Das Offenburger Landgericht hörte am Dienstagvormittag eine „geständige Einlassung“ des 23-jährigen Angeklagten – jedoch nicht in der verhandelten Sache. Der junge Mann sagte zu einem weiteren Vorwurf der „schweren Vergewaltigung“ aus.
Die Stimmung im Saal 2 des Landgerichts Offenburg ist gekippt: Der Angeklagte und sein Verteidiger Patrick Hinderer scheinen am Dienstagmorgen vor Verhandlungsbeginn angespannt, stecken mehrfach die Köpfe zusammen. Co-Verteidiger Christian Rhode ist krankheitsbedingt entschuldigt. Der sonst selbstbewusst auftretende 23-Jährige wirkt fahrig. Seine Hände zittern, als er den Ausführungen des vorsitzenden Richters Matthias Eckelt zu Beginn des Verhandlungstags zuhört.
Zwei Zeugenaussagen standen auf der ursprünglichen Tagesordnung – beides junge Frauen, beide standen in Beziehung zum Angeklagten. Bei beiden besteht der Verdacht, dass der 23-Jährige sie zu sexuellen Handlungen gezwungen haben könnte. Beide Fälle sind nicht Gegenstand des laufenden Geiselnahme-Prozesses und spielen doch eine Rolle.
Die Staatsanwaltschaft war über die Ermittlungen zur mutmaßlichen Entführung und mehrfachen Vergewaltigung einer damals 18-jährigen Berlinerin im Februar – darum geht es im aktuellen Prozess – auf die beiden weiteren mutmaßlichen Opfer im Umfeld des Angeklagten gestoßen. Beide sollten am Dienstag gehört werden.
Zeugin kommt um eine Vernehmung herum
Dass es dann doch anders kam, liegt am Ange klagten. Dessen Verteidiger hatte laut Richter Eckelt „geständige Einlassung“ zum Vorwurf rund um die erste Zeugin – einer Ex-Freundin – angekündigt. Der jungen Frau, die sich in psychologischer Behandlung befinde, könne er so eine Aussage ersparen. „Der Vorwurf ist nicht klein, sondern er beinhaltet durchaus einen schweren Fall einer Vergewaltigung“, betonte der Vorsitzende weiter. Wie im aktuell verhandelten Fall, soll auch dabei eine Waffe zum Einsatz gekommen sein. Laut Strafgesetzbuch ist dafür eine Strafe „nicht unter drei Jahren“ vorgesehen, Richter Eckelt sprach gar von fünf Jahren.
„Ich bin zwar nicht Ihr Berater, möchte aber einige Dinge transparent machen“, wandte sich der Richter an den Angeklagten. Durch die Beleuchtung der neuen Vorwürfe erhoffe man sich Einblicke in das „emotionale Erleben“ und das Beziehungsverhalten des Angeklagten, so Eckelt. Das Gericht wolle nach Parallelen zum bereits angeklagten Fall suchen, die „Indiziencharakter“ haben könnten. „Wir würden – falls Sie sich dazu durchringen zu gestehen – gerne ergänzende Fragen stellen“, kündigte er an.
Angeklagt ist der neue Vorwurf noch nicht, laut Eckelt ist das wohl aber nur eine Frage der Zeit. „Die beiden Verfahren sind insofern aufeinander bezogen, dass sie hintereinander abgearbeitet werden müssen“, erläuterte er – beide könnten sich auch „mittelbar“ aufeinander auswirken. So könne ein Geständnis zu den neuen Vorwürfen zum jetzigen Zeitpunkt sich auf ein späteres Verfahren positiv auswirken. Eventuell stehe bei dem neuen Fall auch die Anwendung des Jugendstrafrechts im Raum. Der mutmaßliche Tatzeitpunkt muss vor dem Geschehen im Februar liegen, da der Angeklagte sich seither in Haft befindet.
Aussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Auf die Frage, ob er zum Vorwurf aussagen wolle, nickte der Angeklagte lediglich. Die Vernehmung seiner Ex-Freundin wurde daraufhin gestrichen. Sie hätte mutmaßlich nicht-öffentlich ausgesagt. Der Verteidiger des 23-Jährigen beantragte nun, auch die Aussage seines Mandanten unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorzunehmen. Da es um „das Verhältnis zu seiner ehemaligen Freundin und sein Sexualleben“ gehe, sei hier ein besonderer Schutz der Privatsphäre notwendig. Das Gericht gab dem Antrag statt.
Bei Prozessbeobachtern sorgte die Begründung der Verteidigung für Verwunderung. Denn bei den Einlassungen zu seinem Vorleben und den Tatvorwürfen hatte der 23-Jährige die Öffentlichkeit explizit nicht ausgeschlossen. Er berichtete ausführlich – er redete zwei ganze Verhandlungstage – unter anderem vom Sex mit dem mutmaßlichen Opfer und anderen Frauen. Das tat er häufig mit einem Grinsen, meist in auffällig heiterem Ton. Am Dienstag konnte von heiterer Stimmung keine Rede mehr sein.