Am kommenden Wochenende gedenkt Köln des Nagelbombenanschlags vor zehn Jahren. Foto: dpa

Köln gedenkt am kommenden Wochenende des Nagelbombenanschlags vor zehn Jahren - und feiert ein buntes Kulturfest. BAP und Udo Lindenberg treten auf, Zehntausende werden erwartet. Die Opfer haben gemischte Gefühle - aber die Party finden sie gut.

Köln gedenkt am kommenden Wochenende des Nagelbombenanschlags vor zehn Jahren - und feiert ein buntes Kulturfest. BAP und Udo Lindenberg treten auf, Zehntausende werden erwartet. Die Opfer haben gemischte Gefühle - aber die Party finden sie gut.

Köln - Am Pfingstmontag ist es genau zehn Jahre her, dass vor dem Friseursalon von Özcan Yildirim in der Kölner Keupstraße eine Bombe explodierte. Wenn er heute daran denkt - und er muss sehr oft daran denken, wie er sagt - dann hat er immer dieselben Bilder im Kopf: „Der kaputte Laden. Die blutenden Leute.“ Zehn Jahre sind eine lange Zeit, aber überwunden ist nichts. „Das kommt nicht raus“, sagt Yildirim (45). Es hat sich festgesetzt in seinem Kopf.

Köln gedenkt des Anschlags an diesem Wochenende mit einem dreitägigen Kulturfest. Höhepunkt ist eine Kundgebung am Montag, die von Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet wird. Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken und viele andere gestalten das Programm. Es soll ein Fest werden, eine Party. Das Motto „Birlikte“ ist türkisch und bedeutet „gemeinsam“. Allein am Montag werden 70.000 Besucher erwartet.

Yildirim findet das gut und wird dabei sein. Bei der Bewältigung des Anschlags helfe es ihm aber nicht. Helfen würde ihm eine harte Bestrafung der Täter, sagt er. Sieben Jahre glaubte die Polizei nicht an einen rechtsextremen Hintergrund der Tat, sondern eher an Schutzgelderpressung oder eine Abrechnung im kriminellen Milieu. „Mafia“, mit diesem Wort beschreibt Yildirim die Richtung, in die die Polizei ermittelte. „Sieben Jahre. Immer Mafia.“ Extrem frustrierend war das für ihn. Erst Ende 2011 wurde deutlich, dass die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wohl auch für diesen Anschlag verantwortlich gewesen waren.

Fatma Akinci war gerade auf dem Weg in die Keupstraße, als es knallte. „Den Knall hab’ ich noch im Kopf - Bumm!“ Zum Glück sei sie nicht eher von zu Hause losgegangen, sonst wäre sie genau dort gewesen, wo die Bombe hochging. 22 Menschen wurden verletzt, manche von ihnen lebensgefährlich.

Gauck ist am Pfingstmontag auch vor Ort

Heute arbeitet Akinci bei einem Juwelier direkt gegenüber dem Tatort. „Man hat wirklich Angst“, sagt sie. „Das kann ja auch nochmal passieren.“ Von dem Kulturfest ist sie begeistert: „Das ist echt super. Wir machen alles mit.“ Dass der Anlass sich nicht zum Fröhlichsein eigne, findet sie nicht: „Es ist zwar traurig, aber wir können froh sein, dass wir heute zusammen feiern können. Es hätte auch noch viel schlimmer kommen können.“ Experten haben es immer wieder als ein Wunder bezeichnet, dass bei dem Anschlag niemand ums Leben kam.

Muharrem Kaya hat die zehn Zentimeter langen Eisennägel aus der Bombe an jenem 9. Juni 2004 auf der Straße liegen sehen. „Überall Nägel! Wenn der Bus da nicht gestanden hätte, wäre es noch viel schlimmer gewesen. Der Bus hat viel abgehalten.“ Er besaß damals ein Café, direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Heute ist er 72 und Rentner. „Sowas kann überall passieren“, sagt er.

Wie Kaya lebt auch Cemal Yavuz schon seit über 50 Jahren in Köln. „Ich habe etwas zu sagen“, kündigt er an, während er aus dem „Café Paradies“ tritt. In Deutschland, so sagt er, gebe es viele gute Dinge. „Es gibt hier Demokratie und Ausländer-Paragrafen.“ Aber das Leben mit den Ausländern, das müssten manche Deutsche noch lernen. Es fange schon mit dem Wort „Ausländer“ an. „Es ist ein schlechtes Wort“, findet er. „Das sollte man nicht benutzen.“

Am Pfingstmontag wird Joachim Gauck wohl für ein paar Minuten zu Özcan Yildirim in den Friseursalon kommen. Yildirim hat gehört, dass er sich dann kurz allein mit ihm unterhalten kann - ohne Kameras, ohne Reporter. Was er ihm sagen wird, muss er sich noch überlegen. „Aber wenn ich es dann weiß, werde ich es ihm sagen. Nur ihm - und nicht den Medien.“