Zurück an die Bar will er nicht: Philip-Lazlo Koch Foto: Yüksel Patir

Philip-Laszlo Koch war viele Jahre Barkeeper in der Stuttgarter Kultkneipe „Palast der Republik“. Nun hat der 33-Jährige das Drehbuch zu einer neunteiligen Science-Fiction-Serie für Audible geschrieben, die im April erschienen ist.

Stuttgart - Philip-Laszlo Koch hat sein Studium am Menschen im Stuttgarter Nachtleben absolviert. 15 Jahre lang hat er in der Gastronomie gearbeitet, acht Jahre davon schlug er sich als Barkeeper der Kultkneipe „Palast der Republik“ die Nacht um die Ohren. Er war nicht nur Ruhepol einer jeden aufgeheizten Schicht, sondern auch Beobachter des diversen Publikums. Inzwischen beschäftigt sich Koch nicht mehr mit dem Verkauf alkoholischer Getränke, sondern nur noch mit dem Menschen, und zwar auf dem Papier.

 

Im April ist seine erste Audioserie mit dem Titel „Scoring“ auf der Hörbuchplattform Audible erschienen, zu der er das Drehbuch und die Idee geliefert hat. Der Schriftsteller Koch erschafft in neun Folgen ein Science-Fiction-Universum, das in einer nahen Zukunft spielt. Die Serie ist eine Mischung aus Spionagethriller und Untergangsdystopie. Europa hat sich darin aufgeteilt in den wohlhabenden Norden und den ärmeren Süden. In dieser Welt sind das höchste Gut der europäischen Gesellschaft nicht länger die Menschenrechte, sondern ein soziales Bewertungssystem – das sogenannte Social-Scoring. Die Protagonistin Rosa Melo will als eine der letzten echten Journalistinnen, die noch nicht durch ein Computerprogramm ersetzt wurden, das Scoring verhindern. Denn die Reform bedeutet zugleich, dass jeder Bürger seine Daten transparent machen muss und sich damit der Gnade eines Überwachungsstaates ausliefert.

Sinnkrise im Nachtleben

Koch erzählt von seinem Projekt bei einem Gespräch unter der Mittagssonne vor der Liederhalle am Berliner Platz. Der großgewachsene Schreiber hat seine langen Haare zu einem Dutt gebunden und raucht selbstgedrehte Zigaretten. Dass er mal vom Schreiben leben können würde, war nicht immer selbstverständlich für ihn. Er musste erst seinen alten Job an der Bar an den Nagel hängen. Das war im Jahr 2018. Der Reiz darin, eine Vision für eine mögliche Zukunft Europas zu erschaffen, habe darin gelegen, das Jetzt möglichst genau zu studieren und abzubilden, sagt er. Und da habe ihm die Arbeit an der Bar durchaus geholfen. „Im Rausch können die Leute es nicht länger verhindern, einen wahren Eindruck von sich zu geben“, sagt er. Das Nachtleben könne einen aber auch in Sinnkrisen stürzen. Auch das habe er erlebt.

Monatelang hat sich Koch mit den technischen Details des Sozialkreditsystems beschäftigt, wie es in Teilen in der Volksrepublik China bereits angewendet wird. Das Konzept ist ein Belohnungssystem. Wenn man sich angemessen verhält, wird man auf einer Punkteskala heraufgestuft. Wer beispielsweise eine rote Ampel überfährt, wird dafür bestraft. Mit dem Wert der Punkte steigen die Privilegien, die man genießt.

Autos fahren autonom

In Kochs Serie kommt dabei auch ein intelligentes Computerprogramm zum Einsatz. „Es ging mir jedoch nicht darum, Künstliche Intelligenz als eine Bedrohung darzustellen, wie das viele andere Science-Fiction-Autoren bereits gemacht haben. Das wäre zu langweilig gewesen“, sagt er selbstbewusst. So stellt er die Errungenschaften der Technik auch als eine Möglichkeit dar, von der die Menschen einen Nutzen haben können, wenn sie es nur wollen. In „Scoring“ wurde eine Welt erschaffen, die auch von den technischen Entwicklungen der Zukunft profitiert. Autos fahren autonom, Paketlieferungen finden über Drohnen statt, die einem die Gegenstände praktisch in den Schoß fallen lassen, Smartphones werden weiterentwickelt durch Brillen, auf deren Innenflächen Bildschirme projiziert werden können. Nur für die Skeptiker und Feinde der Technologie ist in dieser Welt wenig Platz. Und mit diesem Konflikt hat auch die Protagonistin zu kämpfen.

Neben seiner Arbeit in der Gastronomie hat Philip-Laszlo Koch Germanistik und Politikwissenschaften in Stuttgart studiert. Sein erster Erfolg als Schreiber war ein Stipendium für die Drehbuchwerkstatt München. Er wurde mit dem Programm im Jahr 2017 unter anderem finanziell und ideell unterstützt, ein erstes Drehbuch zu schreiben und dies auch umzusetzen. Die Geschichte über die multiple Persönlichkeit seines Helden soll im Sommer als Kurzfilm umgesetzt werden.

Ein TV-Projekt steht an

Ob es mit „Scoring“ in Form weiterer Staffeln weitergeht, werde sich noch zeigen. „Ich bin jedenfalls bereit, eine zweite und auch dritte Staffel zu schreiben“, sagt er. Als nächstes steht ein ganz anderes Projekt für ihn an. Er hat an einer Fernsehsendung mitgeschrieben, in der es um die Erotikbranche der 70er Jahre in der Bundesrepublik geht und den damals entstandenen sogenannten „Schulmädchen-Report“. Es sieht also so aus, als habe sich Koch seinen Traum erfüllen können, vom Schreiben zu leben. Welche Wege er von hier aus noch einschlagen wird, ist noch offen. Zumindest bei einer Sache ist er sich sicher. Es soll nie wieder zurück an die Bar gehen.

Info über Philip-Laszlo Koch

Philip-Laszlo Koch wurde im Jahr 1987 in Arlesheim in der Schweiz, nahe der deutschen Grenze geboren. Seit seinem vierten Lebensjahr lebt er in Stuttgart. Er schreibt, seitdem er zehn Jahre alt ist. Sein Debüt gab er mit der Audible-Serie „Scoring“, die am 22. April 2021 erschienen ist. Er hat zudem das Drehbuch zu einem Kurzfilm geschrieben, der im Sommer 2021 gedreht werden soll und er arbeitet an einer TV-Serie zum sogenannten „Schulmädchen-Report“ mit.