Trotz seines Handicaps hat Simon Runge (Mitte) seine Ausbildung als Mechatroniker bei der Firma Joos in Pfalzgrafenweiler mit Erfolg abgeschlossen. Mit ihm freuen sich (links) Daniel Zinser und Jonas Joos. Foto: Jugendhilfeverbund Kinderheim Rodt

Trotz Handicap hat Simon Runge aus Pfalzgrafenweiler seine Berufsausbildung zum Mechatroniker erfolgreich abgeschlossen. Hilfreich dabei war die Schulbegleitung durch den Jugendhilfeverbund Kinderheim Rodt der Bruderhaus-Diakonie.

Mechatroniker sind in der Montage, Inbetriebnahme und Wartung komplexer mechatronischer Maschinen und Anlagen tätig. Die dreieinhalbjährige duale Berufsausbildung ist sehr anspruchsvoll. Simon Runge aus Pfalzgrafenweiler hat diese Ausbildung nun abgeschlossen, zudem mit sehr guten Noten. Für Runge war dieser Erfolg keinesfalls selbstverständlich, waren doch seine ersten Schuljahre recht schwierig. Den Weg bis zum erfolgreichen Abschluss schildert der Jugendhilfeverbund Kinderheim Rodt in einer Mitteilung.

In der Schule fiel Simon auf, weil er in seiner Klasse kaum soziale Kontakte hatte, sich im Pausenhof in einer Ecke zurückzog und es vorzog, alleine zu bleiben. Erst mit zwölf Jahren wurde die Diagnose Asperger Autismus gestellt.

Vollständige Teilhabe

Um seine vollständige Teilhabe zu ermöglichen, genehmigte das Jugendamt Freudenstadt für ihn eine Schulbegleitung. Laut der Mitteilung eine wichtige Maßnahme, um ihm während seiner Schul- und Ausbildungszeit zu Erfolgserlebnissen zu verhelfen. Fehle ihm doch unter anderem die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden oder sich in sozialen Situationen angemessen zu verhalten. Mit Daniel Zinser von der Bruderhaus-Diakonie Loßburg hatte Simon Runge einen erfahrenen Fachberater und Schulbegleiter an seiner Seite, der ihm über so manche Klippen half.

Weshalb dies notwendig war, erläutert Zinser. Nehmen doch Menschen mit Asperger Autismus die Welt ganz anders wahr oder interpretieren Aussagen mitunter wörtlich, was zu skurrilen Szenen führen kann. So verstand Simon die Bitte eines Ausbilders, alle heruntergefallenen kleinen Kabelteile aufzusammeln, wortwörtlich. Und brachte einen beträchtlichen Teil des Tages damit zu, den Fußboden der großen Werkstatt akribisch auch nach kleinsten Kabelresten abzusuchen. Episoden, über die nachträglich nicht nur Zinser, sondern auch Firmenchef Jonas Joos schmunzeln.

Firmenchef zufrieden

Einfach nur freuen kann sich Joos dagegen heute darüber, Runge trotz anfänglicher Bedenken eingestellt zu haben, so der Jugendhilfeverbund weiter. Schließlich, so erläutert der spürbar zufriedene Firmenchef mit Blick zu seinem frisch gebackenen Mechatroniker: „Er ist ein sehr guter Mann, wenn alles passt, macht ihm so schnell keiner was vor.“

Ziel in vollem Umfang erreicht

Auch Runge ist mit seiner Berufswahl sehr zufrieden und berichtet: „Mir macht es Spaß.“ Gleichzeitig verweist er auf seine Grenzen: „Kundenkontakte sind wirklich nichts für mich, das machen andere besser.“ Auch über sein Handicap gibt er bereitwillig Auskunft. So berichtet er, dass er – obwohl er auch im Betrieb lieber alleine sei – trotzdem an den Weihnachtsfeiern teilgenommen habe. Er möge halt keine Veränderungen und sei ein Einzelgänger. So habe er, weil ihn Animes faszinieren, in seiner Freizeit per Onlinekurs Japanisch gelernt.

Seinen Humor belegt eine an Firmenchef Joos gerichtete Aussage: „Es ist gut hier in der Firma, und wenn man mich nicht rausschmeißt, bleibe ich gerne da.“ Womit er nebenbei auch bestätigt, dass das Ziel der Schulbegleitung, Teilhabe und Integration zu ermöglichen, bei Simon Runge in vollem Umfang erreicht wurde.

Hintergründe zu Autismus und zur Bruderhaus-Diakonie

Autistische Erkrankungen
Das Spektrum autistischer Erkrankungen ist groß, informiert die Bruderhaus-Diakonie. Bezeichnet werden Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung heute als Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Asperger-Syndrom (AS) wird eine nach dem Kinderarzt Hans Asperger benannte Variante des Autismus bezeichnet. Menschen mit AS haben laut der Mitteilung häufig Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen und in der Kommunikation. Probleme bei der Wahrnehmung, Reizfilterung und Reizverarbeitung kommen hinzu. Häufig ist auch die Fähigkeit beeinträchtigt, mit dem Gegenüber durch Gestik, Mimik oder Blickkontakt zu kommunizieren. Gelegentlich erscheint das Kommunikationsverhalten merkwürdig oder ungeschickt, daher werden Autisten häufig als „sonderbar“ stigmatisiert. Einher mit dem AS gehen in der Regel außergewöhnliche Interessen, Intelligenz, Hoch- oder Inselbegabungen sowie große Gedächtnisleistungen.

Bruderhaus Diakonie
Die Bruderhaus-Diakonie ist eine gemeinnützige, christlich-diakonische Stiftung. Sie bietet vielfältige Assistenz- und Unterstützungsleistungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie, Arbeit und berufliche Bildung an. Der Jugendhilfeverbund Kinderheim Rodt der Bruderhaus-Diakonie begleitet mit zahlreichen Schulbegleitern mehr als 50 Schüler überwiegend mit ASS in deren Schulalltag. Zusätzlich sind drei Fachberater für die Beratung und Anleitung der Schulbegleiter zuständig.