Alle drei Monate ereignet sich in Europa durchschnittlich ein Lebensmittelskandal. Und wie im aktuellen Fall um falsch gekennzeichnetes Rindfleisch reagieren die Politiker gern mit Aktionsplänen. Doch was hat der Verbraucher davon? Ein Überblick.

Pferdefleisch

Der Skandal: Von England ausgehend wurde vor einem Monat bekannt, dass in Fertiggerichten Pferdefleisch als Rinderhack ausgegeben wurde. Die Liste betroffener Produkte in deutschen Supermärkten wird täglich länger. Sie findet sich unter www.vz-bawue.de. Am Montag gab das Landes-Verbraucherschutzministerium bekannt, dass auch im Südwesten falsch deklariertes Pferdefleisch in den Regalen gelegen habe. In9 der 37 Proben, die von den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern untersucht worden waren, wurde Pferdefleisch gefunden. Sie gehen auf die bereits bekannten Lieferanten in Luxemburg und Frankreich zurück. Nach wie vor besteht in Deutschland keinerlei Gesundheitsgefahr. Reste von Medikamenten, mit denen einige Pferde in England behandelt wurden, konnten die Labortests bislang nicht nachweisen.

Die politische Reaktion: Zehn Punkte umfasst der nationale Aktionsplan, den die Verbraucherminister der Länder am Montag in Berlin zusammen mit Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) vereinbart haben. Unter anderem sollen höhere finanzielle Sanktionen für Betrüger geprüft werden. Außerdem soll es zusätzliche Kontrollen geben. Verbraucher sollen über eine zentrale Internetseite mit Produktrückrufen besser informiert werden. Innerhalb der EU will sich Deutschland für eine Herkunftsbezeichnung für verarbeitete Fleischprodukte einsetzen. Bislang gibt es diese nur bei rohem Rindfleisch.

Ehec

Ehec

Der Skandal: Sprossen, die mit dem Darmbakterium Ehec kontaminiert waren, lösten im Frühjahr 2011 eine schwere Durchfall-Epidemie in Deutschland aus. 3824 Deutsche erkrankten, 53 Betroffene starben. Die Sprossen stammten aus Ägypten. Ein klassischer Lebensmittel-Skandal, hinter dem kriminelle Machenschaften stecken, war Ehec nicht.

Die politische Reaktion: Die Zulassungsfrist für Sprossenbetriebe sei EU-weit verschärft worden. Außerdem benötigten Leute, die Sprossen produzieren, eine spezielle Zusatzqualifikation, sagt Holger Eichele, Sprecher von Verbraucherministerin Ilse Aigner. Zudem wurden die Meldefristen für Erkrankungen verkürzt, die Länder informieren das zentrale Robert-Koch-Institut früher. „Aus unserer Sicht ist das noch immer nicht ausreichend. Die Gesundheitsämter sollten die Meldungen in maximal einem Tag von den Gesundheitsämtern direkt ans Robert-Koch-Institut leiten“, sagt Martin Rücker von der Verbraucherorganisation Foodwatch.

Dioxin

Dioxin

Der Skandal: Hunderte Tonnen von mit Dioxion belastetem Futter wurden von Ende 2010 bis Anfang 2011 an mehr als tausend Bauernhöfe geliefert und an Hühner, Puten und Schweine verfüttert. Dioxine sind chemische Verbindungen. Sie entstehen als giftiges Abfallprodukt, etwa bei der Verbrennung in der Industrie. Dioxine reichern sich im menschlichen Fettgewebe an und können zu chronischen Störungen des Immun- und Nervensystems sowie des Hormonhaushalts führen. Verbraucher konnten nur schwer in Erfahrung bringen, welche Betriebe betroffen waren – und ob sie belastete Lebensmittel gekauft hatten, weil sich die Behörden zunächst weigerten, die Namen der Dioxin-Höfe zu veröffentlichen.

Die politische Reaktion: „Obwohl von Anfang an keinerlei Gesundheitsgefahr bestand, wurden aufgrund des vorbeugenden Verbraucherschutzes über Nacht 4000 Höfe gesperrt“, sagt Holger Eichele vom Verbraucherministerium. Als Konsequenz aus dem Dioxinskandal hat Ministerin Aigner einen Aktionsplan mit 14 Punkten vorgelegt. Darin standen unter anderem eine stärkere Kontrolle der Futtermittelproduktion, eine stärkere Trennung zwischen Industrie- und Futtermittelfetten. Dazu ein Frühwarnsystem, um Verunreinigungen rasch zu erkennen, und eine umgehende, transparente Veröffentlichung der Verstöße für die Verbraucher. Obendrein härtere Strafen. „Wir haben diesen Plan in allen Punkten abgearbeitet“, so Eichele. Nach Auskunft der Verbraucherorganisation Foodwatch wurde nur ein Bruchteil der Punkte umgesetzt. „Die Maßnahmen regeln nur kleine Details und sind daher im Grunde völlig wirkungslos“, so Martin Rücker von Foodwatch. Im Falle eines neuen Dioxin-skandals würden die Verbraucher kaum besser informiert.

Antibiotika

Antibiotika

Der Skandal: Eine bundesweite Studie des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums zeigte Anfang 2012, dass deutlich mehr Antibiotika in Hähnchen-Mastbetrieben eingesetzt werden als bislang angenommen. In 83 Prozent der 962 untersuchten Mastdurchgänge wurden bis zu acht verschiedene Antibiotika gefunden. Häufig wurden diese nur wenige Tage eingesetzt. So kann ein Teil der Bakterien überleben und Resistenzen gegen das Antibiotikum entwickeln. Multiresistente Erreger entstehen, die auch für den Menschen gefährlich werden können.

Die politische Reaktion: „Antibiotika sind ein täglicher Missstand“, räumt Holger Eichele ein. Verbraucherministerin Aigner habe deshalb ein neues Arzneimittelgesetz ins Kabinett eingebracht, das den Antibiotika-Einsatz reduzieren und die Einnahme besser dokumentieren soll. Die Kontrolle sei jedoch weiterhin Ländersache. „Diese müssen die Kontrolleure jetzt auch auf die Höfe schicken und sich nicht hinter dem Bund verstecken. Wir haben kein Lebensmittel-FBI“, so Eichele. Rüdiger Rosenthal von der Naturschutzorganisation BUND hält die Gesetzesänderung im Grundsatz für gut – wenn sie denn mal verabschiedet werde. „Noch hängt es aber im Bundestag und im Bundesrat.“