An diesem Wochenende stimmt die Schweiz über die Höhe der Pkw-Maut ab Foto: dpa

Die Eidgenossen entscheiden am Sonntag über eine Erhöhung der Pkw-Maut auf Autobahnen und eine Begrenzung von Managergehältern.

Die Eidgenossen entscheiden am Sonntag über eine Erhöhung der Pkw-Maut auf Autobahnen und eine Begrenzung von Managergehältern.

Bern - Wie hoch soll die Pkw-Maut sein? Soll es finanzielle Begünstigungen für Familien geben, die ihre Kinder zu Hause betreuen, statt sie in einen Kindergarten zu schicken? Hört sich an wie zwei Streitpunkte aus den Endlosverhandlungen zwischen Union und SPD über eine Große Koalition. Doch entschieden wird über diese Fragen nicht in Berlin, sondern in Bern. Und der große Unterschied: Entschieden wird vom Volk und nicht von Politikern.

Während in Deutschland vor allem die CDU Volksabstimmungen auf Bundesebene fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, werden die Stimmbürger in der Schweiz regelmäßig zu allen nur halbwegs relevanten Themen befragt – und deren Votum dann auch politisch umgesetzt.

An diesem Sonntag sollen die rund 5,2 Millionen wahlberechtigten Bürger der Eidgenossenschaft unter anderem darüber entscheiden, ob der Preis für die Autobahnvignette von derzeit 40 Franken (33 Euro) auf 100 Franken (rund 80 Euro) erhöht werden soll. Abzockerei oder angemessene Erhöhung? Diese Frage spaltet die Schweiz ebenso, wie die Einführung einer Pkw-Maut die potenziellen Koalitionspartner in Deutschland entzweit. Während die Befürworter von marginalen Mehrkosten von 17 Rappen (14 Cent) pro Tag sprechen, ist der Preisaufschlag von 150 Prozent für die Gegner reine „Abzockerei“.

Schlagabtausch der Gegner und Befürworter einer teureren Autobahnvignette

Dagegen verwahrt sich Verkehrsministerin Doris Leuthard von der christlich-demokratischen Volkspartei CVP. „Es ist keine Abzockerei“, betont sie. Das Straßennetz werde verbessert, Umfahrungen gebaut, Engpässe beseitigt: „Das alles gibt es nicht gratis.“ Zudem sei der Preis für die Vignette seit 20 Jahren nicht mehr erhöht worden.

In einem eigenartigen Zwiespalt stehen die Grünen: Während sich die Parteiführung gegen eine Verteuerung der Vignette ausspricht, gaben 79 Prozent der Grünen-Wähler in Umfragen an, für eine Preiserhöhung stimmen zu wollen. „Mehr Geld für die Straße bedeutet einen Ausbau des Netzes. Diesen Ausbau wollen wir nicht“, argumentiert die Co-Vorsitzende der Schweizer Grünen,Regula Rytz. Gleichwohl räumt sie ein, dass es schwierig sei, als grüne Politikerin gegen eine Erhöhung der Pkw-Maut zu argumentieren. Die Mehrheit der linken Wähler halte es indes für richtig, die Autofahrer bei Investitionen in die Straßeninfrastruktur zu belasten, glaubt der Politikwissenschafter Claude Longchamp vom Meinungsforschungsinstitut GFS in Bern.

Gegner und Befürworter einer teureren Autobahnvignette liefern sich im Alpenland ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In einer aktuellen Umfrage des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) sind 50 Prozent bestimmt oder eher dafür, den Vignettenpreis anzuheben. 46 Prozent sind gegen eine Preiserhöhung. Lediglich vier Prozent sind noch unentschlossen.

Im Falle einer Zustimmung würde die Vignette der Schweizer Regierung ab 2016 jährlich rund 300 Millionen Franken (243 Millionen Euro) zusätzlich zu den aktuellen 319 Millionen Franken in die Kasse spülen. Im Gegenzug will der Bund knapp 400 Kilometer an bestehenden Straßen von den Kantonen in das Nationalstraßennetz übernehmen und damit künftig für deren Unterhalt aufkommen. Darunter sind etwa die Strecken Bern–Biel, Bellinzona–Locarno oder die Julierpassstraße von Tiefencastel ins Engadin nach St. Moritz. Außerdem verspricht die Regierung, auf den neuen Strecken mehr als 20 Umfahrungsprojekte in Angriff zu nehmen. Durch all dies entstünden dem Bund Mehrkosten von rund 300 Millionen Franken pro Jahr.

Weit über die Grenzen der Schweiz hinaus wird eine zweite Abstimmung mit Spannung verfolgt: jene über die Gehalts-„Initiative 1:12“. Soll das höchste Einkommen in einem Unternehmen künftig maximal das Zwölffache des jeweils niedrigsten betragen dürfen? Für den Antrag, darüber das Volk entscheiden zu lassen, konnten die Jungsozialisten problemlos die erforderliche Mindestzahl von 100 000 Unterschriften sammeln. Die Wirtschaft warnte dagegen mit einer millionenteuren Kampagne: „Arbeitsplätze vernichten? 1:12 Nein“. Kein ausländisches Unternehmen werde im Falle der Annahme von „1:12“ noch in die Schweiz ziehen wollen, hieß es beim Weltkonzern Nestlé mit Sitz am Genfer See. Dessen Chef Paul Bulcke streicht laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ mit jährlich 12,6 Millionen Franken (10,2 Millionen Euro) das 238-Fache des niedrigsten Lohns im selben Unternehmen ein.

Als drittes steht die „Familieninitiative“ zur Abstimmung. Wer seine Kinder selbst betreut, soll demnach ebenso Steuerabzüge geltend machen können wie jene, die den Nachwuchs in Kindergärten unterbringen. Das erinnert an das Betreuungsgeld in Deutschland – nur dass die Deutschen darüber nicht an der Urne entscheiden durften.