Bürgermeister Dieter Bischoff gratulierte Erna Lange zum 95. Geburtstag. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder Bote

Jubilarin: Erna Lange feiert 95. Geburtstag / Ehemalige Wirtin des Gasthauses Grüner Kranz

Rüstig, geistig fit und gesundheitlich auf der Höhe beging die ehemalige Wirtin und Pensionsbesitzerin Erna Lange ihren 95. Geburtstag. Bürgermeister Dieter Bischoff überbrachte der Jubilarin die Grüße der Gemeinde Pfalzgrafenweiler samt Blumenstrauß und Präsent.

Pfalzgrafenweiler. Erna Lange bewohnt in der ehemaligen Gaststätte und Pension Grüner Kranz den einstigen Gastraum und die Räume daneben. Der Rest des Gebäudes wird zwischenzeitlich als Sammelunterkunft für Asylsuchende genutzt. Wirklich glücklich war die Seniorin nicht über die Entwicklung, die die beiden nebeneinanderstehenden Gebäude genommen haben.

Bürgermeister Dieter Bischoff empfängt sie bei seinem Gratulationsbesuch an der Tür mit den Worten "Ich habe eigentlich den Bischoff aus Stuttgart erwartet" und begleitet ihren Gast mit einem Lächeln ins ehemalige Lokal.

Geboren im Jahr 1924 und aufgewachsen im ostpreußischen Königsberg direkt an der Ostsee, arbeitete Erna Lange zunächst bei der Krankenkasse einer Schiffswerft. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs – sie war damals 19 Jahre – wurde sie zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und einigen Freundinnen mit einem Marine-Schulschiff in die Lübecker Bucht gebracht. Sie bedauerte sehr, dass ihr Vater damals nicht mitkommen konnte. Erst drei Jahre später erfuhr sie, dass er noch lebt.

Die Erzählungen aus dieser für sie schlimmen Zeit nehmen sie sehr mit, die Erinnerungen schmerzen, und sie unterbricht öfters, um sich wieder zu sammeln. Sie berichtet von Landgängen, die zum Einkaufen erlaubt waren, und darüber, dass sie einmal sieben Stunden Schlange stehen musste, um Brot zu bekommen.

Im holsteinischen Lübeck angekommen, wurden die Frauen damals auf Bauernhöfe verteilt. Dort hat Erna Lange zwei Jahre verbracht und steht mit den Menschen dort auch heute noch in Verbindung. Ihr weiterer Weg führte sie nach Porta Westfalica an die Bibelschule. Dort wurde sie ausgebildet. Nach ihrem Abschluss gab sie Religionsunterricht – in Neuenbürg im Nordschwarzwald.

Lange Zeit beherbergte sie Arbeiter

Im Alter von 60 Jahren – mittlerweile schrieb man das Jahr 1984 – hatte die immer auf eigenen Füßen stehende Frau weitere Pläne und wünschte sich ein Haus, in dem sie Leute aufnehmen konnte. In Pfalzgrafenweiler beherbergte sie Arbeiter aus dem Osten, die keine Arbeit mehr hatten. Auf beide Häuser verteilt, zählte sie insgesamt 16 Personen, die bei ihr unterkamen. Zwischenzeitlich wurde das Nebengebäude verkauft, dort leben Asylsuchende.

Ihre Schwester hat bis zu ihrem Tod vor vier Jahren mit ihr eine Wohngemeinschaft in Pfalzgrafenweiler gepflegt. Erna Lange lebt inzwischen alleine und versorgt sich auch selbst. "Ich lasse mich nicht hängen", lautet ihre Lebenseinstellung.

Ein typischer Tag in ihrem Leben beginnt mit einer ausgedehnten Zeitungslektüre, bevor sie sich Zeit fürs Frühstück nimmt. Danach liest Erna Lange in der Bibel und im kirchlichen Gesangbuch. Sie kocht auch noch selbst für sich. Die Zutaten holt sie mit dem Auto in den örtlichen Geschäften. "Ich fahre noch selber, und wenn’s mal sein muss, auch noch nach Freudenstadt", erzählt sie stolz. Sie ist auch noch flott im Vorlesen und demonstriert das eindrücklich. Dabei legt sie Wert auf sinngebende Betonung.