Soziales: Diakonie-Geschäftsführerin im Ruhestand / Arbeit mit psychisch Kranken als Herzensanliegen

18 Jahre lang stand Doris Hötger an der Spitze der Diakonie Enzkreis. Zum 1. April ist sie in den Ruhestand gegangen. Die Begeisterung für ihre bisherige Arbeit lässt sie aber noch nicht los.

Pforzheim/Enzkreis. Wenn Doris Hötger von ihrer Arbeit erzählt, dann steckt sie noch mittendrin. 18 Jahre lang stand sie an der Spitze der Diakonie Enzkreis, drei Jahrzehnte lang war sie bei der Diakonie tätig. Und bis zum Schluss von ihrer Arbeit begeistert. Diese Begeisterung endet nicht von einem Tag auf den anderen. Im Fall von Hötger ist das der Dienstag, der Tag, an dem sie offiziell in Ruhestand ging. Genau an jenem erzählt sie: "Entweder man wird Feuer und Flamme für die Arbeit mit psychisch Kranken, oder man hält es kaum aus." Bei der 63-Jährigen war Ersteres der Fall.

Hötger stammt von der Schwäbischen Alb. Fürs Studium allerdings zog es sie nach Wiesbaden. Und hinterher wieder zurück in den Südwesten. Ihre erste Stelle trat die Diplomsozialarbeiterin und Sozialwirtin, die auch eine Ausbildung als systemische Familientherapeutin hat, im Klinikum Nordschwarzwald an. Die Zeit dort und die Arbeit mit psychisch Kranken habe sie stark geprägt.

Nach der Geburt ihrer Tochter stieg sie dann im Juli 1990 im sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie ein. An dieser Arbeit hängt ihr Herz bis heute. Dass sie sich 2002 überhaupt auf die Stelle des Geschäftsführers, damals noch des Diakonischen Werks Pforzheim-Land, beworben hatte, lag daran, dass zum Angebot ein großer psychiatrischer Bereich gehört. Die Stellenausschreibung sei damals gefühlt zwei oder drei Jahre zu früh gekommen, erinnert sich Hötger. Die drei Kinder waren noch nicht aus dem Gröbsten heraus. Doch sie wusste: jetzt oder nie!

70 Prozent ihrer Zeit verwendete sie zuletzt auf ihre Geschäftsführertätigkeit, die restliche Zeit war sie in der Beratung tätig. "Diese Verbindung war für mich auch das Reizvolle." Als Geschäftsführerin müsse man Prioritäten setzen. Eine davon war, die Begleitung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung, oftmals nach einem stationären Aufenthalt. Hötger und ihre Kollegen vom sozialpsychiatrischen Dienst helfen etwa, wenn es darum geht Anträge zu stellen, finanziell klarzukommen oder einen passenden Arzt zu finden.

Die Mitarbeiter der Diakonie werden so zu Lösern für Alltagsprobleme. Das gilt auch für die weiteren Schwerpunkte der Pforzheimer Dienststelle, die "Hilfen im Alter" und die allgemeine kirchliche Sozialberatung.

Und die Menschen finden ihren Weg zur Diakonie: Rund 124 Personen werden vom sozialpsychiatrischen Dienst jedes Jahr intensiv betreut, insgesamt finden 1300 jährlich Hilfe.

Hötger hat festgestellt, dass es Menschen inzwischen zum Glück leichter fällt, sich in schwierigen Lebenslagen Hilfe zu suchen. "Man merkt insgesamt schon, dass die Bedarfe steigen", sagt sie. "In allen Bereichen." Die Zahl der Mitarbeiter indes sei nicht gestiegen – auch mit solchen Herausforderungen musste sie als Chefin umgehen.

Entwicklung bereitet Sorge

Die Arbeit der Diakonie Enzkreis wird vom Land, dem Kreis und der evangelischen Kirche finanziert. Um die Angebote aufrechtzuerhalten, müssten zunehmend Eigenmittel verwendet werden. Diese Entwicklung beobachtet die Pforzheimerin mit Sorge. Immer wieder fällt da der Ausdruck: Prioritäten setzen.

Was ihre Zeit als Geschäftsführerin ebenfalls geprägt hat: Netzwerke zu schaffen und zu nutzen. Die 63-Jährige ist eine, die in Kontakt bleibt – mit den Gemeindepfarrern genauso wie mit Kollegen in anderen Beratungsstellen. So entstand der "Gemeindepsychiatrische Verbund Enzkreis/Stadt Pforzheim", in dem vorhandene Angebote gebündelt und ausgebaut wurden. "Das war 2008 ein Novum." Und 2017 fusionierten die Diakonische Bezirksstelle Mühlacker und das Diakonische Werk-Pforzheim-Land. Das sei wie eine Betriebsübergabe gewesen, erinnert sich Hötger. Plötzlich lief alles über ihren Tisch.

Die Aufgaben hören nicht auf: "Der Diakonieverband braucht ein neues Zuhause", sagt Hötger. Bisher befindet sich der Sitz in der Pforzheimer Lindenstraße. Darum allerdings muss sich ein anderer kümmern: Hötgers Nachfolger Markus Kolb, der am Mittwoch seinen Dienst antrat. "Ich hab das Gefühl, ein gut bestelltes Feld zu übergeben", sagt die Neu-Rentnerin. Zumal auf ihre Mitarbeiter Verlass war und ist. "Ich kann gut gehen."

Die Entscheidung dazu hatte sie bereits vor zwei Jahren getroffen. Der Zeitpunkt fühlte und fühlt sich richtig an. Auch wenn Doris Hötger nach so langer Zeit als Geschäftsführerin sagt: "Das muss man erst einmal an sich hinlassen." Von 150 Prozent Verantwortung auf null sei eine Umstellung. Zumal auch ihr Mann am 31. März seinem Berufsleben Adieu sagte.

Die Kinder sind längst erwachsen, nun haben die Hötgers Zeit für Dinge, für die bisher eher wenig Zeit blieb. Das Fahrradfahren wolle sie beispielsweise intensivieren. Dasselbe gilt für die Pflege der sozialen Kontakte oder für Reisen – doch da macht zumindest derzeit Corona einen Strich durch die Rechnung. Grund zur Freude hat das Ehepaar dennoch: Mitte April werden die beiden zum ersten Mal Großeltern. Auch im Ruhestand gibt’s also genug zu tun.