Helfen Mobilfunkdaten im Kampf gegen die Staus? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Eine Pilotstudie soll die Aussagekraft von Mobilfunkdaten für die Verkehrsplanung. Sie wird am Stuttgarter Fraunhofer Institut in Zusammenarbeit mit Telefonica gemacht.

Stuttgart - Tausende Stuttgarter, die sich durch die Landeshauptstadt bewegen, liefern in den kommenden Wochen die Daten für eine Pilotstudie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) – zumindest wenn sie Kunden des Mobilfunkunternehmens Telefónica mit seinen Netzen O2 und E-Plus sind. Die Wissenschaftler um den IAO-Projektleiter Alexander Schmidt prüfen nämlich, ob die anonymisierten Mobilfunkdaten eine verlässliche Quelle für die Verkehrsplanung in einer stau- und schadstoffgeplagten Großstadt wie Stuttgart sein können. Oder anders gesagt: ob nach der Auswertung der Daten die Verkehrsströme realistisch beschrieben werden.

Sollte das gelingen, stünde eine vergleichsweise kostengünstige, häufig und einfach zu realisierende Methode für Verkehrserhebungen zur Verfügung. Für die Stadt Stuttgart hätte das den Vorteil, schneller und verlässlicher als bisher aktuelle Daten über das Verkehrsverhalten zu bekommen. Das Mobilfunkunternehmen könnte ohnehin vorhandene Daten neu nutzen – und gewinnbringend verkaufen. „Smarte Datenanalyse hat das Potenzial für ein neues Geschäftsfeld“, sagt die Telefónica-Pressesprecherin Julia Dose. In Nürnberg testet das in München ansässige Unternehmen beispielsweise, ob sich aus den Mobilfunkdaten Aussagen zur Luftqualität ermitteln lassen.

Datenanalyse verspricht Gewinne

Im Verkehrsbereich ist die Datenanalyse kein neues Feld. Navigationsgerätehersteller wie Tom-Tom und andere Mobilfunkanbieter ermitteln daraus bereits Stauwarnungen und Verkehrshinweise, jeder kennt die Verkehrslagebeschreibungen aus den Online-Angeboten. „Da sind mehrere Unternehmen unterwegs“, sagt auch Michael Münter, der sich als Leiter des dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) zugeordneten Referats Nachhaltige Mobilität intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Entscheidend sei aber, wie aussagekräftig die Daten sein werden. „Wenn wir wissen, dass ein Handy sich langsam vom Charlottenplatz zum Marienplatz bewegt, dann kann das ein Autofahrer im Stau, ein Jogger, ein gemütlicher Radler oder ein Fahrgast der Stadtbahn sein“, nennt er als Beispiel. Deshalb sei auch die Stadt an den Ergebnissen der Studie interessiert, ob und wie genau Mobilfunkdaten die wirkliche Verkehrssituation abbilden können. Vor allzu hohen Erwartungen warnt er aber: „Ich glaube nicht, dass wir daraus Erkenntnisse gewinnen, dass wir eine schmale Straße plötzlich dreispurig ausbauen müssen.“ Zumal die Stadt auch andere Arten der Verkehrserhebung nutze. Dazu gehören Zählungen an den Straßen, automatisierte Dauerzählstellen und Beobachtungen im Rahmen der Integrierten Verkehrsleitzentrale, aber auch die Mobilitätstagebücher, in denen ausgewählte Bürgerinnen und Bürger ihr Verkehrsverhalten notieren. „Es wird interessant sein, wie belastbar die Mobilfunkdaten im Vergleich dazu sind“, sagt Münter, der betont, dass sich die Stadt weder finanziell noch personell an der Studie beteilige.

Stärken und Schwächen vergleichen

„Die bekannten Verkehrserhebungen von den Zählungen über die Tagebücher bis hin zu Navigationsdaten haben ihre Stärken und Schwächen“, sagt auch Alexander Schmidt, der Projektleiter der Studie. Im Gegensatz zu anderen nutze man nun aber keine GPS-Daten. Die von Telefónica über ein dreistufiges Verfahren anonymisiert zur Verfügung gestellten Daten stammen – vereinfach gesagt – aus dem Einlogvorgang der Handys in Mobilfunkzellen, wenn telefoniert und gesurft wird oder SMS verschickt werden. Daraus entstünden anonymisierte Bewegungsprofile. „Das ist eine enorme Datengrundlage“, sagt Schmidt.

Sein Team wird zunächst in Experteninterviews den Status quo der Verkehrsmessung analysieren, danach werden die Daten aus bestehenden Verkehrserhebungen in der Region mit den Erkenntnissen verglichen, die aus den Mobilfunkdaten gewonnen werden. „Dann werden wir die Stärken und Schwächen erkennen und die Aussagekraft beurteilen“, sagt Schmidt. Der Wissenschaftler will dabei den Fokus auf die Auswirkungen besonderer Ereignisse richten, die das Verkehrsgeschehen stark beeinflussen, in den bestehenden Erhebungen aber oft nicht abgebildet würden: „Was passiert, wenn es stark regnet, wenn Großereignisse wie das Volksfest stattfinden oder wenn auf der A 8 ein schwerer Unfall ist?“ Gerade in diesen Situationen könnten die Mobilfunkdaten Erkenntnisse liefern, die für die Verkehrsplanung wichtig sind.