Texte lesen und verstehen: Lehrer Volker Link kennt die Schwierigkeiten, mit denen die Teilnehmer des vhs-Alphabetisierungskurses zu kämpfen haben. Foto: Schwarzwälder-Bote

Viele Zuwanderer sind Analphabeten / Wenige haben eine berufliche Perspektive / Traum vom BMW

Pforzheim.Das Sofa ist ...", sagt die 22-jährige Kafia aus dem Irak und ergänzt den Satz, der auf einem Blatt mit einem Bild steht, um das Adjektiv "weich". Während Volkshochschullehrer Volker Link mit einfachen Worten erklärt, was weich bedeutet, fragt eine andere Kursteilnehmerin "Was ist ein Sofa?"

Zehn von elf Teilnehmern sind Frauen, drei kommen aus Indien, dem Kosovo und Thailand, der Rest aus dem Irak. "Die meisten sind Analphabeten", sagt Link. Sie können in ihrer Heimatsprache – bei den Irakern das Kurdisch – weder schreiben noch lesen. Und sie beherrschen das lateinische Alphabet als Voraussetzung für die deutsche Sprache nicht. Gleichzeitig läuft nebenan der Kurs "Leben in Pforzheim" – konzipiert für yezidische Neuankömmlinge, finanziert vom Bund.

Seit über zwei Monaten unterrichtet der 68-jährige Link die Gruppe. Der bis zu zwölf Monate dauernde Kurs sei eine Auflage der Ausländerbehörde für die dauerhaft in Deutschland lebenden Zuwanderer. "Sie erhalten nach Abschluss eine Bescheinigung", sagt Link. Er ist ein Glücksfall für den Bildungsträger. Denn es gebe gar nicht so viele geeignete Lehrkräfte, sagt Christine Braß, Fachreferentin für Deutsch. Der pensionierte Rektor einer Förderschule in Mühlacker braucht für seine mühsame Arbeit nicht nur Geduld und pädagogisches Geschick, sondern auch die Fähigkeiten eines Sozialarbeiters. Sahwan Hasan Bibu, ein 23-jähriger yezidischer Flüchtling, hat etwa mit Links Hilfe eine Wohnung für seine vor einigen Monaten nachgezogene Frau samt Kind gefunden. Auch für diverse Anträge holt er sich Hilfe bei seinem ehemaligen Lehrer.

Abschluss aufhöchstem Niveau

Er hat den Alphabetisierungskurs im vergangenen Jahr komplett durchlaufen und die Prüfung, den "Deutschtest für Zuwanderer", nach zwölf Monaten auf dem höchsten Niveau abgeschlossen. "Das ist die Voraussetzung für die spätere Einbürgerung", sagt Link. Allerdings sei der junge Mann nur einer von Dreien aus dem jüngsten Kurs, der die Prüfung auf dieser Stufe bestanden habe. Und er sei der einzige von acht Teilnehmern mit einer beruflichen Perspektive gewesen. Andere, sofern sie arbeiteten, seien als Leiharbeiter beschäftigt. Etwa die Hälfte der irakischen Flüchtlinge lebt von Sozialhilfe.

Sahwan Hasan Bibu will seinen Job bei einer Schlachterei gegen eine Ausbildung bei der Gesellschaft für berufliche Eingliederung tauschen. "Möglichst bald möchte ich ein Haus für meine Frau und die kleine Tochter kaufen", sagt er in gutem Deutsch. Dafür brauche er eine besser bezahlte Arbeit. Auch für den heiß ersehnten BMW.

Eine Schlepperbande brachte ihn vor über zwei Jahren für 9000 Dollar aus dem Nordirak nach Pforzheim, wo schon sein Cousin lebt und über 1200 weitere Yeziden. Zu unsicher sei es im Irak gewesen, sagt er. Sahwan Hasan Bibu arbeitet ausschließlich mit Yeziden in einer Schicht, er lernt und lebt mit Yeziden und ist seit drei Jahren mit einer Yezidin verheiratet. "Mit Deutschen", bedauert er, "habe ich keinen Kontakt."