„Die Demokratie hat gesprochen“, sagt Ministerpräsidentin Sanna Marin am Wahlabend. Aber das Ergebnis fällt nicht zu ihren Gunsten aus. Trotz Zugewinnen der Sozialdemokraten bahnt sich in Helsinki ein Regierungswechsel an.
Finnland steht vor einem Regierungswechsel. Die Sozialdemokraten der 37 Jahre alten Ministerpräsidentin Sanna Marin konnten bei der Parlamentswahl am Sonntag zwar Zugewinne verzeichnen - die Position als stärkste Parlamentskraft verloren sie aber an die konservative Nationale Sammlungspartei von Ex-Finanzminister Petteri Orpo. Auch die rechtspopulistische Partei Die Finnen zog an den Sozialdemokraten vorbei. Der sich anbahnende Machtwechsel in Helsinki wird den bereits beschlossenen Nato-Beitritt des an Russland grenzenden Landes aber nicht mehr beeinflussen.
„Die Demokratie hat gesprochen“, sagte Marin am späten Sonntagabend vor Parteianhängern, als bereits fast alle Wählerstimmen ausgezählt waren. Sie betonte zugleich, dass die Partei an der Regierungsspitze erstmals seit langer Zeit mehr Unterstützung als bei der vorherigen Wahl bekommen habe. Tatsächlich legten die Sozialdemokraten von 17,7 Prozent bei der Wahl vor vier Jahren auf nun 19,9 Prozent zu - die beiden anderen großen Parteien schnitten aber noch besser ab und kamen auf 20,8 beziehungsweise 20,1 Prozent der Stimmen.
Orpo sprach von einem „großen Sieg“ seiner Konservativen. Dem 53-Jährigen kommt als Vorsitzendem der stärksten Partei die Aufgabe zu, als Erster die Möglichkeiten zur Bildung einer neuen Regierung auszuloten. Hat er damit Erfolg, dürfte Orpo neuer finnischer Ministerpräsident und damit Marins Nachfolger werden.
Marin ist seit Ende 2019 finnische Ministerpräsidentin
Für eine Mehrheit der 200 Sitze im Parlament werden jedoch mindestens drei Parteien benötigt - und solch ein Bündnis ist nicht leicht zu schmieden. Die Konservativen erreichten 48 Mandate, die Finnen-Partei 46, die Sozialdemokraten 43. Auf welche Partei Orpo zuerst zugehen wird, ist offen. Der 53-Jährige hat keine Koalitionsmöglichkeit ausgeschlossen - anders als Marin, die wie andere linksgerichtete Parteien schon im Wahlkampf klargemacht hatte, keine gemeinsame Sache mit der Finnen-Partei zu machen.
Marin ist seit Ende 2019 finnische Ministerpräsidentin. Sie führt eine aus fünf Parteien bestehende Mitte-links-Koalition an und wird von vielen Finninnen und Finnen als moderne und schlagkräftige Regierungschefin geschätzt. Ihre Regierung führte das nördlichste Land der EU erst durch die Corona-Pandemie und dann gemeinsam mit Präsident Sauli Niinistö durch den in Kürze abgeschlossenen Nato-Beitrittsprozess: Alle 30 Bündnismitglieder haben der Aufnahme der Finnen zugestimmt, in wenigen Tagen wird Finnland offiziell 31. Mitglied der Verteidigungsallianz.
Im Wahlkampf spielte der Nato-Beitritt allerdings keine Rolle. Unter den Finnen hat sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ein parteiübergreifend breiter Konsens herausgebildet, den Anschluss an das westliche Verteidigungsbündnis zu unterstützen. Zuvor war das Land in dieser Frage über viele Jahre gespalten gewesen. Stattdessen ging es im Wahlkampf vor allem um innenpolitische Themen wie den Staatshaushalt. Marins Gegner warfen ihr vor, die Staatsschulden in die Höhe getrieben zu haben.