Baden-Württembergs „First Lady“ Gerlinde Kretschmann sprach bei der zweiten kommunalen Pflegekonferenz des Landkreises mit viel Empathie über das Thema Demenz. Vom Veranstaltungsort, dem neuen Campus für Pflege Nordschwarzwald in Freudenstadt, zeigte sie sich beeindruckt.
Die Pflegekonferenz als Auftaktveranstaltung für die „Wochen der Pflege“ wurde im neuen Campus für Pflege Nordschwarzwald abgehalten. Die Besucher hatten die Gelegenheit, sowohl den Campus und die dort angebotenen Ausbildungen als auch den Verein Sozialer Dienstleister (VSD) und die Arbeitskreise der kommunalen Pflegekonferenz kennenzulernen.
Auch Hauptrednerin Gerlinde Kretschmann nahm sich mit Schirmherrn und Landrat Klaus Michael Rückert und Hans-Henning Averbeck, Leiter des Campus, viel Zeit für einen Rundgang. Dabei stellte sie den Vertretern der Arbeitskreise und dem Pflege-Nachwuchs viele Fragen und zeigte großes Interesse. Kretschmann wurde auf Initiative von DRK-Kreissozialleiterin Marion Schmid für die Veranstaltung gewonnen. Sie ist Mitglied im Kuratorium der Alzheimer-Stiftung Baden-Württemberg.
Was im Landkreis an Initiativen rund ums Thema Pflege bereits vorhanden sei, beeindrucke ihn sehr, sagte Rückert in seiner Begrüßung und brachte damit zum Ausdruck, was auch Kretschmann beim Rundgang empfunden hatte.
Kretschmann betont: Fürsorge brauchen auch die Angehörigen
„Ich bin beeindruckt von diesem Gebäude und dem Geist, der hier ausstrahlt“, betonte sie. Ihrem Eindruck nach herrsche an diesem Ort kein Pflegenotstand, sondern ein „Pflegegutstand“. Beim Anblick der motivierten Auszubildenden blicke sie zuversichtlich auf das eigene Alter – „wobei ich und mein Mann ja bereits in dem Alter sind, in dem man ‘älter‘ ist“, ergänzte sie schmunzelnd.
Kretschmann hatte das Thema „Demenz – Eine Herausforderung für Angehörige. Eine Gratwanderung zwischen Zuwendung und Abgrenzung“ für ihren Vortrag gewählt. Sie sei keine Expertin, kenne aber Menschen, die an Demenz erkrankt sind, bekannte sie. Einer von ihnen war ihr Vater.
Früher habe man die Erkrankten nicht als dement, sondern eher als „verkalkt“ wahrgenommen und ihnen auch vieles nachgesehen. Heute sei das anders. „Unsere Gesellschaft ist heute eher auf dem ‘Jung, gesund, schön‘- als auf dem ‘Alt, krank und womöglich noch verkalkt‘-Trip“, sagte Kretschmann.
Die Gesellschaft werde aber immer älter und die Gefahr der Demenz damit größer. Pflege und Fürsorge bräuchten nicht nur die Erkrankten, sondern auch die Angehörigen. Es sei ein Unterschied, ob man sich um ein Baby kümmere, das Fortschritte mache – oder eben um einen alten Menschen, bei dem das Gegenteil der Fall sei. „Das muss man auch verkraften können.“
Kretschmann schilderte authentisch und mit viel Empathie, wie schwierig die Demenzerkrankung ihres Vaters, ein einst anpackender und mitten im Leben stehender Mann, für sie war. Damals habe der Familie fachlich kompetente Unterstützung gefehlt. „Wir haben es halt irgendwie gelernt, wie wir uns ihm gegenüber verhalten müssen“, erinnerte sie sich. Dabei hätten eigentlich schon einfache Verhaltensregeln gereicht, die Situation zu erleichtern. Die gab es aber nicht. Umgekehrt spüre auch der Erkrankte, ob man sich ihm geduldig oder eben eher ruppig zuwende, nur weil man sein Verhalten vielleicht nicht verstehe.
Begegnungsorte und ehrenamtliche Alternativen von Bedeutung
Mit gewissem Humor schilderte Kretschmann auch die eigene Angst, an Demenz zu erkranken. Man müsse sich mit dem Thema auseinandersetzen – „ob wir wollen, oder nicht“. Wichtig seien Begegnungsorte, an denen sich alte und erkrankte Menschen auch austauschen könnten. Es sei dann völlig egal, wenn sie sich fünf Mal die gleiche Krankheit erzählten.
Hilfreich seien auch ehrenamtliche Initiativen wie die Nachbarschaftshilfe. Sie ermöglichten es, die Erkrankten und Pflegenden in der Mitte der Gesellschaft zu behalten. Was Angehörige ebenfalls bräuchten, sei der Austausch, um mit der Situation klarzukommen.
Kretschmann informierte über die Impulskampagne Demenz der Alzheimer-Gesellschaft und Tipps, die Pflegenden und Betroffenen den Alltag erleichterten. Am Ende dankte sie den im Campus anwesenden Gruppierungen: „Sie machen einen ganz wichtigen Job und helfen, dass unsere Gesellschaft auch menschlich bleibt.“
Wochen der Pflege gehen noch bis zum 22. November
Weitere Vorträge
Hans-Henning Averbeck stellte den Campus für Pflege Nordschwarzwald, seine Historie und die dort vermittelten Ausbildungen vor. Einblicke in den Verein sozialer Dienstleister (VSD) gewährte der Vorsitzende Uwe Raible. Die Vorstellung des Demenz-Netzes übernahm Oberarzt Alexander Menges vom Klinikum für Psychiatrie in Freudenstadt. Der Leiter des Geriatrischen Schwerpunkts am Klinikum Freudenstadt, Klaus Rademacher, sprach über die ambulante Ethikberatung. Die Vorstellung des Arbeitskreises Runder Tisch palliative Versorgung übernahm Klinikseelsorgerin Gisela Ehrhardt. Für die Musik vor, zwischen und nach den Vorträgen sorgte die Band Feldsonne & Friends.
Kommunale Pflegekonferenz
Ihr Hauptziel ist die Vernetzung der Akteure im Umfeld der Pflege und die Abstimmung der Angebote auf die Bedarfe der Menschen vor Ort. Sie sind ein wichtiger Baustein dafür, pflegerische Strukturen weiter auszubauen. Durch das Landespflegestrukturgesetz wurde dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen.
Wochen der Pflege
Vom 14. Oktober bis 22. November finden insgesamt 27 Veranstaltungen und Vorträge rund um das Thema Alter, Demenz, Pflege und Sterben statt.