Ein Seitensprung bedeutet für viele Paare das Ende der Beziehung. Doch er kann auch eine Chance sein. Eine Sexual- und Paartherapeutin aus Villingen verrät, wie es möglich ist, Untreue zu verzeihen.
Kommt ein Seitensprung ans Licht, gerät eine Beziehung meist ins Wanken - oder wird gar von dem Betrogenen beendet. Doch das muss nicht immer so sein, weiß Kirstin Deter, Paar- und Sexualtherapeutin in Villingen-Schwenningen. Sie verrät, wie man das Fremdgehen auch als Chance für die Beziehung sehen kann.
Doch dafür muss man die Untreue des Partners erst einmal verzeihen. „Wichtig ist dabei: Es gibt kein halbes Verzeihen. Entweder man verzeiht oder man verzeiht nicht“, weiß die Beziehungsexpertin. Ersteres sei dann möglich, wenn man den Seitensprung als Weckruf verstehe: „Man sollte nochmal genau hingucken und überlegen, was schiefgelaufen ist“, rät sie.
Dabei sollte sich der Betrogene die Fragen stellen, ob es Zeichen oder Bitten gab, die ignoriert oder überhört wurden. Oder ob es andere Prioritäten gab, so die Therapeutin: „Wichtig ist zu verstehen, dass wir in so einer Zweier-Beziehung auch jeweils 50 Prozent der Verantwortung für die Partnerschaft tragen.“
Es gibt auch gute Gründe fürs Fremdgehen
Außerdem sei es laut Deter für die betrogene Person wichtig, sich nicht nur auf den Schmerz zu fokussieren, sondern den Seitensprung auch als Chance zu begreifen, die Beziehung oder auch sich selbst weiterzuentwickeln. Viele der Paare, die in ihre Praxis kämen, hätten bereits einen Seitensprung hinter sich, aber wären wegen ganz anderer Probleme da. „Die haben selbst gemerkt, dass sie nicht aufeinander eingegangen sind und konnten deshalb an sich arbeiten und das Fremdgehen so verzeihen“, erzählt die Paartherapeutin.
Gibt es also auch gute Gründe fürs Fremdgehen? „Ja, systemisch gesehen, hat sowieso jeder einen guten Grund für sich“, meint Deter. „Ich denke, dass es oft passiert, weil man sich von seinem Partner nicht gesehen oder gehört fühlt. Weil man sich dann in der Beziehung einsam fühlt oder die Anerkennung fehlt.“
Manche Leute begehen einen Beziehungs-Boykott
Oft verfalle man in der Außenbeziehung jedoch in dieselben Muster, wie in der Partnerschaft - „aber mit neuer Besetzung“, weiß die Paartherapeutin. Manche Leute begehen laut Deter aber auch einen Beziehungs-Boykott: „Die gehen fremd, weil sie glauben, dass ihre Partnerschaft aus ganz anderen Gründen keinen Sinn mehr macht, können aber keinen Schlussstrich ziehen. Dann hoffen sie, dass der Partner wegen des Seitensprungs die Beziehung beenden.“ Und auch eine Art Selbst-Boykott sehe die Paartherapeutin in manchen Fällen: „Wenn Menschen denken, sie seien es nicht Wert, geliebt zu werden. Dann machen sie die Beziehung oft kaputt, weil sie meinen, dass es sowieso nicht hält.“
Ein Seitensprung muss also nicht immer das Ende der Partnerschaft bedeuten - wenn das beide nicht wollen und an ihrer Beziehung arbeiten.
Weitere Informationen
Kirstin Deter ist seit 2012 Paar- und seit 2014 Sexualtherapeutin. Ihre Praxis in Villingen führt sie seit 2022. Die Diplom-Sozialpädagogin therapiert auch Kinder und Jugendliche und bietet auch systemische Familientherapien an. Außerdem hat sie langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Betroffen von sexualisierter Gewalt und in der aufsuchenden Familientherapie. Mehr Informationen über sie, ihren Kollegen Henning Zippel und ihre Arbeit gibt es auf der Homepage der Therapeutin.