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Großbrand zerstört mehrere Hallen und Gebäudeteile / 350 Feuerwehrleute im Einsatz / Schaden in zweistelliger Millionenhöhe

Pfalzgrafenweiler - Die Testproduktion war vor einer Woche angelaufen: Nach eineinhalb Jahren Bauzeit stand der Neubau der Pfalzgraf Konditorei kurz vor der Inbetriebnahme. In der Nacht zum Sonntag wurde er bei einem Großbrand ein Raub der Flammen – und mit ihm weitere Gebäudeteile und Hallen der Großkonditorei.

"Es war so schön, aber jetzt ist es schon wieder kaputt – wir trauern glaub alle": So fasst ein Junge auf Facebook in einfache Worte, was in Pfalzgrafenweiler und Umgebung niemand begreifen kann. Seit Jahren hatte der Weg der Pfalzgraf Konditorei schnurstracks nach oben geführt, in den vergangenen Monaten noch deutlicher zu erkennen an dem weiteren, rund 122 Meter langen und 38 Meter breiten Neubau. Und das Unternehmen lag im Plan. Diesen Monat sollte der Bau fertiggestellt sein – und tatsächlich war an der Zeißstraße ein weiterer Bauabschnitt vollendet: Am Montag vergangener Woche lief die Testproduktion an.

Am Samstagabend dann der Schock. Gegen 21.45 Uhr brach ein Feuer aus. Ein Handwerker entdeckte die Flammen. Als der Brand ausbrach, waren Handwerksfirmen mit Reparaturen in verschiedenen Gebäudeteilen beschäftigt. Pfalzgraf-Mitarbeiter waren nicht im Gebäude, da die Produktion zu dieser Zeit nicht lief. Verletzt wurde nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei niemand.

Als die ersten Einsatzkräfte der Feuerwehr Pfalzgrafenweiler am Unternehmen eintrafen, stand die Produktionshalle schon voll in Brand und das Dach komplett in Flammen. Zunächst versuchte die Feuerwehr, den Brand auch im Gebäudeinneren zu bekämpfen, brach diesen Einsatz wegen Einsturzgefahr jedoch bald wieder ab, wie Feuerwehrsprecher Michael Krüger berichtet. "Eine erfolgreiche Brandbekämpfung ist aufgrund des Ausmaßes und der starken Hitzeentwicklung aktuell nicht möglich", hieß es zunächst in der Pressemitteilung der Polizei. Sieben Stunden lang brauchten die Feuerwehrleute, um den Brand unter Kontrolle zu bekommen.

Dirk Brünz ringt um Worte: "unglaubliche Unterstützung"

Schon in der Nacht war klar: Das Feuer hatte sämtliche Produktionsflächen zerstört, lediglich ein Teil des Verwaltungstrakts blieb verschont. In der Nacht ging Krüger von rund 300 Einsatzkräften der Feuerwehr aus den Kreisen Freudenstadt und Calw aus. "Zu 90 Prozent waren alle Wehren im Kreis Freudenstadt eingebunden", sagte er später. 50 Personen des Roten Kreuzes halfen bei der Absicherung und Verpflegung der Einsatzkräfte, die Polizei war mit 16 Beamten vertreten.

Thomas Sebold, Sprecher der Polizeidirektion Tuttlingen", schraubte am Sonntag die Zahl der Feuerwehrangehörigen auf 350 nach oben. Rund 50 Löschfahrzeuge aus den beiden Landkreisen waren vor Ort. Und er nannte noch zwei – traurige – Zahlen: Der Schaden liegt weit in zweistelliger Millionenhöhe, die Größe der Brandfläche bei 20 000 Quadratmetern.

