Für die Polizeigewerkschaft ist klar: Die Neuordnung der Polizeiarbeit auf nur noch zwölf Großpräsidien im Land ist im Alltag nur schwer zu handhaben Foto: dpa

Kentheim statt Krensheim: Ein Vorfall aus dem Landkreis Calw deckt Alltagsprobleme bei der Umsetzung der Polizeireform auf.

Stuttgart/Calw - Ein knappes Jahr nach Inkrafttreten der Polizeireform in Baden-Württemberg mit der Bildung von zwölf kreisübergreifenden Polizeipräsidien hat es erneut eine Panne nach einer Alarmierung gegeben. Nach Recherchen unserer Zeitung hatten Augenzeugen eines Verkehrsunfalls in der Nähe von Kentheim (Landkreis Calw) die Polizei über die Notrufnummer 110 alarmiert und waren dabei im neuen Führungs- und Lagezentrum des für den Kreis Calw zuständigen Polizeipräsidiums Karlsruhe herausgekommen. Doch der diensthabende Beamte kannte weder den Ort des Unfalls noch fand er ihn in seinem Datensystem, weil er einen falschen Ortsnamen eingab. Erst die Tatsache, dass die Unfallzeugen schließlich selbst beim Polizeirevier Calw anriefen, hatte zur Alarmierung der Rettungskräfte geführt.

Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Karlsruhe bestätigte auf Anfrage am Montag den Vorfall: „Es handelte sich um ein Kommunikationsproblem. So etwas sollte nicht passieren, kann aber passieren“, sagte sie. Der Beamte habe statt des Ortsnamens Kentheim eben den Namen Krensheim (Taubertal) eingegeben und habe deshalb die Unfallstelle nicht finden können. Mittlerweile habe man „den Fall nachgearbeitet und die Dinge mit dem Beamten detailliert durchgesprochen“.

Ein Sprecher von Innenminister Reinhold Gall (SPD) sagte am Montag, die Einsatzzentralen der Polizei seien im Zuge der Reform „technisch auf den neuesten Stand gebracht worden, damit so etwas eigentlich nicht passieren kann“. Aber Fehler seien menschlich.

Das Polizeipräsidium Karlsruhe ist mit rund 2700 Mitarbeitern das Größte der zwölf neuen Behörden. Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich von Philippsburg im Norden bis Nagold im Süden.

Für Joachim Lautensack, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, beweist der Fall erneut, dass die von CDU und FDP wiederholt kritisierte Polizeireform überdimensioniert ist. Die Neuordnung der Polizeiarbeit auf nur noch zwölf Großpräsidien in Baden-Württemberg sei im Alltag nur schwer zu handhaben. Das führe „zu langen Anfahrtswegen für die Beamten“ und wie in diesem Fall auch leicht zu Verwechslungen von Einsatzorten. „Die Polizei ist noch nicht in der Normalität angekommen. Da holpert es noch“, sagte Lautensack unserer Zeitung. Durch die Größe der Präsidien hätten viele Polizisten „kaum noch Kontakt mit Land und Leuten“.

Die Landtags-Opposition hatte dieses Jahr wiederholt „eklatante Fehler“ bei der Polizeireform kritisiert und Grün-Rot zum Nachsteuern aufgefordert. So eigneten sich die neuen Strukturen des Kriminaldauerdienstes und des Verkehrsunfalldienstes zwar für Ballungsräume, nicht aber für den ländlichen Raum, so CDU-Innenexperte Thomas Blenke. Innenminister Gall hatte zwar Anlaufschwierigkeiten eingeräumt, die Reform sei aber nötig, weil die Polizei unter den Vorgängerregierungen strukturell unterfinanziert gewesen und personell ausgedünnt worden sei. Bei der Reform hatte Grün-Rot die vier Landespolizeidirektionen mit 37 Polizeidirektionen zu den zwölf Großpräsidien fusioniert.