und zur Verschwiegenheit zu verpflichten“, fordert Brink.

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