Am Landgericht Tübingen läuft ein Prozess rund um ein umfangreiches Waffenlager. Foto: S.Bernklau

Vor allem beruflich läuft es richtig gut für den heute 36-Jährigen. Nach einer Lehre als Metallbauer kommt der Erfolg. Meisterprüfung, Eigentumswohnung und irgendwann die eigene kleine Firma mit über 30 Angestellten. Doch dann kommt er auf die Idee, eine kleine Bürgerwehr mit Waffen ausrüsten zu wollen. Das war 2015. Jetzt steht er als Angeklagter vor dem Tübinger Landgericht.

Kreis Calw/Tübingen - 2015 ist das Jahr der "Flüchtlingskrise" in Deutschland. Auch der heute 36-jährige Angeklagte aus dem Kreis Calw wird auf das Thema aufmerksam. Nach eigenen Aussagen habe er sich durch die Vorkommnisse "unsicher und bedroht" gefühlt, habe Anschläge gefürchtet, habe seine Familie schützen wollen, erzählt er vor der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Tübingen.

 

Angeklagter leugnet Kontakte in die rechte Szene

Und deshalb habe er beschlossen, für den Fall von Bürgerkrieg oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen eine kleine Bürgerwehr – "so fünf, sechs Herrschaften" – mit Kurz- und Langwaffen auszustatten.

Ein Beschluss, der den Mann, der keinen Waffenschein besitzt, sechs Jahre später auf die Anklagebank im Landgericht Tübingen bringt. Der Vorwurf: Verbrechen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sowie Verbrechen und Vergehen nach dem Waffengesetz.

Ein großes Arsenal an Waffen, Waffenteilen und Munition soll er nach Meinung der Anklage zusammengetragen haben: Sturmgewehre, Maschinenpistolen, mehr als ein Dutzend halbautomatische Kurzwaffen, Zielfernrohre und zehntausende Schuss Munition ganz unterschiedlicher Bauart. Dazu noch Chemikalien, die sich für den Bau von Sprengsätzen eignen. Gelagert wird alles an verschiedenen Stellen im Kreis Calw – in Wildberg, Ostelsheim, Simmozheim und Althengstett – und später auch in Magstadt im Kreis Böblingen. All das fanden die Ermittler nach der Festnahme des Hauptangeklagten im August 2020.

Sie am ersten Prozesstag am Donnerstag in der Anklage in das Verfahren einzuführen, bedeutet Schwerstarbeit für den Staatsanwalt. Fast eineinhalb Stunden dauert es, bis er auch die letzte gefundene Packung Patronen aufgeführt hat.

Der Beschuldigte gesteht die Vorwürfe in Bezug auf Waffen und Munition sofort ein, berichtet ausführlich, wie er 2016 zunächst an Waffenteile, später auch an schussfähige Waffen und Munition in großen Mengen gekommen ist. Über das Internet habe er den Kontakt zu insgesamt vier Händlern aufgenommen – zwei Osteuropäer, ein Österreicher und ein Deutscher.

In den meisten Fällen habe er keinen persönlichen Kontakt zu diesen Verkäufern gehabt. Man habe das Geschäft online angebahnt und abgeschlossen, dann habe er das Geld überwiesen und die Waffen und die Munition seien ihm dann per Post zugeschickt worden, berichtet er der Strafkammer unter Vorsitz von Manuela Haußmann. Persönliche Übergabetreffen habe es auch gegeben, die seien aber die Ausnahme gewesen. Zusatzmaterial wie etwa Schalldämpfer habe er ganz frei im Internet erworben, etwa bei Ebay oder Amazon.

Waffen und Munition habe er vor allem in den Jahren 2016 bis 2018 gekauft, so die Angaben des Hauptangeklagten. Danach habe er seine Kauftätigkeit größtenteils eingestellt. Er habe sogar begonnen, manche Waffen zu demontieren.

Was aber die gefundenen Chemikalien angeht, wäscht der Hauptangeklagte seine Hände in Unschuld. Einige davon habe er für einen der drei Mitangeklagten im Internet besorgt – der ihm die Sachen bis heute nicht bezahlt habe. Andere brauche er für die Arbeit, wieder andere für die Hautpflege. Sogar fürs Pökeln von Fleisch habe er die Chemikalien verwendet, berichtet er vor Gericht. Sprengkörper habe er damit nicht gebaut.

Immer wieder haken Richter, Anwälte oder Verteidiger an diesem ersten Prozesstag nach, wenn es um eine Sache geht: das Motiv. Immer wieder fragen sie nach möglichen Kontakten in die rechte Szene. Doch der Hauptangeklagte leugnet solche Kontakte konsequent.

Mit auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Tübinger Landgerichts sitzen zwei Bekannte des Hauptangeklagten im Alter von 43 und 48 Jahren – und die 24-jährige Verlobte des Hauptbeschuldigten. Sie sollen laut Anklage unter anderem nach der Verhaftung des 36-Jährigen Teile des Waffenarsenals in andere Verstecke gebracht haben, um sie dem Zugriff der Polizei zu entziehen.

Die drei Mitangeklagten sagen an diesem ersten Prozesstag lediglich zu ihrer Person aus. Das Gericht hat bis Ende August acht weitere Verhandlungstage angesetzt.