Nach Lösungen suchen Florije Sula (von links), Markus Schrieder und Michael Werler von der evangelischen Altenhilfe. Foto: Moser

Wie sieht die Zukunft der Pflege aus? Davon hat die evangelische Altenhilfe St. Georgen eine ziemlich genaue Vorstellung. Und auch wenn der Weg dahin arbeitsintensiv ist – so pessimistisch wie andere ist Geschäftsführer Markus Schrieder längst nicht.

St. Georgen - Eine Altenpflegeeinrichtung mit einer Entwicklungsabteilung? Dafür hat Markus Schrieder, Geschäftsführer der evangelischen Altenhilfe St. Georgen, schon den einen oder anderen ungläubigen Blick geerntet. "Manchmal werden wir dafür belächelt", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion, "aber uns geht es gut damit." Die Abteilung wird gebraucht, ist man sich bei der evangelischen Altenhilfe sicher, um Lösungen für die Probleme, die in den kommenden Jahren in der Pflege bevorstehen, zu finden. "Es ist auch in Zukunft noch möglich, würdig gepflegt zu werden", betont Schrieder – aber eben nicht, ohne dass die Pflegeeinrichtungen "immens über den Tellerrand hinaus blicken. Und das tun wir hier."

Ausgangspunkt für den Ausblick ist dabei die aktuelle Situation. Schon heute findet Pflege vor allem im häuslichen Umfeld statt: Von aktuell rund 4,6 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wird nur etwa ein Viertel stationär in Pflegeheimen betreut. Um knapp ein Fünftel kümmert sich ein Pflegedienst; der Rest wird von Angehörigen versorgt. Das zeigt, betont Schrieder, "dass Pflege schon heute vor allem ambulant ist". Ein Zustand, der sich aus Sicht der evangelischen Altenhilfe in den kommenden Jahren noch verschärfen wird – zumal erwartet wird, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 deutschlandweit auf rund sechs Millionen erhöhen wird.

Kostensteigerungen auch bei Pflegeheimen

Noch mehr Pflegebedürftige also – und damit auch noch mehr Menschen, die im häuslichen Umfeld gepflegt werden. "Denn so viele Pflegeheime können wir gar nicht bauen", verdeutlicht Schrieder. Ganz abgesehen davon, dass sich stationäre Pflege – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen – verteuere. "Die Kosten in den Heimen steigen exorbitant an", sagt Schieder. Ein weiterer Grund, wieso Pflege im häuslichen Umfeld an Bedeutung gewinne. Obwohl stationäre Pflege weiterhin wichtig bleibe – das wolle er gar nicht in Abrede stellen, betont Schrieder –, sei die Lösung für aktuelle und künftige Probleme in der Pflege eine andere.

Erschwerend komme hinzu, erklärt Michael Werler, bei der evangelischen Altenhilfe als Projektmanager angestellt, dass Plätze in Altenheimen "blockiert" werden. Das bedeutet, dass Menschen, die eigentlich noch gut in ihrem häuslichen Umfeld gepflegt werden könnten, einen Platz in einem Pflegeheim haben – und dass im Gegenzug andere Menschen, die diesen Platz dringend benötigen würden, keinen Zugang zu den Einrichtungen haben.

Hilfestellungen für Angehörige

"Wir haben eine Warteliste mit 250 Plätzen", sagt Schrieder – "das ist kein Grund, um stolz zu sein, sondern eher ein Grund, um Lösungen zu entwickeln". Diese Ansätze rücken dann die ambulante Pflege in den Vordergrund. Eine der zentralen Fragen: Welche Hilfestellungen und Rahmenbedingungen brauchen pflegende Angehörige, um ihren wichtigen Beitrag zu leisten?

Als Antwort darauf hat die evangelische Altenhilfe ein Modell für ein "Case Management", zu Deutsch Fall-Management, entwickelt. "Wir müssen viel mehr in die Tiefe gehen", betont Schrieder – und den zu Pflegenden genauso wie sein Umfeld inklusive des pflegenden Angehörigen ganzheitlich betrachten.

Vier Bereiche sollen zum Erfolg führen

Konkret teilt sich dieses Modell in vier Bereiche: Die Angehörigen müssen für wichtige Aufgaben und ihre Rolle sensibilisiert werden, "weil der Pflegedienst, der am Tag nur für kurze Zeit vor Ort sein kann, auf das Umfeld des zu Pflegenden angewiesen ist", wie Schrieder erklärt. Punkt zwei ist die Befähigung der Angehörigen – zum Beispiel, indem einzelne medizinische Prozeduren risikofrei mithilfe von virtueller Realität bei der evangelischen Altenhilfe erlernt werden können.

Zentral ist auch Sicht der evangelischen Altenhilfe auch die Entlastung der pflegenden Angehörigen, etwa mithilfe von planbarer Tagespflege, die es den Angehörigen ermöglicht, auch einmal Urlaub zu machen. Ein entsprechendes Angebot gibt es bei der evangelischen Altenhilfe in St. Georgen seit diesem Jahr. Die zwei Zimmer würden gut angenommen, sagt Schrieder, sodass es im kommenden Jahr vielleicht schon vier werden könnten und bis in fünf Jahren – sollte die Nachfrage so groß sein – sogar 15. Abgerundet wird das Konzept der evangelischen Altenhilfe durch Punkt vier: die Vernetzung aller Akteure. Immer mehr wolle man hier auch das Umfeld, also etwa die ganze Kommune, ins Boot holen, um von Synergien zu profitieren.

Zu Beginn ist Mut erforderlich

Mit diesem Modell hat sich die evangelische Altenhilfe auf den Weg gemacht, Lösungen für die Probleme in der Pflege zu entwickeln: "Man braucht den Mut dazu, sich aufzumachen", sagt Florije Sula, Geschäftsführerin der evangelischen Altenhilfe. Diese Schwelle müsse man überschreiten, was natürlich auch mit Kosten verbunden sei. "Aber wenn man unterwegs ist, ist es eigentlich ein Selbstläufer."