Elefanten sind verspielt Foto: dpa

Die Elefantenkühe Zella und Pama sind versorgt. Markus Koch hat jetzt Zeit für ein Interview. Im Aufenthaltsraum der Elefantenpfleger kann er die Dickhäuter auf einem Monitor beobachten.

Die Elefantenkühe Zella und Pama sind versorgt. Markus Koch hat jetzt Zeit für ein Interview. Im Aufenthaltsraum der Elefantenpfleger kann er die Dickhäuter auf einem Monitor beobachten.
 
Herr Koch, wie war Ihre erste Begegnung mit den Elefanten?
Gewaltig. Wenn die Tiere vor einem stehen und man sich vorstellt, dass man mit diesen Tieren arbeiten wird. Wenn man sieht, wie so ein riesiges Tier auf die Kommandos des Chefs reagiert, sich morgens beim Waschen hinlegt, dann denkt man, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Man kann sagen, man möchte Elefantenpfleger werden, aber es ist immer so, dass sich das Tier den Pfleger aussucht.
Wie macht das der Elefant?
Es ist ein laufender Prozess. Bei mir hat das anderthalb Jahre gedauert, bis mich die damalige Leitkuh Molly akzeptiert hat. Dann konnte sie mich wohl gut riechen.
Wie zeigt das der Elefant?
Molly ist auf mich schneller als sonst zugelaufen, mit abstehenden Ohren, und fing an zu brüllen. Dann bin ich mit ausgebreiteten Armen auf sie zugelaufen, hab’ meine Stimme erhoben und gesagt, was willst du eigentlich von mir? Anderthalb Meter vor mir hat sie angehalten, mich angeguckt, dann drehte sie um und ging. Da wusste ich, jetzt hat sie ausgetestet, wie weit sie bei mir gehen kann. Jetzt hat sie akzeptiert, dass ich über ihr stehe. Von da an konnte ich mich frei bewegen bei den Elefanten. Davor musste ich mich jeden Tag aufs Neue beweisen. Und jeden Tag sagen, nein, heute geht es nicht so, stell dich richtig hin, mach, was ich sag. Hat sie es gut gemacht, gab es eine Belohnung. Wenn sie es nicht gut gemacht hat, gab es eine Bestrafung, indem es keine Belohnung gegeben hat. Zella merkt schnell, wenn sie Blödsinn gemacht hat und man sie ignoriert. Dann kommt sie angeschlichen, tätschelt einen mit dem Rüssel und sagt: Ey, komm, sei wieder Freund mit mir.
Was lassen sich Elefanten Blödes einfallen?
Futter klauen, Schubkarren umwerfen, etwas, von dem sie wissen, dass sie es nicht dürfen. Wir vergleichen sie mit sechs- bis achtjährigen Kindern, die jeden Tag testen, ob du es heute erlaubst oder nicht erlaubst.
Also verläuft jeder Tag anders.
Der Ablauf ändert sich nicht, aber die Reaktion des Elefanten. Man merkt morgens schon beim Ausmisten, wie das Tier drauf ist. Besonders fasziniert hat mich am Anfang, dass jeder Elefant einen eigenen Charakter hat. Der eine tat gleich, was man ihm sagte; der andere tat erst mal so, als hätte er nichts gehört. Man muss mit den Tieren arbeiten.
Heißt das, ihnen auch etwas beizubringen? Damit sie auf Kommando reagieren?
Sie beherrschen ungefähr 20 Kommandos. Die Elefanten Zella und Pama sind mit vier, fünf Jahren in die Wilhelma gekommen. Die konnten alle Kommandos, nur halt nicht von mir. Sagte der Chef, „go back“, dann haben die das gemacht. Die mussten erst lernen, aha, der darf mir auch was sagen.
Bei den Kommandos geht es um Gehorsam?
Ja. Wir machen keine Zirkusdressur. Bei uns muss sich kein Elefant hinsetzen, einen Kopfstand machen oder sich auf den Rücken eines anderen Elefanten stellen.
Aber das ist doch eine Nummer: Sie schütten das Futter hin, und beide Wilhelma-Elefanten stehen mit erhobenem Rüssel gleichzeitig auf den Hinterbeinen.
Das Kommando heißt „Rangu lift“. Rangu heißt Rüssel hoch, lift bedeutet Bein hoch.
Eine artige Danke-schön-Nummer.
Nein. Das ist so, damit nicht einer früher als der andere zu essen anfängt. Erst wenn ich das Kommando gebe, dürfen sie fressen. Damit sie zusammen essen. Damit sich keiner benachteiligt fühlt. „Go back“, „down“, das sind Gehorsamkommandos.
In Englisch.
Man nennt es internationale Elefantensprache. Deutsch, Englisch, ein wenig Singhalesisch. Und ein bisschen Schwäbisch. Ich denke, die verstehen jedes Wort. Wenn ich sag, Mann, steh doch nicht auf dem Schlauch rum, dann hebt der Elefant den Fuß.
Für mich sah es so aus, als wollten die Elefantendamen Ihnen zeigen, an welcher Stelle Sie sie abduschen sollen.
Sagen wir so: Sie wissen, wie es abläuft, aber wir versuchen jeden Tag, die Abläufe anders zu gestalten. Die Rituale ändern sich nicht, aber die Reihenfolge. Damit kein Automatismus aufkommt.
Was tun Sie, wenn die Tiere keinen Bock haben, Ihre Kommandos auszuführen?
Man muss sich durchsetzen. Ich vergleiche das mit der Hundehaltung. Ich gebe das Kommando einmal leise. Beim zweiten Mal ein bisschen energischer. Wenn das nicht hilft, was selten der Fall ist, dann müssen wir das mit dem Elefantenhaken korrigieren.
Was ist das?
Unsere Hundeleine. Ein Stock mit einem Haken an der Spitze. Aus Eisen. Nicht spitz, sondern stumpf. Ich kann den Elefanten korrigieren, indem ich ihn zu mir herziehe. Oder von mir wegdrücke. Meistens am Unterkiefer, wo Knochen sind. Nur im äußersten Fall greifen wir zum Haken.
Haben Sie körperliche Aggressivität von Elefanten erlebt?
Unsere beiden Elefantenkühe sind sich nicht ganz grün. Manchmal sind es Zicken, wenn es darum geht, wer zuerst ins Haus darf zum Fressen. Da kann es rabiat zugehen.
Ich meine Aggressivität gegenüber Pfleger?
Toi, toi, toi. Bei uns ist nie etwas passiert.
Ein Elefantenpfleger erzählte mir, dass er sich gegen einen aggressiven Bullen mit der Eisenstange verteidigen musste. Neulich erst gab es den Übergriff eines Elefanten.
Ja, jährlich verunglücken vier, fünf Elefantenpfleger in Zoos, in Safari- oder Tierparks tödlich. Auch im Zirkus.
Wenn ein Elefant ausrastet?
Es passiert auch unabsichtlich. Es gibt eine goldene Elefantenpfleger-Regel: Steh nie zwischen Wand und Elefant. Elefanten sehen relativ schlecht. Wenn er mit seinen vier Tonnen einen Schritt zur Seite macht, dann ist man platt wie eine Briefmarke. Elefanten sind sich ihrer Kraft bewusst, sie wissen, dass sie stärker sind als Menschen.
Die Elefanten haben gelernt, auf Ihre Kommandos zu hören. Haben Sie etwas von den Elefanten gelernt?
Gelassenheit. Die Gelassenheit, den Tag zu genießen. Und wenn man sich aufregt, dann auch schnell wieder abregen.