Seit 34 Jahren gibt es Woodstock in klein auf der Pfaffenwaldwiese. Foto: Steffen Schmid

Keine Einlasskontrolle, kein Zaun, freier Eintritt. Seit 34 Jahren schafft das Umsonst & Draußen Festival Jahr für Jahr eine kommerzfreie Zone auf der Pfaffenwiese in Vaihingen. Schon die Planung läuft basisdemokratisch ab.

Stuttgart - Geht das zusammen? Anarchisches Festival-Flair, bunte Punk-Frisuren, zerrissene Kleidung – und eine perfekt durchorganisierte Struktur? Ja, das geht.

Erst sind es nur vier Männer, die sich im Biergarten des Cannstatter Tor zur Planung treffen. Eine Stunde später ist der Tisch voll besetzt: Elf Ehrenamtliche, Männer und Frauen im Alter von etwa 25 bis 60, sind gekommen, um dem Ablauf des 34. Umsonst & Draußen-Festivals endgültig festzulegen. Sie sind der Kern des so genannten Plenums, das das nichtkommerzielle Festival, das Musik, Politik und Kultur vereint, organisiert. Offizieller Veranstalter ist der 2006 gegründete Verein Umsonst & Draußen Kultur. Die meisten am Tisch tragen T-Shirts des kommenden oder vergangener Umsonst & Draußen-Festivals. Es ist das letzte Treffen bevor es am 2. August auf der Pfaffenwaldwiese der Uni Vaihingen losgeht. Zum ersten Mal hatten sich die Planer im September 2012 zusammen gesetzt.

Auf dem Tisch vor Roland Brömmel stapeln sich Dokumente in Plastikhüllen, Flyer und Programme. Bei Bier und selbst gedrehten Zigaretten verliest der Mann mit den schulterlangen Locken das Protokoll der vergangenen Sitzung. Zwei Din A4 Seiten. Jeder noch offene Punkt wird besprochen – die meisten kann das Umsonst & Draußen-Urgestein an diesem Abend abhaken. Das Plenum ist gut vorbereitet.

Freier Eintritt, kein Zaun, keine Einlasskontrolle. Das ist seit 1980 das Konzept des Umsonst & Draußen-Festivals. Finanziert wird es durch den Verkauf von Getränken und Speisen. Die Helfer arbeiten umsonst, jeder Musiker bekommt pauschal 50 Euro. Die mexikanische Ska-Band Panteón Rococó, die 2004 am Ende ihrer Europatour auf dem Festival aufgetreten ist, sagte damals: Das war das Konzert mit der niedrigsten Gage – und der besten Stimmung.

Nachnamen sind Nebensache

Aber nicht nur das Programm muss organisiert werden. „Von Jahr zu Jahr wird die Planung aufwendiger“, sagt Frank. Im Plenum sind Nachnamen Nebensache. Er ist für die Kommunikation mit den Ämtern zuständig. Immer mehr Auflagen müssten erfüllt werden. „Wohl wegen der Katastrophe bei der Love Parade vor drei Jahren in Duisburg.“ Das sehe er schon ein, sagt Frank. Es sei aber auch extrem zeitraubend, beispielsweise einen Rettungswegeplan für eine uneingezäunte Wiese zu erstellen. „Wir sind alle berufstätig und machen die Organisation des Festivals nebenbei.“ Vieles was heute Vorschrift ist, sei auf dem Umsonst & Draußen ohnehin schon längst Standard. „Ein Dixie-Klo für Rollstuhlfahrer hatten wir schon zwei Jahre bevor es behördlich vorgeschrieben wurde“, sagt Niko. Weil es logisch erschien.

Jeder im Plenum hat sich in ein Themengebiet eingearbeitet. „Es ist erstaunlich, wie gut das hier läuft“, sagt Habi. Er ist zum dritten Mal bei den Vorbereitungen dabei. Er habe schon viele Feste mitorganisiert, bei der Feuerwehr zum Beispiel. „Aber hier habe ich zum ersten Mal erlebt, dass jemand einen Ablaufplan macht und der dann auch eingehalten wird.“ Auch der Abhängigkeitszeitplan, der mit den Jahren entwickelt wurde, habe sich bewährt. „Er hat uns erst gezeigt, dass der LKW mit dem Bier immer zu spät kam.“ Das Problem: Erst wenn der Bierstand steht, können die Stände drum herum aufgebaut werden.

Auf mehr als 100 freiwillige Helfer angewiesen

Beim Verlegen der Leitungen ist ebenfalls eine lang erarbeitete Reihenfolge einzuhalten. „Sonst kann man am Ende alles noch Mal machen“, sagt Niko, der für die Elektrik zuständig ist. Er hat im Jahr 2000 am Bierausschank angefangen. Bis rauskam, dass er sich mit Kabeln auskennt. „Am Bierstand lernt man alle Besucher kennen. Als Elektrikbeauftragter rennst du 16 Stunden am Tag rum – super Tausch.“ Darf sich jeder aussuchen, was er macht? „Wir suchen basisdemokratisch einen Freiwilligen und der hat es dann an der Backe“, sagt Roland – natürlich ein Scherz.

Damit das Festival funktioniert, sind die Planer auf mehr als 100 freiwillige Helfer angewiesen. Beim 34. Festival kommen zum ersten Mal zehn junge Menschen aus aller Welt dazu, aus Spanien, Russland oder Korea. Sie haben sich für eine Woche Workcamp beim IBG, einer Nichtregierungsorganisation für Internationale Begegnung in Gemeinschaftsdiensten, gemeldet – und die hat dem Umsonst & Draußen eine Helfergruppe angeboten. Genau um solche Vernetzungen ginge es beim Festival, sagt Roland. Nicht nur Musik, auch Politik, Familie und Gemeinschaft spielen eine Rolle. So treten außer Bands wie Nola Flyd und The Mood auch in diesem Jahr wieder die Lesebühne 7 PS und das Gama Theater auf. An Ständen informieren politische Aktivisten über ihre Arbeit.

Vieles hat mit Prinzipien zu tun: „Es spielen nur Bands, die wir vorher angehört haben“, sagt Roland. „Und wir verkaufen nur Wein, den wir vorher probiert haben.“ Auch unsoziales Verhalten, wie das Mitbringen von so genanntem Verräterbier, hat auf dem Festival nichts zu suchen. „Ohne Einlasskontrolle und ohne Zaun, das lädt dazu ein, eigene Getränke mitzubringen“, sagt Niko. Auch hier geht es mehr ums Prinzip als um den Umsatz. „Wenn einer kein Geld hat, sich sein Wasser mitbringt und bei uns ein Bier kauft um guten Willen zu zeigen, dann ist das völlig in Ordnung“, sagt Roland. „Aber wer jeden Abend zehn Euro Eintritt in einen Club zahlt und sich hierher einen Rucksack voll Alkohol mitbringt – da hört das Verständnis auf.“ Wird ein Verräterbier-Trinker ertappt, wird ihm die Idee des Festivals lange, argumentativ und eindringlich erklärt.

Infos und Programm

Das 34. Umsonst & Draußen-Festival findet an diesem Wochenende, vom 2. bis 4. August, auf der Pfaffenwaldwiese der Uni Vaihingen statt. Am Freitag geht es um 18 Uhr mit der Band Nola Flyd los.

Helfer sind immer willkommen. Donnerstag und Freitag wird von 10 Uhr an aufgebaut, am Montag von 9 Uhr an abgebaut.

Das Programm gibt es im Internet unter: www.ud-stuttgart.de