Pascal „Pommes“ Hens holte 2007 mit den deutschen Handballern den WM-Titel in Köln. Er spricht vor dem Duell mit Kroatien über Parallelen zum Wintermärchen, die Chancen in einem möglichen Halbfinale gegen Dänemark und die Kritik an Juri Knorr.
Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) Kämpft an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) gegen Kroatien um den Sprung in das EM-Halbfinale gegen Dänemark. Der frühere Rückraumspieler Pascal „Pommes“ Hens schätzt die Lage ein.
Herr Hens, wie verfolgt ein Weltmeister von 2007 die deutschen EM-Spiele?
Unterschiedlich. Mal live in der Halle, mal arbeite ich für Dyn als Experte, oder ich fiebere vom heimischen Sofa aus gemeinsam mit der Familie mit.
Lässt sich die deutsche Mannschaft die Halbfinalteilnahme jetzt noch nehmen?
Das hoffen wir natürlich alle nicht. Der Auftritt gegen Ungarn stimmt mich sehr positiv. Der Angriff spielte wesentlich flüssiger und besser als zuvor, es war viel mehr Tempo in unserem Spiel.
„Mutig und schnell nach vorne“
Dabei gab’s zunächst keine Torwartunterstützung.
Und dennoch haben wir zur Pause mit einem Tor geführt, weil wir mutig und schnell nach vorne gespielt haben, auf die einfachen Tore aus waren.
Warum war das gegen Island und Österreich nicht der Fall?
Vor allem vor dem Österreich-Spiel hatte das Team das Gefühl, eine Menge verlieren zu können. Wir spielten zu ängstlich, zu statisch. Gegen Ungarn stand die Mannschaft mit dem Rücken zur Wand, und plötzlich brachte sie die ungarischen Kolosse richtig gut in Bewegung. Der Matchplan wurde perfekt umgesetzt.
Was auch daran lag, dass Juri Knorr den Ball schneller laufen ließ und seine Rückraumhalbspieler besser in Szene setzte?
Zum einen liegt das auch an den Halbspielern selbst. Wenn sie auf ihrer Position stehen bleiben, wird es schwierig, etwas aus der Zentrale zu kreieren. Wenn sie aber die langen Wege gehen, sich viel bewegen, den Ball fordern, dann tut sich auch Juri leichter. Zum anderen war er ja gegen Island und Österreich krankheitsbedingt angeschlagen. Das wusste ja keiner. Und das habe ich ihm auch geschrieben.
Sie hatten ihn im „Harzblut“-Podcast gemeinsam mit Stefan Kretzschmar und Mimi Kraus kritisiert. Er sagte, dass ihn das hart getroffen hat.
Wir sind ja dazu da, um Sachen anzusprechen, die uns auffallen. Und Juri hatte nun mal gegen Island und Österreich keinen guten Tag, spielte zu statisch. Wenn dann daraus die Überschrift gemacht wird, wir würden ihn zerreißen, dann kann ich verstehen, dass ihm das nicht gefällt. Mir im Übrigen auch nicht. Genau das habe ich ihm geschrieben. Er kann das nachvollziehen, damit ist das Thema abgehakt.
Weiter ein Thema bleibt die Wechseltaktik. Sebastian Heymann machte gegen Ungarn ein klasse Spiel vor der Pause und kam danach nicht mehr im Angriff. Warum?
Alfred Gislason setzt in wichtigen Phasen auf seine Stammsieben. Wenn Heymann vier Buden macht und drei Assists, kann man klar darüber diskutieren, warum er nicht noch mal kommt. Aber die anderen haben es eben auch gut gemacht. Der Trainer will keinen Bruch riskieren. Er will ins Halbfinale.
„Halle wird kochen“
Das könnte schon vor dem Anpfiff des Spiels gegen Kroatien erreicht sein, sollte Ungarn gegen Frankreich und Österreich gegen Island verlieren.
Stimmt. Das könnte durchaus der Fall sein, und es wäre auch nicht schlecht für die Jungs, wenn sie keinen Druck mehr hätten gegen Kroatien. Aber sie werden unabhängig davon – wie die Spiele davor ausgehen – voll konzentriert da sein. Auch die Halle wird wieder kochen. Also ich bin sehr optimistisch, dass die Mannschaft das aus eigener Kraft schafft.
Für die Kroaten ist das Turnier gelaufen. Werden sie sich noch einmal aufraffen?
