Frauke Sander (links), Rektor Ulrich Jautz und Christa Wehner (rechts) begrüßten Marianne Birthler im Studium Generale der Hochschule Pforzheim. Foto: Hochschule Pforzheim Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Marianne Birthler referiert über "Revolution und Mauerfall. 30 Jahre danach"

Pforzheim. Im gut gefüllten Walter-Witzenmann-Hörsaal (Audimax) der Hochschule Pforzheim hat Marianne Birthler, ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zum Thema "Revolution und Mauerfall. 30 Jahre danach" einen Vortrag gehalten.

Sie zog eine Bilanz der Wiedervereinigung. Dabei wurden auch persönliche Einblicke in ihre bewegte Biografie gewährt. Die wissenschaftliche Leiterin des Studium Generale, Frauke Sander, erinnerte sich, dass der Mauerfall und die Wiedervereinigung Deutschlands wenige Monate vor dem 9. November 1989 noch undenkbar schienen.

Der Tag, an dem die Berliner Mauer fiel, sei allen, die ihn erlebten, in Erinnerung. "Erinnern tut gut. Jeder weiß noch, was er damals gemacht hat und wo er war", sagte Birthler. Sie nahm das Publikum im Audimax mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1989.

Wegweisender Charakter

Der 9. November 1989 sei zum Symbol für die Überwindung der deutschen Teilung und den Fall des Eisernen Vorhangs geworden. "Aber nicht erst dann. Schon vorher hatten im damaligen Ostblock Ereignisse wegweisenden Charakter. Denken Sie an Solidarnoscść in Polen. Aber auch in der DDR brodelte es, als die Kommunalwahlen am 7. Mai sich als gefälscht herausstellten. Gleichzeitig blickten wir in eine bange Zukunft, denn wir mussten mit Entsetzen zusehen, wie das kommunistische Regime in China Proteste im Juni 1989 blutig niederschlug." Dass es dann zur friedlichen Revolution kam, sei dem Mut der Menschen zuzuschreiben. Hinzu kamen glückliche Umstände. "Gorbatschow hatte die Breschnew-Doktrin außer Kraft gesetzt. Es flohen bereits viele Menschen über Ungarn und andere Wege – und die Wirtschaft lag am Boden. Tja, ein Jahr später gab es die DDR nicht mehr", erzählt die 71-Jährige. Vielleicht wäre es besser gewesen, alles mit mehr Zeit umzusetzen.

"Aber mal ehrlich: Die Ostdeutschen wollten die Deutsche Mark, wollten das hohe Tempo damals. Bei vielen wich die Begeisterung dann aber schnell. Vielen blieb ein Gefühl der Zweitklassigkeit. Das zeigte sich in den hohen Wahlergebnissen für die Linkspartei. Heute wählen viele der Enttäuschten die AfD", bedauert Birthler.

Gewisse Überforderung

Dies sei jedoch nicht alles den Nachwehen der Wiedervereinigung zuzuschreiben. Auch eine gewisse Überforderung mit Auswirkungen der Globalisierung sowie eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Politik seit der Finanzkrise seien Ursachen.

Heute genieße sie wie die meisten Bürger in Ostdeutschland die Freiheit. "Man kann sich einen politischen Witz erzählen, ohne sich vorher umsehen zu müssen. Die Seen und Flüsse sind sauber und man kann überall baden.“ Dass nicht alle diese Freiheit gutheißen, wundert sie manchmal. "Müssten nicht gerade diejenigen Anhänger von Demokratie und Freiheit sein, die selbst in einer Diktatur lebten?"

Zum Zusammenwachsen und zur Verteidigung der Freiheit sei die Rückbesinnung auf die Geschichte immer wieder wichtig, wie Birthler zum Ende betonte.