Baden ohne Bikini-Oberteil: Schon im Mai könnte es soweit sein. (Symbolfoto) Foto: misu - stock.adobe.com/Palinchak Mikhail

Es ist ein kleines politisches Erdbeben im Freudenstädter Gemeinderat: Die „Bürgeraktion“ hat sich tatsächlich mit ihren Plänen gegen die Stadtverwaltung durchgesetzt. Demnach dürfen Frauen im Panorama-Bad auf das Bikini-Oberteil verzichten.

Überraschungserfolg für die „Bürgeraktion“ (BA) im Freudenstädter Gemeinderat: Bald sollen auch Frauen „oben ohne“ ins Panorama-Bad gehen dürfen. Das hat der Gemeinderat nach einer turbulenten Debatte beschlossen. Damit hat sich die BA-Fraktion nun auch gegen den Willen der Stadtverwaltung durchgesetzt.

Dabei sah es vor drei Wochen – als die Bürgeraktion den Antrag stellte – noch so aus, als würde für das Vorhaben keine Mehrheit zustande kommen. „Selbst wir in der Fraktion sind uns nicht einig“, gab Bärbel Altendorf-Jehle damals zu und bezeichnete das ganze als „diesjährigen Aufreger-Antrag“. Es wirkte mehr wie ein idealistischer Kampf gegen Windmühlen als ein realistischer Plan. Gerade bei den Männern im Gremium hatte das Thema in erster Linie für Gelächter gesorgt.

Abstimmung wird zur Zitterpartie

Doch dann das: Die Abstimmung am Dienstagabend wurde zur reinsten Zitterpartie. Die Verwaltung legte dem Gremium nahe, den Antrag der Bürgeraktion abzulehnen. Zehn Gemeinderäte stimmten für die Ablehnung, zehn stimmten dagegen, sieben enthielten sich. Gleichstand also. „Was heißt das jetzt?“, fragte verdutzt Oberbürgermeister Julian Osswald. Nach kurzer Abstimmung mit seinen Kollegen aus der Verwaltung war klar: Durch den Gleichstand ist der Antrag der Verwaltung abgelehnt, der Antrag der Bürgeraktion angenommen.

Doch damit war der Abstimmungskrimi nicht zu ende: Denn mitten im nächsten Tagesordnungspunkt stellte Osswald fest: „Wir haben 27 Stimmen, wir sind aber nur 26.“ Irgendetwas war beim Zählen der Stimmen schiefgelaufen. „Ich muss die Abstimmung leider wiederholen“, verkündete Osswald. Von einigen Rätinnen kamen Protestrufe. Am Ende standen wieder zehn Stimmen gegen zehn Stimmen, dafür gab es diesmal nur sechs Enthaltungen.

Osswald: „Ich würde am liebsten gar nichts dazu sagen“

Ähnlich turbulent wie die Abstimmung verlief zuvor die Debatte zu dem Antrag. „Ich würde am liebsten gar nichts dazu sagen“, meinte Osswald. So musste das Gremium die Meinung der Verwaltung zunächst der Beratungsvorlage entnehmen. Demnach befürchten die Bäderbetriebe, dass Frauen, die „oben ohne“ das Panorama-Bad besuchen, „von anderen Besuchern kommentiert, angegafft, belästigt oder bedrängt werden“. Wenn die Aufsichtskräfte dann solche Vorfälle aufklären müssten, könnte ein „höherer Personalaufwand“ entstehen.

Doch diese Befürchtungen hielt Altendorf-Jehle für übertrieben. Sie habe bei öffentlichen Bädern in Berlin angefragt, wo bereits „oben ohne“ erlaubt ist. Das Ergebnis: „Die wenigsten nehmen das in Anspruch. Es hat auch keine Pöbeleien oder Übergriffe gegeben.“ Auch habe ihre Gesprächspartnerin in Berlin amüsiert auf die Vorbehalte der Freudenstädter reagiert. „Sie hat gelacht: ‚Das ist dann wohl noch sehr ländlich‘“, erzählte Altendorf-Jehle.

Polemik gegen Berlin

Das konterte Osswald direkt mit etwas Polemik gegen die Hauptstadt: „Ich bin froh, dass wir nicht in Berlin sind. Wir können Wahlen und Nahverkehr und kriegen auch ein Flugzeug gestartet.“ Zum eigentlichen Thema meinte Osswald: „Alle Frauen in meinem Umfeld, mit denen ich gesprochen habe, halten das für Quatsch.“ Und er fügte hinzu: „Es ist vielleicht in manchen Dingen auch gut so, dass wir im Schwarzwald sind und nicht in Berlin.“

Auch Carola Broermann (CDU) meldete Zweifel an: „Wir haben ja in Freudenstadt traumatisierte Flüchtlinge“, meinte Broermann. „Wenn die konfrontiert werden mit einem Bild, was sie nicht gewohnt sind, finde ich das nicht gut.“ Doch offenbar fremdeln vor allem einige Einheimische mit der Vorstellung, im Bad auf entblößte Brüste zu treffen. „Wir haben viel Zeit damit verbracht, Leute zu beruhigen“, berichtete Tobias Degout, der Geschäftsführer der Bäderbetriebe. Mehrere Gäste hätten die Kassiererin angesprochen oder E-Mails geschrieben. Der Tenor: „Wenn das kommt, sind wir auf jeden Fall weg.“

Etwas Zustimmung und viel Gelächter

Zustimmung für das Vorhaben der Bürgeraktion kam hingegen von Stefan Langrehr (CDU), der dafür von seinen Ratskollegen einiges an Gelächter kassierte. Er habe drei Töchter, die gerade studieren und die seien dafür. Auch hoffte Langrehr, dass die Erlaubnis zum Baden „oben ohne“ Touristen anlocken könnte. Er stellte aber auch klar: „Meine Kinder werden hier garantiert nicht nackt ins Hallenbad gehen.“

Derweil sah sich Wolfgang Tzschupke (FWV) als Mann vor ein Dilemma gestellt: „Ist man dafür, kann das falsch ausgelegt werden, wenn man dagegen ist, ist man gegen Gleichberechtigung.“ Deshalb solle man sich als Mann bei diesem Thema enthalten.

Es wird noch mal spannend

Ob die in der Debatte geäußerten Befürchtungen sich bewahrheiten, oder doch übertrieben sind, wird sich voraussichtlich im Mai zeigen. Dann könnte die geänderte Badeordnung in Kraft treten, wie Christian Schebetka vom Panorama-Bad auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt.

Allerdings müsse zuvor die Neuregelung noch vom Gemeinderat abgesegnet werden. Es wird also noch mal spannend. Denn wenn sich bis dahin nichts an den Mehrheitsverhältnissen ändert, könnte das Vorhaben doch noch scheitern.