Passanten wirken eingeschüchtert und halten Distanz. Weitere Aktionen bereits in Planung.
Pforzheim - Schon lange, bevor die Emotionen bei der Koran-Verteilaktion der vom Bundesinnenministerium als extremistisch eingestuften Salafisten in der Pforzheimer Innenstadt hochkochen, ist die Stimmung angespannt. Polizisten in Uniform und Zivil sondieren die Lage rund um die Statue des "Dicken", die Vorhut eines ARD-Teams behält den Platz im Blick.
Unscheinbar und spartanisch ist der Stand, den zwei junge Männer mit Käppi und in Kaftan gegen Mittag aufbauen. "Der edle Qu’ran – die ungefähre Bedeutung in deutscher Sprache" steht auf den in Folie eingeschweißten Büchlein, die sie bereitlegen. Ein Wäschezuber im Kofferraum eines Kleinwagens mit Germersheimer Kennzeichen birgt Nachschub.
Zunächst sieht es so aus, als würden ihn die Männer nicht brauchen. Gähnende Leere herrscht am Stand. Nur vereinzelt greifen Passanten zu. Ein wenig verlassen wirken der bärtige und der dunkelhäutige Mann.
Das ändert sich, als das TV-Team, das für einen längeren Beitrag zum Thema dreht, den Stand in den Fokus rückt. Immer größer wird die Menschentraube, immer hitziger die Atmosphäre. Konkrete Fragen zur Person oder zu ihrem Wertesystem blocken die Männer ab. Es kommt zu Provokationen. Mehrmals hält einer der Salafisten einen Koran dicht vor die Kameralinse. "Ich habe das Recht, hier zu stehen", sagt sein Begleiter und an die Adresse des ARD-Reporters: "Wenn Sie Ihre Zeit vergeuden wollen, stellen Sie Ihre Fragen gegen eine Wand." Steht die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam, für Salafisten über dem Grundgesetz? Haben Frauen bei ihnen weniger Rechte? Die Männer schweigen oder polemisieren. "Ich bin mit dem Auto gekommen, nicht mit dem Kamel", meint der Bärtige. Dass sie der hiesigen Baraka-Moschee angehören, streiten sie ab. Der Dunkelhäutige bestätigt lediglich, Pforzheimer zu sein.
Wenn es aber ums Paradies und den wahren Glauben geht, sprudelt es aus den ultrakonservativen Islamisten heraus. Vor allem eine Frau mit Kopftuch, die ein Kleinkind auf dem Arm trägt, verkündet lautstark ihre Thesen.
Viele Passanten wirken zusehends eingeschüchtert und halten Distanz. Dazu trägt sicher bei, dass die Männer immer wieder eine Kamera zücken und insbesondere die Medienvertreter fotografieren. Regelmäßig sprechen sie in ihre Mobiltelefone.
"Man weiß nie, was da noch passieren kann", sagt eine Frau, die nicht genannt werden will. Ein Pforzheimer muslimischen Glaubens sagt, er schäme sich für die Aktion, die der überwiegende Teil der Muslime verurteile. Auch er zieht sich rasch wieder zurück. Eine Frau aber stellt sich der Diskussion. Sie habe ihre Tochter an die Salafisten verloren, sagt sie. Diese gingen sektenmäßig vor. Es sei äußerst schwierig, diese Gruppe wieder zu verlassen.
Laut Polizeisprecher Frank Otruba wurden für die kommenden vier Wochen solche Veranstaltungen angemeldet. Auch dann werde die Polizei auf der Hut und wachsam sein.
Die Bilanz zum Auftakt: Von 50 Menschen, die am Stand stehen geblieben sind, spricht die Polizei. Die Beamten hätten sich im Hintergrund gehalten und nicht eingreifen müssen.