Um das Müllproblem in Lahr zu bekämpfen, ist eine Verpackungssteuer im Gespräch (Symbolbild). Foto: Skolimowska/dpa

Soll in Lahr eine Abgabe auf Einwegbehälter und –geschirr erhoben werden? Im Umweltausschuss gingen die Meinungen darüber auseinander. Die einen sehen eine Steuer als gute Option, um Müll zu vermeiden, andere befürchten noch mehr Bürokratie.

Die Debatte um eine Verpackungssteuer in Lahr ist nicht neu. Im Dezember 2021 nahm der Gemeinderat einen Antrag der Grünen an, dass die Stadt eine solche Steuer prüfen möge. Der Haken damals: Die Rechtssicherheit einer solche Abgabe war ungewiss, in Tübingen hatte eine Fastfood-Kette geklagt. Im Januar hat das Bundesverfassungsgericht die Klage jedoch abgewiesen. Die Verwaltung nahm daher einen Sachstandsbericht zur Verpackungssteuer auf die Tagesordnung des Umweltausschusses.

 

Dieter Singler vom Amt für Beteiligungen, Betriebswirtschaft und Steuern legte den Stadträten und sachkundigen Anwohnern die Ausgangslage dar. „Die Abfallentsorgung im öffentlichen Raum hat zugenommen“, erklärte er. Es gebe eine immer größere Nachfrage nach Essen und Trinken außerhalb von Gaststätten, also „to go“.

Die Verpackungen würden nach dem Verzehr entweder ordnungsgemäß weggeworfen, was oft zu übervollen Mülltonnen führe, die den öffentlichen Raum verschmutzten und Ungeziefer anlockten, oder sie würden illegal in der Natur entsorgt, was zu einer Belastung für Wasser und Boden werden könne. Zudem müssten die Reinigungs- und Entsorgungskosten schlussendlich von der Bürgerschaft getragen werden.

Es droht ein hoher Verwaltungsaufwand

Als Chancen einer Verpackungssteuer sieht Singler vor allem eine saubere Stadt, mehr Steuereinnahmen für die Verwaltung und die Förderung nachhaltiger Konsumgewohnheiten. Doch es gebe auch Punkte, die dagegen sprechen: „Es entsteht ein großer Verwaltungsaufwand für die Stadt“, erklärt Singler. Zunächst gelte es, sich mit den lokalen Anbietern abzustimmen, dann müsse die Steuer auch überwacht werden – all das sorge für einen erhöhten Personalbedarf. Singlers erstes Fazit fällt negativ aus: „Der gewünschte Nutzen ist vielleicht nicht so erkennbar, dafür ist der Personal- und Verwaltungsaufwand sehr hoch.“

Im Gremium entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über Vor- und Nachteile der Steuer. „Das wäre ein Bürokratiemonster“, warnte Klaus Dorner (Freie Wähler) vor der Einführung. Sven Haller (AfD) sah das genauso. Zudem würden die Gewerbetreibenden die Kosten der Steuer – und auch für das für den Bürokratieaufwand zusätzlich notwendige Personal – an die Kunden weitergeben. „Das trifft vor allem Geringverdiener hart.“ Harald Günther (CDU) befürchtet Diskussionen, wenn die Kunden das Mehrweggeschirr im Laden wieder zurückgeben. Er kritisierte gleichzeitig alle, die den Müll einfach so auf die Straße werfen: „Was sind das für Leute?“ Laut Günther müsste da auch in den Schulen mehr Wert auf entsprechende Erziehung gelegt werden. Regina Sittler bezeichnete die Vergnügungssteuer als „wunderbare Idee, wenn man die Einzelhändler schikanieren möchte“. Die Menschen würden dann einfach im Supermarkt einen Salat oder Bubble Tea kaufen, wo sie kein Pfand bezahlen müssten. „Es ist nichts anderes als ein Bürokratiemonster.“ Ihre Ansatzpunkte: Mehr Mülleimer, eventuell explizit solche für Pizzakartons aufstellen oder die Mülleimer öfters leeren, wenn sie am Nachmittag schon voll sind.

Stadt könnte Einnahmen gut gebrauchen

Es fanden sich auch einige Fürsprecher. Dorothee Granderath (Grüne) betonte, dass das Ziel der Müllvermeidung für ihre Fraktion „ganz wichtig“ sei. Schließlich würden immer wieder Beschwerden an die Stadträte herangetragen. „Natürlich hat man am Anfang den Aufwand, aber die Steuer hat ja den Sinn, sich selbst abzuschaffen. Irgendwann wird der Irrsinn mit den Wegwerfverpackungen ausgestorben sein“, zeigte sie sich vom Effekt überzeugt. Zudem seien Zusatzeinnahmen „da nicht schlecht“. Roland Hirsch (SPD), sprach davon, dass man die Bürokratie ins Verhältnis setzen müsse. „Ich neige eher zu einer Steuer, weil sie unterm Strich zur Müllvermeidung beiträgt“. Hirsch und Granderath schlugen vor, dass jemand aus Tübingen nach Lahr kommen könne, um vom Effekt der Steuer aus erster Hand zu berichten. Singler hatte zuvor erwähnt, dass es in Tübingen eine „deutliche Reduzierung des Verpackungsabfalls gebe“.

Dieser Vorschlag stieß bei Sittler und Haller auf wenig Gegenliebe. Sie fürchteten eine einseitige Berichterstattung und merkten an, man möge auch jemanden aus einer Stadt einladen, in der die Steuer keinen Erfolg hätte.

Von den sachkundigen Bürgern kamen weitere Vorschläge zur Müllvermeidung. Bertram Bliss vom BUND, laut dem die Steuer in Tübingen gut über das Kassensystem funktioniert, schlug weitere Präventionsmaßnahmen in Schulen und Kitas vor. Wolfgang Huppert vom Schwarzwaldverein meinte, dass eine Strafandrohung seitens des KOD, wenn dessen Bedienstete Müllsünder ertappen, Wirkung zeigen würde. Kurt Hockenjos schlug vor, mit der Grafikdesignklasse der gewerblichen Schulen einen Zeichentrickfilm zu erstellen, der das korrekte Verhalten zeigt.

Bürgermeister Tilman Petters nahm alle Anregungen auf. Er kündigte an, eine Vorlage für den Gemeinderat zu erstellen. Es sei denn, es gebe vorher in einem beschließenden Gremium den Antrag, das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Petters deutete an, dass man sich die Arbeit sparen könnte, wenn sich – nach dem Stimmungsbild im Umweltausschuss durchaus vorstellbar – im Gemeinderat keine Mehrheit für die Einführung findet.

Wofür die Steuer gilt

Die in Tübingen eingeführte Verpackungssteuer gilt für Einwegartikel vieler Art. Darunter Getränkebecher, (Pizza-)Kartons, Schalen, Boxen und Tüten für Salate, Pommes oder ähnliches, Alufolien und Einwickelpapiere (etwa für Döner), Eisbecher, Teller, Trinkhalme und Besteck, das größer als zehn Zentimeter ist.