Noch Tage nach dem Beschluss, den Kampfpanzer Leopard an die Ukraine zu liefern, werden mögliche Folgen lebhaft diskutiert. Theodor Ziegler aus Mitteltal hat dazu eine klare Meinung.
Baiersbronn/Freudenstadt - Ist die Bundesrepublik mit dem Beschluss zu einer Art Kriegsbeteiligte geworden? Über seine Meinung dazu gibt der Pazifist und Religionspädagoge Theodor Ziegler (69) aus Mitteltal in einem Interview Auskunft.
Wie bewerten Sie, Herr Ziegler, die jetzt aktuelle Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine?
Sie ist ein weiterer Schritt der Eskalation, der die Frage nach sich zieht: Was kommt als nächstes? Kampfflieger, Raketen, Raketen mit immer größerer Reichweite? Die Eigendynamik in der Rüstung mit der Spirale "was der andere hat, muss ich – mindestens – auch haben" führt unweigerlich zur Frage: Wann kommen Atomwaffen zum Einsatz?
Befürchten Sie eine Reaktion der russischen Regierung auf die Panzer?
Ich denke, die russische Seite wird sich überlegen, über welche Wege und über welche Länder das Kriegsmaterial in die Ukraine kommt. Dann steht zu befürchten, dass sie die Transporte beim Eintritt in die Ukraine beschießen. Diese Raketen könnten dann jedoch zum Beispiel auch Polen, das Baltikum oder Rumänien treffen. Diese Nato-Länder werden sich verteidigen wollen. Und so schlittern wir buchstäblich in einen großen europäischen Krieg hinein.
Sie sind als Friedensfreund und Mitglied zahlreicher Organisationen der Friedensbewegung derzeit ein viel gefragter Mann ...
... ich nenne mich ökologischer Pazifist und engagiere mich seit 1971 – als ich den Kriegsdienst verweigerte – in der Friedensbewegung. Ich lehne das Militär ab, es ist weder zielführend noch mit humanen oder christlichen Werten zu rechtfertigen, ebenso wenig wie die Todesstrafe oder die Sklaverei.
Selbst der bekannte Friedensforscher, Autor und Journalist Franz Alt hat kürzlich ein »Friedenschaffen mit Waffen« mit der Überzeugung gerechtfertigt, ein Verneinen von Waffenlieferungen wäre im Fall der Ukraine unterlassene Hilfeleistung gewesen.
Die Rechtfertigung des Kriegs mit den Argumenten der Notwehr lässt außer Acht, dass ein Krieg im Gegensatz zur persönlichen Nothilfe – in der ich über mein Handeln selbst entscheiden kann und die Folgen überschaubar sind – immer unermessliches Leid und kolossale Zerstörung hinterlässt. Die Gefahren und Risiken eines Krieges sind auch ungleich höher als die des von mir favorisierten gewaltfreien Widerstands. Die verlorene Souveränität eines Staates kann man nach zehn, zwanzig Jahren zurückerlangen, aber die in einem Krieg zu Tode gekommenen Menschen nicht mehr.
Sehen Sie eine Chance zur Beendigung des Kriegs?
Wir können uns heute noch auf die Friedenslogik besinnen, mit dem Frieden als erstes Ziel. Davon ist auch von deutscher Seite derzeit leider nicht viel zu sehen. Um ganz schnell zu einem Waffenstillstand zu kommen, bedarf es auch Angebote von westlicher Seite. Dass zum Beispiel die Nato erklärte, darauf zu verzichten, das Militärbündnis auf die Ukraine und Nachbarländer auszuweiten. Für die künftige Zugehörigkeit der umstrittenen ukrainischen Gebiete wie Krim oder Donbass könnte ein Verhandlungskorridor über fünf oder zehn Jahre vereinbart werden. So ist es schon oft erfolgreich praktiziert worden, siehe Nordirland oder Südtirol.
Ist für Sie die so genannte Volksdiplomatie ein gangbarer Weg?
Durchaus. In der Volksdiplomatie könnten sich internationale Organisationen wie Rotes Kreuz, Ärzte gegen den Atomtod, die Kirchen oder auch kulturelle oder sportliche Verbände zusammentun und versuchen, zunächst die Sicherheitsbedürfnisse beider Seiten im Detail zu erfahren, und daraus Lösungsvorschläge ohne Bedrohungen zu formulieren.
Sie planen auch Aktionen im Kreis Freudenstadt?
Ja, zunächst am Samstag, 25. Februar, also einen Tag nach dem Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine, eine Friedenskundgebung um 11 Uhr auf dem Marktplatz in Freudenstadt. Des Weiteren sind ein Ostermarsch mit Kundgebung am Ostersamstag sowie eine Kundgebung zum Antikriegstag am 1. September, ebenfalls in Freudenstadt, in Planung.
Zur Person
Theodor Ziegler (69) ist evangelischer Religionspädagoge und seit vielen Jahren Mitglied und Sprecher verschiedener Initiativen, die sich mit den Themen Frieden und Umweltschutz beschäftigen. Ziegler ist Verfasser und Komponist von über 100 Liedern, die zumeist ebenfalls vom friedlichen Miteinander unter Menschen und Völkern handeln. Er lebt mit seiner Frau Waltraud seit dem Jahr 2020 in Mitteltal.