Offiziell sind es „Anfeindungen“, die Kathrin Oertel zum Rückzug bewegten. Aber intern tobte ein Richtungskampf um den künftigen Kurs. Foto: dpa-Zentralbild

Nach dem Rücktritt von vier Vorstandsmitgliedern ist die nächste Montagsdemonstration in Dresden abgesagt worden – In der Politik gibt es viel Genugtuung.

Berlin/Dresden - Die anderen sind schuld, vor allem natürlich die Medien. So stellt die Pegida-Spitze selbst die Rücktritte ihrer Führungsspitze dar. Zwar will man sich nicht offiziell äußern. Das soll erst heute geschehen, möglicherweise auf einer Pressekonferenz. Aber auf der Facebook-Seite, die in der Vergangenheit stets das Mittel der Wahl war, wenn es darum ging, für die Demonstrationen zu mobilisieren, stand gestern folgendes über den Rücktritt von Kathrin Oertel zu lesen: „Fakt ist, Kathrin hat vorerst ihr Amt als Pressesprecherin niedergelegt.“ Als Grund werden „massive Anfeindungen, Drohungen und berufliche Nachteile“ genannt. „Wenn nachts schon irgendwelche Fotografen und dunkle Gestalten und andere komische Gestalten um ihr Haus schleichen, da kann man es der stärksten Frau nicht übel nehmen, wenn sie eine Auszeit braucht.“ Bestätigt wird in dem kurzen Text auch, dass sich mit Thomas Tallacker ein weiterer Vorständler zurückzieht.

Die ganze Wahrheit ist das aber noch nicht. Neben Oertel und Tallacker sind auch der Wirtschaftsberater Bernd-Volker Lincke, das AfD-Mitglied Achim Exner zurückgetreten, vor allem aber Vereinsvize René Jahn.

Oertels Rücktritt ist ein schwerer Schlag für Pegida. Sie entwickelte sich schon zum weiblichen Gesicht von Pegida als Lutz Bachmann noch der uneingeschränkte Frontmann der Gruppe gewesen war. Nachdem er über eine im Netz aufgetauchte Hitler-Parodie, vor allem aber über unsägliche Beschimpfungen von Asylbewerbern gestolpert war, schien Oertel die ideale Nachfolgerin. Sie äußerte sich moderater, trat für eine dialogorientierte Linie ein, versperrte sich nicht dem Kontakt mit den Medien und ging sogar in Günther Jauchs ARD-Talkshow. Ist dem Pegida-Text also zu glauben, wonach ihr „Anfeindungen“ zu viel geworden sind? So viel ist klar: Oertel hatte schon häufiger geklagt. Aus einigen Äußerungen ließ sich durchaus erkennen, dass ihr der Rummel über den Kopf zu wachsen drohte. Sie hatte darauf hingewiesen, dass sie auch noch beruflich – in der Immobilienbranche – engagiert sei, dass sie Kinder habe und diese mitunter unschöne Bemerkungen anhören müssten. Auf einer Pegida-Pressekonferenz sagte sie offen, es sei nicht ihre Absicht, künftig „jeden Montag durch Dresden zu marschieren“. Dennoch ist dies sicher nicht die ganze Wahrheit.

Der Facebook-Text spricht von einer „Auszeit“. Könnte sie also wiederkommen? Es gibt Vermutungen, der Rückzug der vier Führungspersönlichkeiten sei ein gezielter Vorstoß, um Lutz Bachmann endgültig auszubooten. Der hatte nämlich zum Erstaunen des Spitzengremiums zuletzt intern deutlich gemacht, dass er hinter den Kulissen durchaus noch mitzumischen gedenke. Tatsächlich hat es in den letzten Tagen in der Pegida-Führung Richtungskämpfe gegeben. Oertel und der als gemäßigt geltende René Jahn hatten auf eine scharfe Abgrenzung zum Leipziger Ableger „Legida“ bestanden, dessen Führung als stark von rechtsradikalen Elementen durchsetzt gilt. Jahn hat die Kontroverse gestern bestätigt. Hintergrund der Rücktritte sei Bachmanns Verbleib im Organisationsteam von Pegida gewesen, aber auch die „mangelnde Abgrenzung von Legida in Leipzig“. Ganz ausgeschlossen scheint also bei eindeutiger Klärung der Sachfragen die Rückkehr der Gemäßigten an die Pegida-Spitze nicht.

SPD und Grüne reagierten gestern mit Genugtuung über die Zerwürfnisse an der Pegida-Spitze. Burkhard Lischka, der innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, sagte unserer Zeitung, er fühle sich in seiner Ansicht bestätigt, „dass es nicht gelingt, sich innerhalb des Pegida-Organisationsteams von rassistischem Gedankengut zu trennen, sondern weiterhin dumpfe fremdenfeindliche Ressentiments geschürt werden“. Er begrüße „den Rücktritt einiger Führungsmitglieder durchaus, da dies die Chance bieten könnte, mit Mitläufern ins Gespräch zu kommen und deutlich zu machen, dass sie bei den Pegida-Protesten hinter geistigen Brandstiftern hinterherlaufen, die in erster Linie diffuse Ängste und rassistische Vorurteile bedienen“, sagte Lischka.

Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, sagte, die Pegida-Führungs habe „offenbar die Kontrolle verloren“. Die Maske rutsche der Pegida-Führung vom Gesicht. Aber auch nach den Rücktritten sei klar, „dass wir in diesem Land ein Problem mit rassistischen, antisemitischen und homophoben Ressentiments haben“.