Entsprechend groß war das Netz an Löschwasserschläuchen, das die Feuerwehr kilometerweit durch Pfalzgrafenweiler legte. Bei einem Brand dieses Ausmaßes gehe das Ortsnetz binnen Minuten in die Knie, erklärte Michael Krüger. "Deshalb mussten wir auch sämtliche Löschwasserbehälter in der Umgebung anzapfen." Wegen der starken Rauchentwicklung wurden die Anwohner von Pfalzgrafenweiler und Egenhausen aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Um 5 Uhr am frühen Sonntag waren die Flammen im Griff. Für die Einsatzkräfte begann die Nachlöscharbeit. Dabei half auch die Berufsfeuerwehr Karlsruhe, die dem Brand von oben mit einer Art Kran zu Leibe rückte. Sichtlich mitgenommen unterstützte Bürgermeister Dieter Bischoff in der Nacht und auch wieder am Morgen den Einsatzleiter der Feuerwehr, Pfalzgrafenweilers Gesamtkommandanten Hartmut Kalmbach – etwa indem er sich darum kümmerte, dass die Tankstelle im Ort für die Einsatzkräfte die ganze Nacht hindurch zur Verfügung stand. Wichtig sei, so Bischoff, dass der Brand keine Menschenleben gekostet habe. Der Bürgermeister sprach von einer Katastrophe, vor allem für die Firmenleitung, die nun viele Überlegungen anstellen müsse.

Im Gespräch mit unserer Zeitung rang Geschäftsführer Dirk Brünz gestern immer noch um Worte. "Unglaublich" nannte er die Unterstützung, die er von Nachbarn und der gesamten Bevölkerung erfahren habe – und von den Mitarbeitern, die hinter ihm stünden. Sie alle wurden telefonisch darüber informiert, dass sie aus gegebenem Anlass am heutigen Dienstag nicht zur Arbeit kommen müssen. "Die Personaldaten sind gerettet, die Server konnten wir noch rausholen", sagt Brünz, der sich ein Notbüro in einer benachbarten Firma eingerichtet hat. Wie es mit Pfalzgraf weitergeht, kann er noch nicht sagen: "Es ist alles noch zu frisch und zu dramatisch. Wir müssen die nächsten Tage nutzen, die Gedanken wieder in normale Bahnen zu lenken." Dann soll es für die Mitarbeiter eine Versammlung geben, für die der Geschäftsführer erst noch einen Raum suchen muss.

Wo genau und aus welchem Grund der Brand ausgebrochen war, blieb auch gestern noch unklar. "Man muss abwarten, wann man die Brandruine überhaupt gefahrlos betreten kann und die Sachverständigen ihre Arbeit aufnehmen können", sagte der Polizeisprecher.

In der Nacht zum Sonntag hatten die Einsatzkräfte mit zusätzlichen Behinderungen zu kämpfen. "Die Feuerwehr hat einen gewissen Sensationstourismus erleiden müssen", formulierte es der Polizeisprecher und verwies auf ein "permanent hohes Verkehrsaufkommen" in umliegenden Straßen, durch das anfahrende Feuerwehrfahrzeuge gestört worden seien. "Nachrückende Einsatzkräfte kamen nicht problemlos an die Einsatzstelle", bestätigte der Sprecher der Feuerwehr.

Dass es auch anders geht, bewiesen zahlreiche Facebook-Nutzer, die der Geschäftsführung und den Mitarbeitern von Pfalzgraf von zu Hause ihr Mitgefühl aussprachen und den Einsatzkräften Respekt bekundeten. "Ich zieh den Hut vor allen Helfern und wünsche der Familie Brünz viel Kraft", schrieb ein Facebook-Nutzer, "Ich richte mein Beileid an alle Chefs und Mitarbeiter" eine weitere. "Oh je, gestern Nachmittag sind wir noch vorbei gefahren und haben den Neubau bewundert", blickte eine Nutzerin zurück – und eine weitere bereits nach vorn: "Auch wenn es schwer klingt – Pfalzgraf kommt zurück – wir werden kämpfen."

"Da wir über ein externes Fertigwarenlager verfügen, sind wir aktuell noch lieferfähig", teilt Dirk Brünz den Kunden über die Internetseite des Unternehmens mit. Bestellungen seien per E-Mail möglich. Und: "Wir sind auf der Suche nach kurzfristigen alternativen Produktionsmöglichkeiten." Brünz denkt im Gespräch mit unserer Zeitung an eine geeignete leer stehende Halle in der Umgebung.

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