Jürgen Genthner, leitender Baudirektor im Referat 4 des Regierungspräsidiums Karlsruhe, erläuterte die Baufortschritte der Westtangente anhand der Pläne im Baubüro. Foto: Schwarzwälder Bote

Bauarbeiten: Unter-Tage-Bauabschnitt der Westtangente trotz Corona im Zeit- und Kostenplan

Es geht voran mit dem Arlinger-Tunnel, dem letzten Teil des ersten Bauabschnitts der Westtangente, welche die B 10 und den Autobahnanschluss Pforzheim-West an die B 294 im Enztal anbindet.

Pforzheim. Das Bauvorhaben besteht aus dem eigentlichen Verkehrstunnel, der Hauptröhre, und einem im Osten angelegten Rettungsstollen sowie weiteren Teilbauwerken. Darunter vier Querschläge (Verbindung Hauptröhre mit dem Rettungsstollen), drei Betriebszentralen, zwei Pannenbuchten, ein Löschwasserbecken und ein Havariebecken.

"Trotz einer rund vierwöchigen Baustellenunterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie ab dem 16. März konnten wir den zeitlichen Verlust zwischenzeitlich wieder kompensieren und uns sogar einen Vorsprung gegenüber den Planungen erarbeiten", führte der leitende Baudirektor vom Regierungspräsidium Karlsruhe, Jürgen Genthner, bei der Besichtigung vor Ort aus.

"Durch entsprechende Vorerkundungen waren wir auf die wechselnden geologischen Verhältnisse unter Tage gut vorbereitet, die sich dann auch etwas unkritischer dargestellt haben, als die Bohrungen vermuten ließen. Zudem konnten durch Optimierungen bei den Prozessabläufen und den Rezepturen für den Spritzbeton Effizienzsteigerungen und damit Zeitersparnisse erzielt werden", erläuterte der Baudirektor, der auch den Kostenrahmen für das Projekt durch Corona nicht gefährdet sieht. Sollte es mit dem laut Genthner "bestens eingespielten Team" weiterhin so gut laufen, ist ein Tunneldurchstoß schon gegen Ende 2020 möglich.

Anhand diverser Pläne stellte er den aktuellen Vortriebsstand des insgesamt rund 92,5 Millionen Euro teuren und circa 1,35 Kilometer langen Bauwerks vor. Der Haupttunnel habe im Bereich der Kalotte (oberes Drittel des Tunnelquerschnitts) eine Länge von 777 Metern erreicht, im Bereich Strosse/Sohle (untere zwei Drittel des Tunnelquerschnitts) führe er bereits 220 Meter unter die Erde, erklärte der Referatsleiter. Der Rettungsstollen, der auf einer Länge von 1077 Metern parallel zur Hauptröhre verlaufen wird, misst laut Genthner im Bereich Kalotte/Strosse aktuell 880 Meter und im Bereich der Sohle 229 Meter.

"Derzeit liegen wir bei einem Vortrieb von fünf bis sechs Metern pro Tag", so Genthner weiter. Die Fachkräfte der "Arbeitsgemeinschaft Untertagebau Arlingertunnel", zu der die beiden ausführenden österreichischen Baufirmen "Östu Stettin" und "Jägerbau" gehören, arbeiten im Zweischicht-Betrieb rund um die Uhr, durchgehend an sieben Tagen in der Woche.

Die bergmännischen Arbeiten erfolgen aufgrund des inhomogenen Gebirges und aus wirtschaftlichen Gründen in der neuen österreichischen Tunnelbauweise. Dazu werden temporäre Sicherungen aus Spritzbeton, Ausbaubögen, Gebirgsankern und Spießen eingesetzt. "Die Kalotte der Hauptröhre wird, ebenso wie der Rettungsstollen, vorauseilend erstellt. Dadurch können die Erfahrungen aus dem Rettungsstollen, der auch als Fluchtweg für die Einsatzkräfte dient, auf die Hauptröhre übertragen werden. Dort lösen die Sprengungen durchschnittlich 70 Kubikmeter Fels, was einem Gewicht von rund 140 Tonnen entspricht und einen Vortrieb von rund 1,25 Metern pro Sprengung erzeugt", informierte Genthner. Dies sei vergleichbar mit zwei Baugruben für ein Einfamilienhaus pro Tag.

Bis zu fünf Sprengungen pro Tag

Über holpriges Gelände und eine Rampe, die von der Sohle zur Kalotte hochführt, ging es im Baufahrzeug in den Tunnel bis kurz vor die "Ortsbrust", der Wand am Ende des Stollens, an der der Vortrieb stattfindet. Dort befestigten Mineure aus fahrbaren Hebebühnen heraus die Stahlträger am Rundbogen für die nächste Spritzbetonfüllung. Mit seinen beiden Bohrarmen bringt ein Bohrwagen Anker und Spieße in den Beton beziehungsweise das Gestein ein. Nach dieser Absicherung kann der nächste Abschnitt ausgesprengt werden.

Bis zu fünf Sprengungen mit 30 bis 40 Sprengkörpern, die zeitlich versetzt gezündet würden, seien pro Tag möglich – wobei zwischen 22 Uhr und 6 Uhr aus Lärmschutzgründen nicht gesprengt werden darf. Ein großes Lüftungsrohr an der Decke sorgt für die Bewetterung des Stollens, eine Rettungskapsel für die Sicherheit der Mineure und deren vorübergehende Versorgung, sollte ein Notfall eintreten. Insgesamt werden in diesem Bauabschnitt laut den Angaben des zuständigen Baureferates rund 68 000 Kubikmeter Beton, 8000 Tonnen Stahl, 7000 Tonnen Asphalt – bei einer Fahrbahnbreite von 7,5 Metern –, rund 36 000 Spieße und Anker verbaut sowie schätzungsweise 330 000 Kubikmeter Aushub- und Ausbruchmassen anfallen. Letztere verfrachten Schaufellader vor Ort auf Lastkraftwagen.

Die zehn Kubikmeter fassenden Fuhrwerke bringen das gelöste Gestein zu einem Abraum-Zwischenlager vor dem Nordportal. Ein Teil davon wird zu einem Endlager weiter transportiert, ein Teil wiederverwertet. Größere Erdbewegungen werden auch noch beim Anlegen der Baugrube für den offenen Tunnelbau am Südportal anstehen, wie von Genthner zu erfahren war. "Dieser ökologisch sensible Bereich muss für die Rodung und den Rampenbau zur B 294 behutsam angegangen werden", meinte er.

Die Bauzeit für die Rohbauarbeiten einschließlich der notwendigen Betriebsausstattung ist mit rund viereinhalb Jahren veranschlagt. Mit der Fertigstellung des Tunnelbauwerks und der Anbindung der neuen B 463 an die bestehende B 294 auf Höhe der S-Bahn-Haltestelle "Wohnlichstraße" beim Industriegebiet "Brötzinger Tal" kann somit Ende 2023 gerechnet werden.