Die komplette Phase wird erst in eineinhalb Jahren beendet sein, da wir lange nachuntersuchen und wir weltweit in etwa 45 Zentren die Studie durchführen und nicht alle so schnell Probanden rekrutieren konnten wie wir in Tübingen. Bei uns läuft die dritte Phase aber sehr gut. Ich bin optimistisch und rechne mit einer rollenden Zulassung innerhalb der EU voraussichtlich bis März/April dieses Jahres.
Was können Sie über die Verträglichkeit des CureVac-Impfstoffes sagen? Und wirkt er auch bei den Mutationen?
Bisher ist dieser Wirkstoff sehr gut verträglich. Wir hatten noch keinen einzigen Probanden, der schwerwiegende Nebenwirkungen hatte. Der Impfstoff induziert sehr gut virusneutralisierende Antikörper. Das lässt mutmaßen, dass die Wirksamkeit ähnlich hoch ist wie bei den bereits auf dem Markt befindlichen Produkten. Was die Mutationen betrifft, so ist das bei Viren nichts Besonderes. Das ist bei der Wirksamkeit des Impfstoffes und der unterschiedlichen Angriffsflächen wahrscheinlich kein großes Problem.
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Wie lange besteht nach einer Impfung ein Schutz, und kann man trotz Impfung noch andere Menschen anstecken?
Bei den Impfprodukten von Biontech und Moderna kann man aktuell sagen, dass sie schon zwei bis drei Monate wirken, was ein hervorragendes Ergebnis ist. Es kann sein, dass die Wirksamkeit auch ein Jahr andauert oder noch viel länger. Aber das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht voraussehen. Da unser Impfstoff auf der gleichen Basis beruht (mRNA), gehe ich davon aus, dass der Schutz derselbe ist. Ob man bei wirksamem Eigenschutz andere Menschen anstecken kann, dazu kann aktuell noch keine Aussage gemacht werden.
Wenn CureVac in wenigen Monaten eine Zulassung erwarten kann, gehören das Unternehmen und Ihre Studie zu den Top 10 der Welt in der Corona-Forschung. Wie viele Impfstoffe braucht man, und wie schnell müssten diese auf den Markt kommen?
Es ist sehr gut, wenn es mehrere Impfstoffe gibt, zehn bis 20 wären schon gut. Bisher wird weltweit an etwa 300 Covid-19-Impfstoffen geforscht. Man kann aber davon ausgehen, dass die meisten Kandidaten es nicht schaffen und keine Zulassung erhalten. Mehrere Impfstoffe bedeuten eine Entzerrung bei der Verteilung, die Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipien, damit nicht nur einzelne den Preis diktieren, und eine gerechte Verteilung weltweit.
Was entgegnen Sie Impfmuffeln?
Ich finde es gut, dass es keine Impfpflicht gibt, das würde zu mehr Widerstand führen. Manche Vorbehalte in der Bevölkerung beruhen auf Emotionen und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wenn man die Vergangenheit betrachtet, wurden schlimme Krankheiten erfolgreich durch Impfungen ausgerottet wie zum Beispiel die Pocken. Oder auch die Poliomyelitis (Kinderlähmung) konnte schon fast ausgerottet werden. Ich kann nur für das Impfen plädieren und Hoffnung machen, dass wir dann im Sommer wieder ein halbwegs normales Leben führen können.
Das sind hoffnungsvolle Aussichten. Was können Sie unseren Lesern bis dahin noch mit in den Alltag geben?
Die aktuellen Corona-Maßnahmen sind sinnvoll und erforderlich. Wenn man Theater schließt, wo man sich relativ kurz und mit viel Abstand aufhält, ist es erst recht gerechtfertigt, Schulen und Kitas auch zu schließen. Denn auch dort sind Infektionsherde. Im Alltag gilt es weiterhin, möglichst wenig Kontakte zu haben, Abstand einzuhalten, Masken zu tragen und die Hygienevorschriften zu beachten.
Was ist Ihr persönliches Anliegen in der Pandemie?
Die Pandemie ist – wie alle großen Themen unserer Zeit – nur weltweit und gemeinsam zu lösen. Der Nationalismus und der Ruf nach egoistischem Vorgehen zur Beschaffung von Impfdosen sind für mich erschreckend. Daher finde ich es sehr gut, dass die EU gemeinsam den Impfstoff beschafft und sich nicht die großen und reichen Länder wie Deutschland oder Frankreich vorgedrängt haben. Dies ist ein gutes Beispiel, wie Solidarität funktionieren kann.
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