Kein sorgenfreies Verhältnis: Polizeigewerkschaftler werfen Innenminister Thomas Strobl (CDU – Mitte) vor, bei den Zahlen zur Personalsituation der Polizei zu tricksen. Foto: Marijan Murat/dpa/Marijan Murat

Thomas Strobl (CDU) sagt, er hätte 2790 Stellen für Polizisten in seiner Amtszeit geschaffen. Polizeigewerkschaften halten dagegen: Es fehlen mehr als 2000 Stellen.

Stuttgart - Gibt es genügend Polizisten im Südwesten? Bei der Personalplanung für die Polizei kommen Innenminister Thomas Strobl (CDU), Polizeigewerkschaften und Opposition zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen. Kurz vor der Landtagswahl am Sonntag verwies Strobl in einer Pressemitteilung auf die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der Polizei Baden-Württembergs, die 2017 angelaufen sei – zwei Jahre nach seiner Amtsübernahme.

Im Vergleich mit einer am Mittwoch zugestellten der Antwort des Ministers auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zur Personalplanung der Polizei erkennt Steffen Mayer, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), dramatische Differenzen: „Alleine auf Grundlage des Bevölkerungswachstums hätte der Minister mehr als 2000 Planstellen für den Polizeivollzugsdienst mehr schaffen müssen, um das Verhältnis von Polizisten zur Anzahl der Einwohner Baden-Württembergs, die sogenannte Polizeidichte, etwa auf dem Niveau von 1992 auszugleichen.“ Damit fehlten etwa so viele Polizisten, wie im Polizeipräsidium Stuttgart eingesetzt sind. Baden-Württemberg wächst seit 1991 jährlich kontinuierlich um etwa 50 000 Einwohner.

Lesen Sie hier die Antwort des Innenministers auf die Anfrage der FDP

Strobl hatte zu Beginn seiner Amtszeit 2015 immer wieder auf die Polizeidichte hingewiesen, also die Frage, wie viele Polizisten auf 100 000 Einwohner kommen. Damit hatte er diese Zahl eindeutig zu der erklärt, an der er sich und seine Amtszeit messen lassen wollte. Seit Jahren belegt das Land bundesweit einen der letzten Plätze, ist heute das Schlusslicht: Aktuell liegt die Zahl bei 220,6. Bei seiner Amtsübernahme betrug sie 220,5. Für FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke ist klar, dass „die Anzahl der Polizisten auf der Straße unverändert niedrig bleibt“.

In seiner Antwort auf die Anfrage der Liberalen schreibt Innenminister Thomas Strobl (CDU), dass gegenwärtig das Land Planstellen für 24 484 Polizistinnen und Polizisten vorhält. Diese Zahl gibt allerdings lediglich einen Planungsstand des Ministeriums wieder. Ihr gegenüber steht die wirkliche Besetzung der Stellen mit Polizistinnen und Polizisten, den sogenannten Vollzeitäquivalenten. Also die Berechnung, wie viele Beamte sich real eine Stelle teilen, weil sie beispielsweise ihre Arbeitszeit reduziert haben.

Hier sind nach Auskunft des Ministeriums lediglich 23 500 der 24 484 Planstellen auch tatsächlich besetzt. „Diese fehlenden Kollegen sind in allen Polizeipräsidien, in jedem Polizeirevier, bei der Kriminal- und der Bereitschaftspolizei schmerzlich spürbar“, sagt Steffen Mayer, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. „Mich ärgert, dass in den vergangenen Jahren häufig mit Zahlen argumentiert wurde, die einen blenden. Maßgeblich sind nicht allein die Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung, sondern die Zahl der Polizisten, die ihre Ausbildung auch wirklich abschließen – abzüglich der Pensionierungszahlen und sonstigen Abgangszahlen.“

„Antwort des Ministers wirkt wie eine Blendlaterne“

Schützenhilfe bekommt Mayer von der Gewerkschaft der Polizei. Landesvize Gundram Lottmann: „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft wie auch unter den Polizeibeamten. Die Möglichkeit der Teilzeitarbeit ist ein ganz wichtiger Faktor geworden. Aber Minister Strobl passt das Verhältnis von Planstellen den Vollzeitäquivalenten nur minimal an. Dadurch geht bei den Polizistinnen und Polizisten massiv Vertrauen verloren.“ Ein Blick in die ministeriale Antwort an die Liberalen zeige, dass die tatsächliche Personalstärke heute bei 23 500 Stellen liege – 200 weniger als noch vor fünf Jahren. „In diesem Zusammenhang wirkt die Pressemitteilung des Ministers zum Ende des Wahlkampfes auf mich wie eine Blendlaterne.“

Für FDP-Frontmann Hans-Ulrich Rülke ist klar, dass „die Anzahl der Polizisten auf der Straße unverändert niedrig bleibt“. Wie sich die Zahlen nach der Wahl entwickelten, scheine für Strobl „keine Rolle mehr zu spielen“. Zwar gehe das Ministerium davon aus, in fünf Jahren 25 063 Planstellen vorzuhalten. „Dem stehen dann nur 24 700 Vollzeitäquivalente gegenüber. Selbst das sind mindestens 350 weniger als ohnehin benötigt“, analysiert Rülke die Antwort des Ministers.

Thomas Strobls Apachen-Kneipe

BDK-Mann Mayer flüchtet bei dieser Zukunftsaussicht in Sarkasmus: „Mir kommt bei dieser Medienkampagne des Ministers zur größten Polizei-Einstellungsoffensive in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg die Apachen-Kneipe aus dem Film ‚Schuh des Manitu’ in den Sinn. So soll es uns verkauft werden: Die Fassade sieht ganz gut aus, aber dahinter sollte lieber niemand schauen.“ Strobl hatte die Stellen von Polizisten und Polizeischülern zusammengerechnet und war so auf 2790 zusätzliche Stellen gekommen, die in seiner Amtszeit geschaffen wurden.