Die Pride-Paraden in Belgrad fanden immer unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Nun kommt erstmals die Europride in die serbische Hauptstadt. Foto: imago//Danilo Balducci

Erstmals soll die Homo-Parade auf dem Balkan steigen. In Belgrad laufen rechtsklerikale Kreise Sturm. Welche Rolle spielt Russland?

Serbiens Machtzentren hat Goran Miletic in seinem Büro hoch über der Belgrader König-Milan-Straße immer fest im Blick. Links von der Regenbogenfahne vor seinem Bürofenster ist das Rathaus, rechts der Präsidentenpalast und gegenüber die hohe Kuppel des Parlaments zu sehen.

„Wir haben jede Woche Treffen mit Vertretern der Stadt, der Polizei und der Regierung“, berichtet der Organisator der vom 12. bis zum 18. September erstmals in einem Balkanstaat ausgerichteten Europride. Vor einer kurzfristigen Absage oder einem Verbot des wichtigsten Happenings von Europas LSBTI-Bewegung (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell) habe er „keine Angst“, versichert der Serbe. „Die Polizei hat hier mehrmals gezeigt, dass sie die Pride schützen kann, wenn der politische Wille dafür besteht. Und daran habe ich keine Zweifel.“

Steht die russische Botschaft hinter den Protesten?

Manche im Balkanstaat sind anderer Ansicht. Mit Kreuzen und Ikonen in den Händen waren am vergangenen Sonntag mehrere Tausend Gegner der Europride über die König-Milan-Straße gezogen, um für das Verbot der missliebigen Homo-Parade zu demonstrieren. „Hände weg von unseren Kindern“ war auf einem ihrer Plakate zu lesen. Wer hinter der nicht registrierten Vereinigung zum Schutz der Familie stehe, die offiziell die Demonstration organisiert habe, sei „völlig undeutlich“, sagt Miletic. „Aber es marschierten dieselben Extremisten mit, die sonst in Putin-Shirts die russische Invasion in der Ukraine unterstützen.“

Russland versuche „auf alle Art Serbien und die Region zu destabilisieren“, klagte in dieser Woche Dragan Sormaz, ein früherer Parlamentarier der nationalpopulistischen Regierungspartei SNS, gegenüber der Zeitung „Blic“: „Ich bin sicher, dass die russische Botschaft hinter den Protesten gegen die Europride steht.“ Doch nicht nur bei russophilen Oppositionsparteien wie den rechtsklerikalen Dveri oder Zavetnici, auch in der regierenden SNS findet die Forderung nach einem Verbot der Europride durchaus Widerhall. Wenn schon die Organisatoren die Europride nicht absagen wollten, sollte dies der Staat tun, forderte kürzlich das SNS-Vorstandsmitglied Vladimir Djukanovic: „Mehr als 90 Prozent der Leute sind dagegen. Es ist sinnlos, Spannungen über derart periphere und idiotische Themen zu schaffen.“

Serbiens Regierungschefin ist eine bekennende Lesbe

Einen Schritt weiter ging vor Wochenfrist der erzkonservative Bischof Nikanor. Mit einem Kreuz in der Hand verfluchte der homophobe Chef des Bistums Banat vor der Kirche in Vrsac wutschnaubend alle, die die Europride organisieren oder daran teilnehmen würden: „Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich sie nutzen. Aber ich habe keine.“

Auch die geschäftsführende Regierungschefin Ana Brnabic (SNS), eine bekennende Lesbe, traf der Bannstrahl des Kirchenfürsten. Brnabic habe „unser Land beschmutzt“ und sei „weder unserer Herkunft noch unseren Glaubens“, erinnerte Nikanor an deren kroatische Vorfahren: „Ihre Eltern und Großeltern waren unsere Feinde, die Schlächter des serbischen Volks.“

Nur ein Großvater von Brnabic sei Kroate, aber sicher kein Ustascha gewesen, erregte sich hernach der allgewaltige Staats- und SNS-Chef Aleksandar Vucic über die bischöflichen Attacken gegen seine Strohfrau auf der Regierungsbank. Er habe nichts gegen Kirchendogmen, „aber niemand hat das Recht, anderen zu drohen“. Die Pride habe ihm „noch nie gefallen“, bekannte Vucic: Doch die Leute hätten das Recht „auf diese Manifestation“. Die Frage, ob die Europride durchgeführt werde, hänge von der „Einschätzung der Sicherheitslage und vielen anderen Fragen“ ab und werde „Anfang September entschieden“.

15 000 Besucher aus ganz Europa werden erwartet

Die Erklärung des Präsidenten hätte „deutlicher, klarer und ermutigender“ sein können, klagt Europride-Organisator Miletic. Dennoch hegt er an deren Durchführung keine Zweifel.

Die 15 000 aus ganz Europa erwarteten Besucher könnten sich in Serbiens Hauptstadt „sicher fühlen“, auch wenn sie sich bewusst sein müssten, dass Belgrad „nicht Amsterdam oder Berlin ist“: „Hier hängen an jeder Ecke Überwachungskameras. Attacken sind kaum zu erwarten. Wenn der Wille der Polizei besteht, werden Straftäter sofort gefasst.“

Die Ausrichtung der Europride in Belgrad sei nicht nur für die LSBTI-Gemeinschaft in Serbien, sondern in der ganzen Region eine Anerkennung der erkämpften Fortschritte: „Die Botschaft ist, dass der Balkan nicht vergessen ist, sondern wir in jeder Hinsicht Europa sind.“