Blick auf das zerstörte Pforzheim nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Mehr als 17.600 Menschen sterben bei Bombenangriff im Februar 1945. Keine Vereinnahmung durch Rechtsextreme.

Pforzheim - Mehr als 17.600 Menschen sterben in Pforzheim bei einem Bombenangriff im Februar 1945. Die Menschen halten auch 75 Jahre später das Gedenken wach und wehren sich gegen die Vereinnahmung durch Rechtsextreme.

Die schrecklichsten Stunden der Pforzheimer Geschichte beginnen am Abend des 23. Februar 1945. Die Stadt an Enz und Nagold liegt nach einem Bombenhagel in Schutt und Asche. Rund 17.600 Menschen sterben innerhalb kurzer Zeit. Auch am 75. Jahrestag der Zerstörung erinnern Stadt und Bürger wieder an den Wert des Friedens. Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) lädt zur zentralen Gedenkfeier am Nachmittag auf den Hauptfriedhof. Das Programm, das den ganzen Tag über von verschiedenen Gruppen gestaltet wird, legt diesmal Schwerpunkte auf "Verantwortung" und "Toleranz".

Am Abend werden sich wieder Hunderte Menschen mit brennenden Kerzen zum "Lichtermeer" auf dem Marktplatz einfinden. Boch wird sprechen, es wird den Segen der verschiedenen Religionen geben, und zur Erinnerung an die Minuten des verheerenden Luftangriffs sollen die Glocken der Pforzheimer Kirchen zwischen 19.50 Uhr und 20.10 Uhr läuten.

Frieden und Toleranz keine Selbstverständlichkeit

Nach Bochs Überzeugung geht vom 75. Jahrestag der Bombardierung Pforzheims die Botschaft aus, "dass Frieden und Freiheit nichts Selbstverständliches sind, sondern wir immer wieder aufs Neue darum kämpfen müssen." Umso wichtiger sei es, dass wir uns allen Tendenzen entgegenstellen müssen, die mit Polarisierung, Extremismus, Intoleranz, Antisemitismus und Hass verbunden sind, teilte Boch mit.

All diese Entwicklungen hätten zur nationalsozialistischen Diktatur geführt und damit letztlich zur Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Shoa. "Als Demokraten müssen wir uns daher klar und unmissverständlich allen politischen und religiösen Extremisten und den Feinden einer pluralistischen, toleranten und demokratischen Gesellschaft entschlossen entgegenstellen."

Boch hatte im vergangenen Jahr bei der Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof dazu aufgerufen, das Erinnern nicht ins Vergessen abreißen zu lassen. Je weiter das Ereignis in der Vergangenheit liege und je weniger Zeitzeugen es gebe, desto mehr gelte es künftig "für uns Nachgeborene, die Erinnerung an Pforzheim am 23. Februar 1945 und an das damit verbundene Leid zu bewahren".

Wie in jedem Jahr wird auch diesmal eine Gruppe aus dem extrem rechten Spektrum mit Fackeln auf den Wartberg am Nordrand des Enztals ziehen, um ihre Sicht auf die Bombardierung deutlich zu machen. Weil das regelmäßig Gegendemonstranten von der linken Seite auf die Straße bringt, wird auch in diesem Jahr die Polizei mit einem großen Aufgebot präsent sein. So war in der Vergangenheit der 23. Februar, an dem des Grauens des Krieges gedacht wird, in Pforzheim nicht immer frei von Gewalt.

Das Konzept, die Gruppen strikt voneinander zu trennen, gehe aber schon seit Jahren auf, sagt ein Sprecher der Polizei. Die Fackelträger kamen zuletzt auf kaum 100 Teilnehmer, die Gegendemonstranten zählten ein Vielfaches davon.

Luftangriff zerstört zwei Drittel der Stadt

Beim dem Luftangriff am Abend des 23. Februar 1945 wurden rund zwei Drittel des Stadtgebiets zerstört. Die Bombardierung selbst dauerte nur 22 Minuten. Pforzheim war vor allem wegen seiner feinmechanischen Industrie, die unter anderem Zünder für Bomben und Granaten produzierte, und der Eisenbahnanlagen zum Ziel geworden. Nach Angaben des Stadtarchivs hatten 368 Flugzeuge der Royal Air Force 1575 Tonnen Bomben abgeworfen, darunter Spreng- und Brandbomben sowie Luftminen. Die eng bebaute Stadt brannte auf einer Fläche von drei mal eineinhalb Kilometern nieder.

Die Folgen der Zerstörung sind noch heute deutlich im Stadtbild zu erkennen. Beim Wiederaufbau wurde der mittelalterliche Grundriss zugunsten breiter Straßen aufgegeben. In der Innenstadt dominieren die schmucklosen Fassaden der Nachkriegsjahrzehnte. Das neue Rathaus im Brutalismus-Stil mit Sichtbetonwänden entstand ab Ende der 60er Jahre. Aktuell bemüht sich Pforzheim um eine Modernisierung und Belebung der Innenstadt, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Das Projekt Innenstadtentwicklung-Ost ist nach Angaben der Verwaltung im Zeitplan.