Beim Nato-Gipfel 2023 klagt ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums über Symptome, die dem Havanna-Syndrom ähneln. Das Pentagon bestätigt den Fall. Publik machten ihn neue Recherchen.
Bei einem hochrangigen Beamten des US-Verteidigungsministeriums sind beim Nato-Gipfel im litauischen Vilnius im Jahr 2023 Symptome aufgetreten, die denen des sogenannten Havanna-Syndroms ähneln. Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bestätigte den Fall am Montag (1. April, Ortszeit) in Washington auf die Frage nach einem entsprechenden Medienbericht.
„Ich kann bestätigen, dass ein hochrangiger Beamter des Verteidigungsministeriums Symptome hatte, die denen ähneln, die bei den ungewöhnlichen Gesundheitsvorfällen gemeldet wurden.“ Die Person sei beim Gipfel in Vilnius gewesen, habe aber nicht zur Delegation des Verteidigungsministers gehört.
Was ist das Havanna-Syndrom?
Als Havanna-Syndrom werden rätselhafte Symptome wie Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit zusammengefasst, über die ab 2016 zahlreiche in der kubanischen Hauptstadt Havanna lebende US-Diplomaten und ihre Angehörigen klagten.
Später wurden auch an anderen Orten der Welt ähnliche Beschwerden gemeldet. Betroffene gaben an, dass die Symptome begannen, nachdem sie etwa ein seltsames Geräusch hörten oder starken Druck in ihrem Kopf spürten.
Steckt eine feindliche Macht dahinter?
Die US-Regierung hatte anfangs nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine Art Angriff gehandelt haben könnte. Vor gut einem Jahr gingen die US-Geheimdienste laut einem offiziellen Bericht dann mehrheitlich davon aus, dass kein „ausländischer Gegner“ für das sogenannte Havanna-Syndrom verantwortlich ist. Die gemeldeten Beschwerden seien stattdessen wahrscheinlich das Ergebnis von Vorerkrankungen, anderer Krankheiten oder Umweltfaktoren.
Sind die Symptome real?
Das bestätigte jüngst auch ein Forscherteam um Leighton Chan von den National Institutes of Health (NIH) mit Sitz in Bethesda im US-Bundesstaat Maryland. Die Experten analysierten über mehrere Jahre 86 Patienten mit Havanna-Syndrom – Regierungsangestellte und deren erwachsene Familienangehörige. Die Untersuchungen fanden dabei gewöhnlich einige Wochen bis Monate nach dem Einsetzen der Symptome statt.
Das Ergebnis: „Es gab keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die meisten Werte, außer bei objektiven und selbstberichteten Messungen zu Gleichgewicht und zu Symptomen von Müdigkeit, posttraumatischem Stress und Depression“, schreiben die Wissenschaftler. Trotzdem sei es wichtig anzuerkennen, dass die Symptome real seien und die Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigten, sagte Chan laut einer Mitteilung.
„Spiegel“: Erster Fall 2024 in Frankfurt am Main
Am Montag hatten Journalisten des Magazins „Der Spiegel“ gemeinsam mit Kollegen des US-Nachrichtenmagazins „60 Minutes“ (CBS) und des russischen Portals „The Insider“ eine Recherche veröffentlicht, die darlegt, warum hinter dem Havanna-Syndrom womöglich doch Angriffe des russischen Geheimdienstes stecken könnten.
Erste Fälle des Syndroms seien schon 2014 aufgetaucht – im US-Konsulat in Frankfurt am Main„Der Spiegel“ zitiert auch einen Betroffenen, der behauptet, erste Fälle des Syndroms seien schon 2014 aufgetaucht – im US-Konsulat in Frankfurt am Main. Bislang war weitläufig bekannt, dass die ersten Fälle im Jahr 2016 in Havanna aufgetreten waren. CBS erwähnte in seinem Bericht auch den Fall in Vilnius.
Aus dem US-Außenministerium hieß es, man wolle die Berichte weder bestätigen noch kommentieren. Man habe betroffene Mitarbeiter mithilfe des Havanna-Gesetzes umfangreich entschädigt und unterstützt. Der Geheimdienstausschuss sei im März 2023 zu dem Schluss gekommen, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein ausländischer Gegner für das Havanna-Syndrom verantwortlich sei. An dieser Einschätzung halte man fest. Die Geheimdienste würden neue Informationen auswerten, wenn es solche gebe.