Die Tafel in der Oststadt ist eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die auf günstige Lebensmittel angewiesen sind.Foto: Parage Foto: Schwarzwälder Bote

Corona: Aus für Gabenzaun entlang der Enz / Tafel und Wichernhaus als Anlaufstellen

Die Idee war gut: An den Zaun entlang der Enz hängen Bürger Tüten mit Lebensmitteln. Mitnehmen dürfen sie die, die es nötig haben. Jetzt ist der Gabenzaun Geschichte, auch eine dauerhafte Variante, wie geplant, wird es nicht geben. Doch es gibt andere Angebote für Bedürftige.

Pforzheim. Herzblut, und zwar jede Menge davon, haben Nina Hammer und Mareike Gabelmann in ihr Projekt "gabENZaun" investiert. Ende März hatten sie die Initiative gestartet und damit angefangen, haltbare Lebensmittel in kleinen Tüten an den Zaun auf Höhe des Pforzheimer Waisenhausplatzes zu hängen. Ein Schild mit dem bunten Schriftzug "Gabenzaun" machte auf die Aktion aufmerksam. Mitnehmen sollten sie diejenigen, die die Lebensmittel dringend brauchen.

Von der Resonanz waren die beiden Frauen überrascht: Irgendwie schwappte eine Welle über, beschreibt es Nina Hammer. "Irgendwie haben wir doch die Herzen der Menschen erreichen können." Die Zahl der Spender wuchs und mit ihr die der Mitglieder der Facebook-Gruppe "Gabenzaun Pforzheim". Um die 270 sind es, und "es treten uns immer noch Leute bei", erzählt Hammer.

Auch wenn Hammer und Gabelmann ihren Plan jetzt aufgegeben haben, dass aus dem Gabenzaun eine Gabenzelle – etwa in einer alten Telefonzelle oder in einer Art Unterstand – und so eine feste Institution in Pforzheim wird, die dabei noch rund um die Uhr zugänglich ist. Diese Entscheidung sei nach Gesprächen mit der Tafel Pforzheim und der Wohnungslosenhilfe Wichernhaus gefallen. Zum einen, berichtet Hammer, weil der Aufwand, eine solche Lebensmittel-Zelle zu betreuen, sehr groß und für die beiden Frauen eigentlich nicht zu leisten ist. Und zum anderen, weil die Zahl der Menschen, die in Pforzheim darauf angewiesen seien, offenbar überschaubar ist. Darüber hinaus bedienen sich manche leider übermäßig. Und wer soll kontrollieren oder entscheiden, wer wie viel nehmen darf? "Wir haben es auch am Gabenzaun erlebt: Es wurden Wasserflaschen von Menschen ausgeleert, nur weil sie das Pfand für sich haben wollen", erzählt Hammer. "Da habe ich ein ganz großes Problem mit."

All das trug dazu bei, dass die zwei jungen Mütter sich entschieden, den Gabenzaun aufzugeben und auch keine weitere, feste Anlaufstelle für Bedürftige zu schaffen. Thomas Murphy, der Betriebsleiter der Tafel Pforzheim, hält diese Entscheidung für die richtige. Die Idee der beiden Frauen sei "toll gemeint", sagt er. Allerdings sei sie nicht umsetzbar. Er weiß, wie kompliziert es wird, wenn Lebensmittel ins Spiel kommen. Zudem gibt es für Bedürftige mit der Tafel in der Pforzheimer Oststadt, im Postareal, bereits eine Anlaufstelle. Sie hat trotz Corona regulär geöffnet.

Auswirkungen hat die aktuelle Situation dennoch. Murphy beobachtet, dass weniger Kunden kommen. Die älteren, die zur Corona-Risikogruppe gehören, bleiben daheim. Für den Einkauf in der Tafel ist ein Berechtigungsschein nötig. Den erhalten beispielsweise Hartz-IV-Empfänger oder Rentner, die nur wenig Rente bekommen. "Wir erreichen in Pforzheim so um die 2500 Leute", schätzt der Betriebsleiter.

Tafelladen erhalten

"Wir wollen und müssen den Tafelladen aufrecht erhalten", sagt er. Dabei haben die Pforzheimer noch Glück. Die Räumlichkeiten lassen es zu, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. Die Hälfte der Tafelläden in Deutschland bleiben laut Murphy geschlossen, weil sie die Vorgaben nicht umsetzen können. Zudem seien die etwa 30 Mitarbeiter der Tafel ein Glücksfall. 23 von ihnen sind sogenannte Ein-Euro-Jobber. Ihre Mitarbeit ist eine Maßnahme zur Wiedereingliederung nach langer Arbeitslosigkeit. Wegen Corona wurden solche Maßnahmen aber gestoppt. Die Ein-Euro-Jobber im Pforzheimer Tafelladen lassen sich dadurch nicht ausbremsen. Sie machen alle ehrenamtlich weiter: "Das ist hervorragend", meint Murphy begeistert.

Eine weitere Anlaufstelle für Menschen, für die der Gabenzaun gedacht war, ist in Pforzheim das Wichernhaus. Dort werden derzeit rund 40 Wohnungslose stationär betreut. Mahlzeiten inklusive, weshalb sie nicht darauf angewiesen sind, Orte wie den Gabenzaun aufzusuchen. Im Gegenteil: "Das sollen sie gar nicht", erklärt Uli Limpf, Stadtmissionar und verantwortlich für die Wohnungslosenhilfe. Vielmehr sollten sich die Bewohner des Wichernhauses so wenig wie möglich draußen aufhalten, um das Coronavirus nicht einzuschleppen. Denn wer auf der Straße lebe oder gelebt habe, der habe viele Vorerkrankungen, und gehöre zur Risikogruppe, sagt Limpf.

Wenige Obdachlose

Zudem ist unklar, wie viele Menschen in Pforzheim tatsächlich ganz auf der Straße leben. "Viel mehr als zehn sind das nicht", schätzt der Stadtmissionar. Dass natürlich auch Hartz-IV-Empfänger von einer Gabenzelle profitieren könnten, sieht Limpf. Doch ehrenamtlich sei der Aufwand für solch eine Einrichtung kaum zu leisten. Und das Wichernhaus hat gerade eine andere, große Baustelle.

Es geht um die Frage, wo Obdachlose in Coronazeiten duschen und die Toilette nutzen können. Die Schwimmbäder haben geschlossen, und selbst im Wichernhaus können sie die Sanitäranlagen nicht mehr nutzen. Wegen der Pandemie ist der Wohnbereich den festen Bewohnern vorbehalten. Eine Lösung muss her. Limpf berichtet, dass alle, die neu ins Wichernhaus kommen oder beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt zurückkehren, erst einmal in ein Quarantänezimmer kommen. Dort bleiben sie, bis sie ein negatives Corona-Testergebnis vorliegt. Die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt sei da hervorragend. Doch "das Leben ist kompliziert geworden", fasst es Limpf zusammen.

Für Hammer und Gabelmann wird der Alltag nach dem Ende des Gabenzauns vielleicht wieder ein bisschen einfacher. Ihr Engagement hat sich dennoch gelohnt, findet Hammer – allein, um das Lächeln der Empfänger zu sehen. Und sie hat die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, einen Gedanken umzusetzen, statt es beim Überlegen zu belassen. Das ist auch ihre Botschaft für alle, die sich engagieren möchten – nicht nur in Coronazeiten: "Folgt Eurem Herzen, packt es an."