Noch wird sie abgeschirmt – aber geschasste Bundeswehr-Offiziere monieren, dass Ursula von der Leyen sie nicht direkt von ihrer Entlassung informiert habe. Foto: Gambarini

Geschasster Kommandeur von Pfullendorf sieht sich als Bauernopfer. Wehrbeauftrager kritisiert Führungsstil.

Pfullendorf/Hechingen - Die Staufer-Kaserne in Pfullendorf bringt Ursula von der Leyen (CDU) zunehmend in Bedrängnis. Diesmal hat der in der Affäre über entwürdigende Aufnahmerituale geschasste frühere Kommandeur die Verteidigungsministerin angegriffen. Sie habe ihn zum Bauernopfer gemacht, erklärte Oberst Thomas Schmidt in der "Bild". Von seiner Ablösung habe er aus der Presse erfahren. Vor wenigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft in Hechingen (Zollernalbkreis) die Ermittlungen wegen der angeblich entwürdigenden Praktiken bei der Sanitätsausbildung eingestellt und die Informationen des Verteidigungsministeriums darüber als überzogen bewertet. Ein Überblick:

Was sagt der Wehrbeauftragte dazu?

Hans-Peter Bartels (SPD) stellt dem wegen der Skandalvorwürfe in Pfullendorf abgelösten früheren Kommandeur des Ausbildungszentrums für Spezielle Operationen, Oberst Thomas Schmidt, zwar keinen Persilschein aus. Aber an dem Verfahren seiner Ablösung übt Bartels gegenüber unserer Zeitung Kritik. "Wenn Vorgesetzte wegen dienstlicher Fehler abberufen werden, sollte mit ihnen geredet und die Entscheidung begründet werden", sagt Bartels. "Dass dieses Prinzip nicht in jedem Fall beherzigt wurde, sorgt zurzeit für einen unübersehbaren Vertrauensschaden in der ganzen Bundeswehr."

Darüber hinaus ist Bartels irritiert, dass die bisherigen Berichte über die Vorfälle so grundverschiedene Schlüsse ziehen: "Alle drei Berichte beruhen auf den gleichen Protokollen und sind doch sehr unterschiedlich. Das ist ein Problem", sagt Bartels. Der Wehrbeauftragte bezieht sich damit auf den Bundeswehr-Bericht des Ausbildungskommandos, den Zwischenbericht des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss und die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft (Mai). "Leider gibt es nach wie vor keinen abschließenden Sachstandsbericht des Verteidigungsministeriums zu den Vorfällen in Pfullendorf", moniert Bartels und drängt vier Monate nach Beginn der Affäre auf Eile.

Bricht der Skandal damit in sich zusammen?

Dieser Schluss wäre voreilig. Erstens laufen die staatsanwaltlichen Ermittlungen weiter. Und zweitens ist es nicht nur eine Frage des Straf-, sondern auch des Disziplinarrechts, was in der Sanitätsausbildung vorgefallen ist. Zwar gab es laut Staatsanwalt weder ein komplettes Entkleiden, noch wurde Lehrgangsteilnehmern – wie es in ersten Berichten gehießen hatte – Tamponade in den After eingeführt. Auch seien die Ausbildungsinhalte nicht nachweis-lich sexuell motiviert und zur Herabwürdigung Einzelner angewandt worden.

Aber Bartels betont: "Da genau hinzuschauen war richtig. Es wurden dann ja auch Veränderungen in der Ausbildung vorgenommen." Er hält auch den Vorwurf der Soldatin, dass sie für ihre Kritik an den Praktiken abgestraft worden sei, für schwerwiegend. "Dass Soldaten, die auf Probleme hinweisen, mit Mobbing rechnen müssen, kann nicht sein. Da ist gewiss eine geschärfte Sensibilität der Vorgesetzten nötig."

Was hat die Ministerin falsch gemacht?

Zwei Vorwürfe stehen im Raum: Erstens hat sie die Disziplinarverfahren offenbar nicht ordnungsgemäß abgewickelt. Nicht nur der geschasste Oberst Schmidt, auch der im Zuge der Pfullendorf-Affäre versetzte General Walter Spindler haben wohl aus den Medien von ihrer Ablösung erfahren. "Weder die hohen noch die kleinen Tiere, die im Zuge der Pfullendorf-Problematik ihren Posten verloren haben, hatten ein im Sinne der inneren Führung akzeptables Verfahren", kritisiert der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold.

Zweitens wird die Informationspolitik der Ministerin kritisiert. Der Staatsanwalt lässt durchblicken, dass er die bundeswehreigene Darstellung der Vorfälle für ebenso überzogen hält, wie von der Leyens TV-Einordnung der Vorgänge als "abstoßend und widerwärtig". "Eine Erfahrung mit der Verteidigungsministerin zieht sich durch: Entweder sie färbt schön, oder sie dramatisiert. Das ist gegenüber dem Parlament nicht akzeptabel", sagt Arnold.

Wird das der Ministerin gefährlich?

Seit von der Leyen nach dem Bekanntwerden des Terrorverdachts gegenüber dem Soldaten Franco A. der Bundeswehr "Haltungs- und Führungsprobleme" attestierte, hat sie ein doppeltes Vertrauensproblem. Im Verteidigungausschuss ist das Misstrauen gegen sie gewachsen. Und viele Soldaten werfen der Verteidigungsministerin vor, im Zweifel die Soldaten in die Schusslinie zu bringen, um selbst in Deckung gehen zu können. Die rüden Versetzungsverfahren nähren die Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber der Truppe.