Der Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (links) sowie der Vorstand der jüdischen Gemeinde Pforzheim, Rami Suliman. Foto: Jähne Foto: Schwarzwälder Bote

Reichskristallnacht: Pforzheimer Gedenkfeier zum 81. Jahrestag

Pforzheim. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte sich unwiederbringlich in die Seelen der Deutschen ein. Völlig zu Recht, denn wie ein Feuersturm wütete die sogenannte Reichskristallnacht über das ganze Land. Der aufgebrachte deutsche Mob ermordete zahlreiche jüdische Bürger, und auch in Pforzheim brannten etliche Geschäfte und private Wohnungen.

Gut besuchte Andacht

Zum 81. Mal sollte am Freitagvormittag einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Menschheit bedacht werden. Das regnerische Wetter passte irgendwie vortrefflich zur düsteren Grundstimmung – drinnen im Atrium der Pforzheimer Volksbank wurde die gut besuchte Andacht mit den fast schon sakralen Gesängen des gemischten Synagogenchores und den Schülern des städtischen Reuchlin-Gymnasiums eröffnet.

Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch hatte in seiner Ansprache nicht die Rolle des Mahners, sondern die des Erinnerers übernommen: Auch die Stelle, wo einst die Pforzheimer Synagoge stand, wurde zum Schauplatz ideologisch blindlings gesteuerter Gewalttaten.

Die Spur des Terrors zog sich vom heutigen Volksbank-Gebäude über die gesamte Innenstadt bis hin zum Sedansplatz. Friedhöfe, Geschäfte, Wohnungen: Nichts blieb bei der entfesselten Masseneskalation verschont. Viele der Pforzheimer Juden wurden anschließend ins KZ deportiert. Boch erklärte sich dabei solidarisch mit den einstmals am meisten Geschundenen der ganzen Nation: "Die jüdische Gemeinde gehört zu Pforzheim und wir werden alles Erdenkliche tun, um sie zu schützen."

Im Hintergrund wurden die Bilder zahlreicher Pforzheimer Gegner des Nationalsozialismus eingeblendet, die für ihren Mut entweder mit dem Leben bezahlen oder ins Exil fliehen mussten: Edith Rosenblüth etwa, Ida Besinger oder Hedwig David, für welche die Reichskristallnacht ein unversöhnlicher Bruch mit dem eigenen Land und dem eigenen Volk bedeutete.

In einer anschließenden Talkrunde bestätigten fünf Schüler des Hilda-Gymnasiums die Wichtigkeit, sich auch noch heute mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

"Unsere Generation hat die letzte wie großartige Chance, mit den noch lebenden Zeitzeugen zu reden", bestätigte einer der Schüler. Dass anscheinend nur noch 59 Prozent aller Jugendlichen wissen, dass Ausschwitz ein Vernichtungslager war, wurde als Kopfschütteln erregender Fakt hinterhergeworfen.

Nicht nur aus diesem Grund sprach Rabbiner Michael Bar-Lev ein Hebräisch gehaltenes Gebet, dass an die sechs Millionen vergasten Juden im Zweiten Weltkrieg erinnern sollte.

Zum Abschluss nahmen Boch und Rami Suliman, Vorstand der kommunalen jüdischen Gemeinde, die traditionelle Kranzniederlegung vor – an einem geschändeten Ort direkt vor der Volksbank, der sich heute "Platz der Synagoge" nennt. Das schlechte Wetter wollte während der Zeremonie nicht enden: Der Regen wischt auch heute noch die Spuren von damals nicht weg.