Es ist die Frage, wie die Mannschaft und der Trainer ticken. Lässt Goran Perkovac die Älteren raus? Sagt er zu einem Domagoj Duvnjak: Schon dich lieber? Bringt er dafür lieber die Jungen, damit sie mal bei einer EM reinschnuppern können?
Wenn noch eine Halbfinalchance bestehen würde, wäre das sicher keine Überlegung wert.
Völlig klar. Aber die sehr stolzen Kroaten könnten sich auch sagen: Den Deutschen zeigen wir’s in Deutschland vor vollem Haus noch einmal so richtig. Das sind alles Aspekte, die wir schlecht beantworten können.
Bereits sicher dagegen wäre der Gegner im Halbfinale Weltmeister Dänemark. Eine richtig dankbare Aufgabe, weil keiner etwas erwartet?
(lacht) Es ist nie dankbar, gegen Dänemark zu spielen. Aber wenn man das Halbfinale erreicht, dann ist das eine geile Sache. Klar wäre Deutschland der krasse Außenseiter, aber man sollte schon an seine Chance glauben, sonst brauchst du nicht anzutreten.
Was müsste alles zusammenkommen, um ins Endspiel einzuziehen?
Auf jeden Fall musst du mutig nach vorne gehen, auf die einfachen Tore aus sein. Hinten in der Abwehr müssten wir gegen die quirligen Jungs um Mathias Gidsel und Simon Pytlick ordentlich zupacken, ständig attackieren. Wenn man die Dänen ins Laufen kommen lässt, sind sie brutal schwer zu verteidigen.
„Wahnsinnige Euphorie“
Sie haben 2007 das Wintermärchen in Köln auf dem Feld mitgefeiert. Bahnen sich Parallelen zum damaligen WM-Titel an?
Der Ort ist der gleiche, das ist auf jeden Fall schon mal eine Parallele (lacht). Und eine wahnsinnige Euphorie im Land ist auch wieder entstanden. Die breite Bevölkerung schaut sich Handball an, hat Spaß, entweder in den vollen Arenen oder am Fernseher.
Ist der Titel drin?
Jedes Team, das ein Halbfinale erreicht, will das Ding dann auch gewinnen. Auch wenn du nicht der große Favorit bist, Möglichkeiten hast du immer. In solchen Do-or-die-Spielen kann immer jeder jeden schlagen. Aber jetzt müssen wir erst einmal das Halbfinale packen. Schon das würde der Sportart enorm gut tun.
Und wenn nicht?
Wir haben schon gute Werbung für unseren Sport gemacht. Aber wenn das Halbfinale so zum Greifen nah ist, dann wäre es sehr, sehr enttäuschend, wenn dieser Traum noch platzen würde. Doch unabhängig davon haben wir ein Team zusammen, die eine tolle Perspektive hat.
Mit Blick auf die Heim-WM 2027?
Ja, das wird doch auch wieder überragend. Die Spieler sind dann drei Jahre älter, drei Jahre erfahrener. Wir haben so viel Junge dabei, die jetzt schon reinschnuppern, auch wenn unsere U-21-Weltmeister wenig spielen. Sie werden uns aber künftig noch viel Freude bereiten. Und die Spieler, die jetzt schon gut funktionieren wie Juri Knorr, Julian Köster oder auch Johannes Golla, stehen dann ja auch noch voll im Saft.
Zur Person
Karriere
Pascal Hens kam am 26. März 1980 in Daun in der Eifel zur Welt. Er spielte in der Bundesliga für die SG Wallau-Massenheim, den HSV Hamburg und in der Saison 2016/17 auch für den HBW Balingen-Weilstetten. Der 2,03 Meter große frühere Rückraumspieler (199 Länderspiele/565 Tore) wurde mit Deutschland Europameister 2004 und Weltmeister 2007, 2004 gewann er Olympiasilber.
Persönliches
Seit Ende seiner Handballer-Karriere ist Hens ein gern gesehener Gast in TV-Shows. Bei „Let’s Dance“ 2019 konnte er sich bis ins Finale tanzen und gewann die Show. Auch „Schlag den Star“ konnte er 2021 für sich entscheiden. Hens wohnt mit seiner Frau Angela, seiner Tochter Mila (9) und seinem Sohn Noah Ben (13) in Hamburg. Sein Hobby ist Golf. (jüf)