Die Wirte in VS, hier ein Blick in die Kneipenmeile die Villinger Färberstraße, hoffen auf bessere Zeiten. Foto: Huber

Denkt ein Gastronom aus VS an die angespannte Situation in der Küche, könnte ihm glatt der Appetit vergehen. Personalmangel ist nichts zwar nicht Neues, "aber jetzt werden auch noch Leute abgeworben". Manche liebäugeln deshalb mit zusätzlichen Ruhetagen.

Villingen-Schwenningen - Einer, der von Personalnöten ein Lied singen kann, ist Domenico Wittkopf, Chef im "Ott" in Villingen. Innerhalb von gut zwei Jahren hat er drei Köche und eine Servicekraft verloren, angesichts des prekären Personalmangels kein Leichtes, hier "wieder qualifizierten Ersatz zu finden", beschreibt er im Gespräch mit unserer Redaktion die Situation. Was ihn besonders ärgert: "Jetzt werden auch noch massiv Leute abgeworben und zwar nicht von Wirte-Kollegen, sondern teils von städtisch unterstützten Einrichtungen."

Michael Steiger, selbst seit vielen Jahren Gastronom und Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Schwarzwald-Baar (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) kennt das nur zu gut: "Abgeworben wurde früher auch schon, ist aber nicht die feine Art." Die Not in manchen Betrieben ist teils so groß, dass sich manche Gastronomen mittlerweile überlegen, noch einen weiteren Ruhetag einzuführen.

Nur Päckchensoßen

Die schwierige Suche nach Personal: Neu ist das nicht, so Steiger, doch die Corona-Krise habe die Situation nur noch verschlimmert. Was Gastronomen dieser Stadt berichten, kann auch Dehoga-Kreisvorsitzende nur bestätigen: Fachkräfte fehlen, "aber das ist ja nicht nur in der Gastronomie ein großes Thema", sondern auch Minijobber. Doch gerade bei den Geringbeschäftigten, schätzt Steiger, werde sich die Lage nun, nach Ende der Einschränkungen, wieder entspannen: Denn gerade für viele junge Leute sei ein solcher Job in der Gastronomie zum "Überbrücken" interessant, beispielsweise zwischen Abitur und Studium.

Wie wichtig diese jungen Leute für die Betriebe sind, beschreibt auch Heico Plazek von der "Wagnerei" in Schwenningen. "Wenn wir die nicht hätten", erläutert er mit Blick auf seinen Betrieb: "Denn wir sind komplett unterbesetzt." Nicht nur, weil aufgrund der Corona-Krise viele Gastromitarbeiter in die Industrie abgewandert seien. Vielfach, fehle es auch an Personal, das trotz Ausbildung, fachlich gut und belastbar sei. "Was wollen Sie denn mit einem Koch mit Gesellenbrief, der nur Soßen aus dem Päckchen anrühren kann?", macht Plazek seinem Frust Luft.

Doch wie sollen Gastronome überhaupt gezielt Personal finden? Über die Agentur für Arbeit in VS haben einige zwar davon erfahren, dass der ein oder andere nach einer Stelle Ausschau hält. Doch mit eher mageren Resultaten. "Ich habe von sechs Arbeitssuchenden gehört, die eine Stelle suchen, doch gemeldet hat sich bei mir niemand", berichtet einer. Wie es mit Angebot und Nachfrage aussieht, erläutert Pressesprecherin Elena Niggemann von der Agentur für Arbeit mit Zahlen, Stand März 2022: 86 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen aus der Gastronomie und 150 Arbeitslose aus diesem Bereich seien gemeldet. Aus der Sparte Hotellerie seien es 34 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen und 70 Arbeitslose.

Von Mallorca nach VS?

Gastronome wie Heico Plazek suchen mittlerweile via Agentur international nach Leuten für Service und Küche. "Ich bin auf 26 Portalen und hatte bisher zwei Anfragen, aus Mallorca und Venedig."

Ein Blick in die Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Villinger Südstadt und in die dortige Klassenbücher. Hatten die Schülerzahlen bereits vor der Krise einen Tiefstand erreicht, habe Corona diesen Trend noch befeuert, erläutert Schulleiter Robert Fechteler. Doch er kommt mit guten Prognosen für die Branchen, "da es die Leute wieder stark in die Lokale zieht". Zudem werden Ausbildungsinhalte weiter modernisiert und auch die Gehälter höher. "Ich denke, dass damit unsere Branche wieder interessanter für junge Leute wird."

Wer will denn nach VS?

Wer sich mit Gastronomen und Hotel-Beschäftigten aus der Doppelstadt unterhält, der hört noch andere Einschätzungen: "Wer will denn nach VS?", entfährt es der Mitarbeiterin aus einem Betrieb. "Der Markt ist tot", berichtet sie, auch in ihrem Betrieb werde schon seit Jahren nicht mehr ausgebildet, nicht erst seit Corona und Lockdown. Die Leute überlegten es sich schon deutlich mehr, "will ich wirklich in die Gastronomie oder mache ich lieber etwas anderes?"

Befeuert werden solche Zweifel noch durch eine andere Frage: "Wann kommt der nächste Lockdown?" Mancher Betrieb geht nach Ende der Krise eher vorsichtig in die Personalplanung. "Wir müssen erst mal abwarten, wie sich der Besuch entwickelt" und ob die Leute aufgrund der Preisentwicklungen überhaupt noch essen gehen", heißt es aus dem "Ochsen" in Schwenningen.