Bei einer Führung durch die Kirche St. Jakobus in Hechingen haben die Besucher viel Neues erfahren können, auch über Jörg Küsters Weg nach Santiago de Compostela.
Überzeugte Kirchenliebhaber und frisch geschulte Stadtführer waren vergangenen Samstag dabei, als Michael Hakenmüller und Leo Faessler bei dem ersten ihrer vier Rundgänge durch das außerordentlichste, jedoch renovierungsbedürftige Gebäude Hechingens die Spuren seines Namenspatrons, des heiligen Jakobus nachverfolgten.
In der Tat ranken sich manche Geheimnisse um diese Person, was schon mit der Frage beginnt, ob es sich hier wirklich um einen Apostel Jesu handelte, oder es doch ganz einfach dessen leiblicher Bruder war. Leo Faessler hatte die Erkenntnis, dass sich wohl die 12 Männer des schon 1488 und in der Vorgängerkirche gegründeten Chorherrenstifts als St.-Jakobus-Gemeinschaft bezeichneten, die Kirche selbst jedoch bis 1783 auf „unsere liebe Frau“, also auf Maria, getauft war.
Dass nun die seit 1783 bestehende neuklassizistische Kirche nur den Namen „St.Jakobus“ trägt wundert insofern, als der heute so populäre „Jakobusweg“ damals kaum, freilich dessen deutscher Ursprung in Rothenburg ob der Tauber bekannter war. Auf diese Weise hat Michel d´Ixnard, der französische Architekt dieses Gotteshauses Abbildungen von St. Jakobus, dem wohl 62 nach Christus als Märtyer verstorbenen (vielleicht in Spanien begrabenen) und Verfasser eines nach ihm benannten Briefes im Neuen Testament im ganzen Kirchenraum gleichmäßig verteilt.
In zweieinhalb Monaten von Hechingen nach Santiago
Ein Gemälde von seiner Wundertat auf dem Weg zum Schafott, dann die aus dem Jahr 1600 schon bestehende Apostel-Miniatur in Holz, an der hohen Predigt-Kanzel ein Konterfei in Gold, und an der Wand als Portrait einer der zwölf Apostelbilder. Ganz abgesehen von den drei großen mit Goldfarbe bemalten Jakobus-Muscheln, welche in der Natur aus dem Nordatlantik bis zu 14 Zentimeter groß sein können und vor allem den Pilgern im Mittelalter als Trink- und Schöpfgefäß von Wasser.
Davon wusste der wohl erfahrenste Pilger Hechingens, Jörg Küster, jede Menge zu erzählen, welchen neben der Tätigkeit als Stadtführer seit seinem Ruhestand das „sich vom Acker machen“ (so die wörtliche Bedeutung des Begriffs „pilgern“) zu seiner Leidenschaft gemacht hat. Der Drang zu „Ich bin dann mal weg“ des Komikers Hape Kerkeling aus Recklinghausen, welcher mit seinem so betitelten, in vier Millionen Exemplaren verkauften Buch ab dem Jahr 2006 den „Jakobusweg“ in Deutschland zu einem wahren Renner gemacht hat, hat Küster indes nicht berührt.
Küster zieht bewusst die Einsamkeit vor
Denn er startet gezielt jeweils von Hechingen aus, egal ob nach Rom oder Santiago di Compostela, dem Traumziel aller Jakobspilger. Kerkeling nahm nach seinem Hörsturz und der Entfernung der Gallenblase die ganze Reise zur Selbstfindung auf die leichtere Schulter und benutzte hin und wieder bei schwierigen Passagen den Bus oder übernachtete anstatt in einer Herberge in einem Hotel.
Jörg Küster zieht und zog bewusst die Einsamkeit vor, und auch die steilen Passagen durch die Natur, besonders in den Pyrenäen, benötigte etwa zweieinhalb Monate bis ans Ziel an der spanischen Atlantikküste.
Die Strecke umfasst 1488 Kilometer
Trotzdem erging es ihm wie Kerkeling, dass er schließlich doch mit witzigen Charakteren aus der ganzen Welt ins Gespräch kam und mit diesen nicht wenige Kilometer gemeinsam ging, was ihm bis heute nicht nur Brief-Freunde beschert.
„Wer allerdings von Santiago wie ich einst als wundersamen Ort träumt“, so Küster, „wird enttäuscht“. Wenn dort wie manches Mal in Nähe der Küste das Wetter nicht so gut ist, sei alles „Grau in Grau“. Ohne Leistung lässt sich als ein Gewinn die mit dem roten Ritter-Kreuz versehene weiße Jakobusmuschel Santiago jedoch auch nicht für Spaßmacher erreichen. Wer unterwegs keine Stempel mit dem Namen des Pilger-Patrons sammelt, kann weder in den Herbergen übernachten, noch die finale Urkunde nach 1488 Kilometer Wegstrecke, wie bei Jörg Küster, in die Hand nehmen.
Nächste Führung durch Stiftskirche am 17. August
In der Stiftskirche in Hechingen ist dieser Nachweis leider unscheinbar mit kleinem Stempelkissen in einem hinteren Eck des Foyers gelagert. Umso mehr Grund, auf die Schätze von St. Jakobus hinzuweisen, wie es das nächste Mal bei einer Führung am 17. August um 16 Uhr aus der Sicht der Hechinger Fürsten geschieht.