Bekommt Rottweil eine Verpackungssteuer? Im Gemeinderat wird diese Entscheidung am Mittwochabend zum Krimi – im Spätprogramm. Kurz vor 22 Uhr fällt der hauchdünne Beschluss.
Welten prallen aufeinander bei diesem Thema: Für die einen ist der Sinn einer Verpackungssteuer glasklar – für die anderen einfach ein Unding. Kern der Frage ist am Mittwochabend letztlich: Ist den Betrieben, den Gastronomen und letztlich den Bürgern eine neue Steuer gerade jetzt zuzumuten?
Während die Grünen und die Fraktion SPD+FFR für ihren gemeinsamen Antrag hart kämpfen, befürchtet die CDU, dass „die Stimmung in der Stadt kippt“, wenn das „Bürokratiemonster“ tatsächlich umgesetzt wird.
Tübingen hat es vorgemacht, Konstanz zieht nach knapp einem Jahr eine positive Bilanz – und auch die Verwaltung in Rottweil kann sich die Sache nach gründlicher Abwägung vorstellen: eine Verpackungssteuer. Die könnte die Zahl der Einwegverpackungen reduzieren, Entsorgungskosten sparen und gleichzeitig zugunsten der Umwelt auch noch Geld in die klamme städtische Kasse bringen.
Grüne und CDU trennen Welten
Laut Beschlussvorlage der Rottweiler Verwaltung sei das ab 2027 umsetzbar. „Da kann doch niemand dagegen sein?“ Ingeborg Gekle-Maier von den Grünen hatte das zunächst gehofft – aber weit gefehlt. Die CDU hatte sich schon vor der Sitzung klar dagegen positioniert. Im „Showdown“ am Mittwochabend führte Gekle-Maier noch einmal engagiert alle Argumente an, die aus ihrer Sicht dafür sprechen.
Gastronomie ernst nehmen
Allein die Zahlen aus Tübingen und Konstanz sprächen Bände – und ja, betonte sie, man müsse die Belastung der kleineren Betriebe, die die Steuer zahlen und den bürokratischen Aufwand leisten müssen, ernst nehmen. Wichtig sei der rechtzeitige und enge Austausch mit der Gastronomie, Fördermöglichkeiten müssten abgeklopft werden.
Der CDU warf sie vor, die Menschen bewusst falsch zu informieren, weil in einer Pressemitteilung die positiven Argumente unterschlagen worden seien. Es sei schlichtweg falsch, dass die Wirkung einer Verpackungssteuer zweifelhaft ist, so Gekle-Maier.
Konstanz verzeichne schon nach einem Jahr 7,7 Prozent weniger Müll auf den Straßen. Und das Steuerformular in Tübingen sei keinesfalls ein Bürokratiemonster, sondern ruckzuck auszufüllen. Die Belege, wie viele Einwegverpackungen ausgegeben wurden, seien in Tübingen von den Betrieben außerdem „nur auf Nachfrage“ zu erbringen.
Schlechte Stimmung bei den Bürgern
Monika Hugger von der CDU platzte da schier der Kragen. Das sei „hanebüchen“, für die Betriebe sei der Aufwand so oder so da – und für die Verwaltung ebenso. Die Abwicklung der neuen Steuer sei nicht ohne erhöhten Personalaufwand im Rathaus möglich, insgesamt sorge die Sache gerade jetzt „für schlechte Stimmung bei den Bürgern“.
Drive-In-Schalter ausgenommen
Und dass die Stadt Tübingen beispielsweise gerade die Drive In-Schalter bekannter Fast Food Ketten von der Steuer ausgenommen hat, schlägt für die CDU-Stadträtin dem Fass noch den Boden aus. Hugger führte weitere Fallstricke in der Verpackungssteuer-Satzung in Tübingen an, die schlichtweg „bescheuert“ seien und niemandem zu vermitteln.
Pizza mit Biss ist etwas anderes
Stichwort Pizzakarton: Ist die Pizza unangetastet, werde die Steuer fällig, beiße man vorher einmal ab, transportiere man einen Essensrest – und dann ist die Steuer hinfällig. „Das ist nicht der richtige Weg“, so Monika Hugger.
Auch Daniel Karrais von der FDP sagt klar: „Dieser Vorstoß kommt zu einer Unzeit.“ Natürlich stecke ein legitimes Interesse dahinter, aber es sollte eben auch sinnvoll und erträglich für die betroffenen Betriebe sein. Mit Blick auf die 21-seitige Verpackungssteuer-Satzung in Tübingen erschließt sich das für Karrais nicht. Allein die Frage, was eine Einwegverpackung ist, und was nicht, sei kompliziert genug.
Dass die Einführung einer Verpackungssteuer dann auch noch mehr Personal im Rathaus erfordert, das sei „genau das Gegenteil von dem, was wir derzeit erreichen wollen“, so Karrais.
Weil Ingeborg Gekle-Maier die künftig bis zu 100 000 Besucher der Hängebrücke pro Jahr und den damit verbundenen zusätzlichen Müll anführt, schlägt Karl-Theodor Häring (FWV) vor, einfach mal abzuwarten, wie sich die Müllsituation mit der Hängebrücke entwickelt.
CDU-Stadtrat Rasmus Reinhardt holt dann noch zum Rundumschlag aus und redet länger über den Unmut der Bürger über die aktuellen neuen Parkgebühren, als über die Verpackungssteuer selbst.
Es wird zunehmend unruhiger am Ratstisch, nicht nur wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit. Oberbürgermeister Christian Ruf ermahnt Reinhardt mehrfach, sich aufs Thema zu konzentrieren. Weitere Redner melden sich, FDP-Stadtrat Harald-Armin Sailer stellt dann einen Antrag zur Geschäftsordnung: abstimmen, und zwar jetzt.
Dieser Antrag wird angenommen, woraufhin Ralf Banholzer von der CDU genervt vom Tisch abrückt: Wenn seine Wortmeldung nicht gehört wird, stimmt er auch nicht ab, erklärt er.
Zwölf dafür, zwölf dagegen
Und dann wird es knapp: Verpackungssteuer, ja oder nein? Zwölf Stadträte stimmen dafür, zwölf stimmen mit Nein, einer enthält sich. „Damit ist der Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt“, resümiert OB Ruf. Der Antrag hätte eine Mehrheit gebraucht. Die Verpackungssteuer ist vom Tisch.
Ganz ohne steuerliche Regelung gibt es, wie an diesem Abend angemerkt wird, auch jetzt schon viele Betriebe in Rottweil, die Mehrwegverpackungen anbieten. Die Hoffnung von FWV-Stadtrat Häring dürfte die vieler anderer sein: „Vielleicht klappt es ja auch so.“