In seinem Liebeslabor hat der Psychologe John Gottman Tausende Paare studiert. Sein Fazit: Soll die Beziehung glücken, heißt es reden, reden, reden. Doch wie macht man das eigentlich richtig?
Eben noch auf Wolke sieben, plötzlich im tristen Alltag, und der Traumpartner mutiert auf der Couch zum rülpsenden Albtraum. Und nun? Der US-amerikanische Psychologe John Gottman erforscht seit Jahrzehnten das Geheimnis glücklicher Beziehungen. Sein Tipp: reden, reden, reden. „Hören Sie nie auf, Fragen zu stellen. Aber stellen Sie die richtigen Fragen“, rät er in seinem Buch „Acht Gespräche, die jedes Paar führen sollte“.
Die wichtigsten Themen, die Paare besprechen sollten, seien Vertrauen, Konflikte, Sex und Intimität, Arbeit und Geld, Familie, Spaß und Abenteuer, Wachstum und Spiritualität sowie Träume. Denn wer nur über den Abwasch diskutiert, für den besteht die Beziehung bald nur noch aus Aufgaben, das Leben wird zu einer einzigen To-do-Liste. Der Tod einer jeden Liebe.
Neugierige entdecken immer wieder Neues
Die Gespräche sollten laut Gottman regelmäßig geführt werden, im Optimalfall wöchentlich. Denn ganz gleich, wie schnell sich die Welt dreht, die Beziehung muss Priorität haben und nicht ein Punkt unter vielen sein. Damit aber ein intimes Gespräch überhaupt stattfinden könne, seien vier Fähigkeiten gefragt: Gefühle in Worte zu fassen, offene Fragen zu formulieren, das Gegenüber zu ermutigen, Zugang zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu finden, sowie Empathie und Toleranz auszudrücken. Fragen wie „Was bedeutet Vertrauen für dich?“, „Wie wurde in deiner Familie mit Konflikten umgegangen?“ oder „Was fehlt dir in deinem Leben“ bringen Sie Ihrem Gegenüber näher – und Sie erfahren oftmals Neues über einen vermeintlich Altbekannten. Neugier lohnt sich also auch noch im 30. Ehejahr.
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Entscheidend ist jedoch, richtig zuzuhören. Das bedeute nicht einfach, die Pausentaste zu drücken, um den eigenen Monolog anzuhalten, sagt Gottman. Es gehe darum, präsent zu sein: „Denken Sie auch nicht darüber nach, was Sie selbst als Nächstes sagen werden, oder bereiten schon Ihren Gegenbeweis vor. Stattdessen hören Sie einfach zu.“ Wer also schon den Gegenschlag plant, während der andere noch redet, hat nichts verstanden und wird es auch künftig nicht.
Urteile und Kritik sind fehl am Platz
Stellen Sie sich stattdessen auf den anderen ein. Spielen Sie seine Gefühle nicht herunter und tun Sie Dinge nicht ab, indem Sie versuchen, alles in Ordnung zu bringen. „Sie brauchen nicht dafür sorgen, dass Ihr Partner oder Ihre Partnerin sich besser fühlt, oder ihn oder sie aufzuheitern, Ihr einziges Ziel ist einfach zuzuhören und nach Kräften zu verstehen.“
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Wenn Sie tatsächlich zuhören, signalisieren Sie Ihrem Gegenüber, dass es gehört wird. Auch Urteile und Kritik sind bei diesen Gesprächen fehl am Platz, erfordert der ehrliche Austausch doch ein hohes Maß an Offenheit, die verletzbar macht. Es gehe nicht darum, recht zu haben, sagt Gottman, sondern darum, „die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Ihnen zu verstehen und ein Gespür dafür zu entwickeln, warum jeder von Ihnen die Welt so sieht, wie er sie sieht“.
Es geht nicht ums Rechthaben
Das Verstehen hat also immer Vorrang vor dem Rechthaben. Erst dadurch wird ein Gespräch fruchtbar. So mag es zwar stimmen, dass der Traum, den Mount Everest zu besteigen, unrealistisch ist, doch sich sofort auf die praktische Umsetzung eines Traums zu stürzen, macht diesem schnell den Garaus und bringt den Partner oder die Partnerin zum Verstummen.
Gottmans Forschungen zeigen, dass die meisten Beziehungskonflikte, die auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten zurückzuführen sind, nicht gelöst werden können. Doch wer lernt, Unterschiede auszuhalten, ist auf dem richtigen Weg, liegen hier doch Chancen auf Wachstum und Intimität. Ein Mensch, der schon vor der Ehe keine Kinder wollte, wird seine Meinung auch nach dem Ringtausch nicht unbedingt ändern. Wer sich so angenommen und akzeptiert fühlt, wie er ist, lebt glücklicher. Denn das Ziel ist es nicht, sich anzugleichen, sondern einander zu verstehen.
Ewiges Schweigen am Ende
Sonst drohen laut Gottman die fünf apokalyptischen Reiter einer Beziehung: Schuldzuweisungen, die in der generellen Verurteilung des anderen gipfeln, Abwehr und Rechtfertigungen, die den eigenen Anteil am Streit leugnen, Geringschätzung des Partners und Machtdemonstrationen, auf die der Rückzug aus der Kommunikation und das ewige Schweigen folgen. Und dann ist es zu spät, als dass aus dem rülpsenden Albtraum auf der Couch wieder ein Traumprinz werden könnte.
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Beziehungen auf dem Prüfstand
Liebeslabor
1986 richtete John Gottman an der Universität Indiana ein Liebeslabor ein. Seitdem hat er Tausende Paare befragt und beobachtet. Seine Erkenntnisse flossen ein in zahlreiche Publikationen, zuletzt in das Buch „Acht Gespräche, die jedes Paar führen sollte, damit die Liebe lebendig bleibt“.
Prognose
Laut eigener Aussage kann Gottman mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen, ob eine Beziehung Bestand haben wird oder nicht.